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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,1.1915

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1915)
DOI Artikel:
Stapel, Wilhelm: Muß es Wucher geben?
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Fuchs, Emil: Die Tragik Englands
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https://doi.org/10.11588/diglit.14291#0031

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käufer abschrecken, höhere Preise zu nehmen, als er für seine Leistungen
billigerweise beanspruchen kann. Äber die Grenzen sind dehnbar und dre
Möglichkeiten zur Amgehung unzahlig. Ein schärferes Mittel sind all-
gerneine Höchstpreise. Durch sie kann man allerdings den Strom der
Selbstsucht für weite Gebiete eindämmen, doch sickern immer wieder hier und
da Wässerlein durch und drohen, breite Lücken zu reißen. Das verhältnis-
rnäßig vollkomrnenste Mittel ist darurn die Beschlagnahme der Waren durch
die Allgemeinheit zu bestimmten, angemessenen Preisen und die Verteilung
allein in Ansehung des Bedürfnisses. Das haben wir für die wichtigsten
Lebensmittel, für Getreide und Mehl, bereits durchgeführt. Damit sind
wir praktisch beim genauen Gegenteil des Kapitalismus, beim Sozialismus
angelangt. Und daß diese Wirtschaftsform sich bewährt hat, darüber ist
heute kein Zweifel mehr möglich.

So hat uns der Weltkrieg um einen entscheidenden Schritt vorwärts
gebracht. Mag die wirtschaftliche Organisation, die uns die Zeit der Not
lehrte, nach dem Friedensschluß wieder dahinsinken, es hat sich weithin
offenbart, daß im Wesen der kapitalistischen Wirtschaftsform der Wucher
steckt, daß dieser Wucher um so gefährlicher herausbricht, je bitterer die
Not ist, daß die Ordnung, die auf der Selbstsucht beruht, zwar eine recht-
liche, nicht aber eine gerechte sein kann. And es ist weiter eine unver-
lierbare Erkenntnis, daß die Durchführung der sittlichen Pflicht auch im
Wirtschaftsleben möglich ist, ja daß sie auf einem bestimmten Entwicklungs-
punkt den einzig gesunden Grundsatz alles Wirtschaftslebens bildet. Wir sehn
unter den krachenden Trümmern einer Welt die ersten Keime einer neuen
sich emporringen. Der Rechtsstaat weicht auch hier dem Pflichtstaat. ^

Wilhelm Stapel

Die Tragik Englands

>^ine englische Dame, Frau Buxton, hat ihr tzaus deutschen Frauen
I^überlassen, die in England durch den Krieg in Not geraten waren.
^^Als ihre Gäste verpflegte sie sie darin, solange ihre Mittel es er--
laubten. Das bedeutet unter den jetzigen Verhältnissen nicht nur eine
Tat selbstloser Liebe, sondern auch großer Tapferkeit. — Wir haben hier
ein Beispiel jenes eigenartigen englischen tzeroismus, der immer wieder
in einzelnen Persönlichkeiten jenes Volkes hervorbricht, sich bestimmte
Ziele setzt und diese verfolgt ohne jede Rücksicht auf eigene Behaglichkeit,
eigenes Glück, und mit einer heißen Leidenschaft schließlich den Erfolg er-
ringt. Ieder, der England und sein Volk kennt, kennt auch diesen tzerois-
mus und kennt Gestalten, die durch ihn zu einem gewaltigen Lebens-
werk befähigt wurden. Ich erinnere nur an General Booth und die
tzeilsarmee. Es unterliegt keinem Zweifel, daß solche Persönlichkeiten
dem englischen Volke auf vielen Gebieten des sittlichen Lebens die Füh-
rung gegeben haben. Es ist auch kein Zufall, daß der große Schotte Car-
lyle so gewaltig die tzeldenverehrung in den Mittelpunkt seines Denkens
stellte. Sie ist jetzt noch etwas Zentrales in England. Ein Mensch, der
in irgendeiner Weise dies tzeldentum darstellt, wird immer großen Eindruck
auf das gesamte Volk machen. Wir haben das zuletzt mit Staunen ge-
sehen in der großen Bewunderung, die man dem tzelden der Emden ent-
gegenbrachte. Diese war — meiner Kenntnis des englischen Volkes nach —
durchaus aufrichtig gemeint. — Aber das englische Volk ist auch durch die
 
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