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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,1.1915

DOI Heft:
Heft 3 (1. Novemberheft 1915)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Die Wolke
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https://doi.org/10.11588/diglit.14291#0113

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Die Wolke

ls sie über uns herfielen, in welch ein Himmelstahlblau jauchzten wir
da! SLark fühlten wir uns wie nie zuvor, und nun ist bewiesen,
wir's auch waren, daß wir es sind. Besiegt haben sie uns nicht,
und ausgehungert haben sie uns nicht. Besiegen und aushungern können
sie uns auch nicht. Damals hofften, jetzt wissen wir's.

And doch hängt eine Wolke über uns, groß, unförmig, schwül, und es
ist, als ob ihr Schatten die Dinge eindunste in ein kaltes Grau — man sehnt
sich nach Blitz und Donner. Sie ist durch keinen Wind über die Grenzen
von Schlachtfeldern hergetragen, diese Wolke, aus unserm Land ist sie auf--
gestiegen. Erst kamen nur Flöckchen ins Blau, wir meinten, die verwehn.
Dann wurden aus den Flöckchen Flecken. tzaßliche, wir hätten am liebsten
die Augen vor ihnen zugemacht. And jetzt lagert und lastet das da droben
breit über dieser großen Opferzeit, fremd wie ein Spuk, und ist doch kein
Spuk. Ouer durch den deutschen tzimmel dehnt sich, immer noch eher wach-
send als weichend, immer noch eher sich mästend als magernd die Mam-
monswolke Wuchergeist.

Daß ihr Schatten die Welt wie mit Schmutz färbt, und wie er's tut,
davon brauchen wir heut gar nicht mehr zu reden, denn jeder weiß es. Von
den Männern, die an Regierungstischen sitzen, bis zum bescheidensten
Arbeiter an irgendeinem Maschinenrad geht das gleiche Staunen durchs
deutsche Volk: daß es soundso viele Menschen im Lande gibt, die darben
machen, indem sie sich bereichern, die darben machen die, welche ihnen die
Möglichkeit geben, sich zu bereichern, die darben machen die, deren Gatten,
Väter, Brüder, Söhne sich auch für sie, die Einkassierer und Spekulanten,
mit opfern. Liegt es nun so wie bei Solons Gesetz, das den Vatermord
nicht verdammte, weil es ihn für unmöglich hielt? tzaben wir keine
Rechtsmacht gegen dieses Tun, weil wir's für unmöglich hielten? And
sind sie denn etwa nicht alle Schurken, die jetzt, wir scheuen das rechty
Wort nicht mehr, wuchern?

Alle Schurken? Da werfen sich Fragen zwischen unsern Zorn. Ieder
von uns kennt doch von „denjenigen, welche" auch ein und den andern —
wie sind denn die? Machen sie alle den Eindruck von Vampyren, oder
sind sie kaltschnäuzige Bestien? Ans fällt ein: seltsam, der da hat seinen

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