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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,1.1915

DOI Heft:
Heft 3 (1. Novemberheft 1915)
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Avenarius, Ferdinand: Die Wolke
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https://doi.org/10.11588/diglit.14291#0114

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beiden Söhnen erlaubt, freiwillig nritzugehn. Dem zweiten seiner trägt
längst das Liserne Kreuz. And des dritten Freiwilliger, der begeisterte
Iunge, der fiel. Seht euch unter den Kriegswucherern um, und ihr werdet
neben den Schurken die Leute finden — welche eher Blut hergeben als
Geld. Als Geld hergeben? Auch das trifft nicht immer ganz. Es gibt
schon Leute darunter, die gaben fürs Vaterland und tun das noch und
dachten im Anfang auch gar nicht daran, zu wuchern. Dann aber — ja
dann ergab sich die „Konjunktur". Die Konjunktur, wißt ihr, die „muß"
der Händler benutzen. Soviel wie möglich verdienen, wißt ihr, das „m u ß"
der Kaufmann, denn wenn er das nicht tut, so ist er kein guter Kauf--
mann. „Geschäft ist Geschäft", versteht ihr. Was der Kaufmann als
Privatmann fühlt, das ist wieder eine Sache für sich. Als Mensch geb
ich tausend Mark fürs Rote Kreuz, sonst wär ich ein schlechter Mensch,
als Kaufmann steck ich hunderttausend ein, sonst wär ich ein schlechter Kauf-
mann. Der kennt die Menschenseele schlecht, der meint, solche Sophisterei
müsse ihr bewußt werden. Wenn die Nechte gibt, so denkt sie sehr oft in
der Tat nicht daran, was die Linke nimmt, denn die Rechte gehört dem
guten Menschen und die Linke dem guten Kaufmann.

tzaben denn unsre Linrichtungen diesen Geist der doppelten Buchfüh-
rung nicht Iahrzehnt auf Iahrzehnt bestätigt, unterstützt, gepflegt, ge-
heiligt, daß er sich wohl gar selbst für was tzeiliges halten durfte? Wenn
man immer wieder von der tzeiligkeit des Privateigentums redete, war's
dann ein Wunder, daß soundso viele in der Mehrung dieser geheiligten
Sache auch wieder etwas tzeiliges sahn? Wie viele böseste Schurkereien
sind von Gerichten mit Lappalien geahndet worden im Vergleich zu den
Strafen für kleine Vergehungen gegen den Besitz! „Berechtigte Inter«
essen", das hieß jahrzehntelang für die Mehrzahl unsrer Gerichte Geld-
interessen; wer einen andern „beleidigte", um durch offenen tzinweis auf
einen Mißstand einer Sache zu nützen, der handelte nicht in Wahrung
berechtigter Interessen, wer's aber tat, weil seinem Portemonnaie zehn
Mark auf dem Spiele standen, der genoß den Schutz. Allmählich Lndert
sich die Rechtsprechung, gewiß. Sie ist dabei, ihre Begriffe mehr und
mehr mit sittlichem und sozialem Lebenssaft zu durchbluten. Stapel hat
im vorletzten tzeft davon gesprochen, wie es vorwärts geht. Auch davon,
warum es damit nur langsam vorwärts gehen kann. Mcht nur, weil
„das Mederträchtige" nach Goethes Wort „das Mächtige", auch, weil das
Selbstische das Natürliche ist. Das Ursprüngliche, das Kindliche, das
sich noch nicht mit den Andern als Lines fühlen, noch nicht beurteilen kann,
wie sehr sein eigenes Opfern für die Andern ihm von den Andern her
wieder zugut kommt, auch wenn's in den Strom nur ein Wellchen tut,
wie jeder andre Ouell auch.

Bun kam der Krieg, vervielfältigte die Linzelschicksale zu Massenschick-
salen, verstärkte Lrfahrungen zu Lrlebnissen, vergrößerte das Schlechte
wie das Gute, durchleuchtete den Volksleib auf Bruch und Geschwulst,
strahlte Krankheitsbazillen mit Scheinwerfern an die Wand, malte ein
Mesenbild vom deutschen Wesen in den größten Maßen der Sichtbarkeit
vor allem Volke mitten in den Tag. Äber alle Kräfte und alle Zeiten hin
 
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