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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,1.1915

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Heft 4 (2. Novemberheft 1915)
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Tuma von Waldkampf, Marianne: "Frauenbewegung" und "nationale Frauenarbeit"
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https://doi.org/10.11588/diglit.14291#0178

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Arbeit auf sozialem Gebiet im Dienste ihres Vaterlandes und Volkes
wnrde. Auf der Stnfe der heutigen Gesellschaftsentwicklung und bei dem
Anteil, den die Frau daran nimmt, ist — nicht nur in Kriegszeiten —
ein internationaler Zusammenschluß außer bei Fragen zwischenstaatlicher
Organisationen nur zur Klärung der Gedanken geboten, etwa im
Rahmen einer vergleichenden Gesellschaftswissenschaft. Was diesen be«
grenzten Rahmen überschreitet, ist von Äbel. Denn nicht mehr ist die
Frau von heute völlig rechtlos, sie kennt darum nicht mehr „nur einen
Feind". Sie ist wenigstens eine anerkannte und geschätzte „Mitarbeiterin",
die jetzt im Kriege wie vorher im Frieden die Probe auf ihre Vollwertigkeit
ablegen muß und in mancher tzinsicht abgelegt hat. Mit ihrem wachsenden
Einfluß auf das soziale Leben ihres Volkes wächst ihre Verpflichtung, ein
bewußtes Mitglied eben dieses Volkes zu werden. tzatte sie früher, als sie
um Bildungs- und Berufsfreiheit, um „Gleichberechtigung" in beschränktem
Amfang kämpfen mußte, ein gewisses Recht, sich als Frau zu fühlen,
so erwächst ihr mit jedem weiteren Recht, das ihr zuteil wird, die Pflicht,
sich nun in erster Reihe als Volksangehörige und als Angehörige ihres
heimatlichen Staates zu fühlen. Die Frauen der national sehr stark empfin-
denden slawischen Völkerschaften haben auch — ohne an die internationale
organisierte Frauenbewegung auch nur die leiseste Absage kommen zu
lassen — diesen Standpunkt eingenommen und sind, trotz eines gelegent-
lich auch recht temperamentvollen Feminismus, einer da und dort durch-
blickenden Männerfeindschaft, doch vor allem Töchter ihres Volkes. — Ganz
anders im allgemeinen die organisierten deutschen Frauen! Wie die
deutsche Sozialdemokratie die einzige war, die mit deutscher Gründlichkeit
und Ehrlichkeit international sein wollte, so sieht die deutsche Frauen-
bewegung oder sehen doch viele ihrer Vertreterinnen es als eine „Sünde
wider den Geist" an, die theoretischen Grundsätze des Internationalismus
aufzulösen. Während aber die deutsche Sozialdemokratie im Krieg den
Zusammenhang mit ihrem Volke betätigte, irren noch so manche deutsche
Frauenrechtlerinnen heimatlos durch die Welt und schütteln den Frauen
der feindlichen Völker die angeblich schwesterlich gereichten tzände.

Doch: wenn auch die Frauenbewegung im Laufe der Zeit sich stark aus-
gebreitet hat, so gibt es noch immer viele Frauen, die nicht mittun. Und
nicht alle von diesen leben gleichgültig in den Tag hinein ohne andere
Sorgen als die Wünsche und Eitelkeiten eines unbedeutenden Ichs. Viele,
die der Frauenbewegung als solcher fern stehen, haben sich auf einer andern
Grundlage zusammengeschlossen, sind den politischen Vereinen und Organi-
sationen angegliedert. tzat die Frauenbewegung ihren Ursprung im Kampfe
um die besonderen Rechte der Frau, also im Kampfe „gegen den Mann",
sind ihr daher, wo sie von „reinstem Wasser" ist, politische Unterschiede
gleichgültig, so sind die Grundlagen der den politischen Vereinigungen an«
gegliederten Frauenverbände dem gerade entgegengesetzt. tzier waren es
vielfach, ja fast durchweg gar nicht die Frauen selbst, sondern die Männer,
die erkannten, daß auch im politischen Leben die Mitarbeit der Frau nicht
ganz zu entbehren sei, daß jene „Kleinarbeit", deren Zähigkeit nicht selten
den Erfolg entscheidet oder ihn doch zum mindesten wesentlich beeinflußt,
gerade von Frauen geleistet werden kann. Es liegt also diesen Frauen-
verbänden eine — allerdings nicht eigentlich eingestandene, meist sogar ab-
geleugnete — Anerkennung der Frauenarbeit für das öffentliche Wohl und
für das politische Geschick der Nation zugrunde. Zwar ist richtig, daß diese
 
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