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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,1.1915

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Heft 4 (2. Novemberheft 1915)
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Tuma von Waldkampf, Marianne: "Frauenbewegung" und "nationale Frauenarbeit"
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https://doi.org/10.11588/diglit.14291#0179

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Frauen den politischen Organisationen meist nur „Schlepper- und Handlanger»
dienste" zu leisten haben, ohne den männlichen Mitgliedern der Organi»
sationen nur annähernd gleichgestellt zu werden. (Am weitesten haben
es die sozialdemokratischen Frauen gebracht, die dort, wo es sich um wirt»
schaftliche Fragen handelt, Gleichstellung mit den männlichen Genossen
meist erreicht haben.) Aber trotz dieser „Rechtlosigkeit" liegt der natio»
nalen Frauenorganisation ein sehr gesunder und entwicklungsfähiger Ge-
danke zugrunde: auch die Offentlichkeit, das politische Leben bedarf der
Frauenarbeit. An führende Stellen wird gelangen, wer seine Befähi-
gung zur Führerschaft geübt, erzogen und erwiesen hat, wie das ja da
und dort, zum Beispiel in der Schweiz, schon geschehen ist.

Die nationalen Vereinigungen, die anfangs die Frauen nur in klein-
lichster „Kleinarbeit", Veranstaltung von Festen zum Zwecke der Geld«
beschaffung, von Weihnachtsbescherungen, Geldsammlungen usw. beschäftigt
haben, beginnen jetzt die Frauen auch zu sozialer Arbeit aus nationalem
Gebiet heranzuziehen. Auch die nationalen Frauen selbst wissen schon
soziale Aufgaben zu finden und zu lösen. Von der tzausfrau und Mutter,
als dem für die Gesellschaft wichtigsten „Frauenberuf" ausgehend, sehen diese
Frauenvereine die wertvollste öffentliche Frauenarbeit im tzerüberneh«
men jener staatlichen und völkischen Aufgaben, die als tzausfrauen- und
Mutterpflichten im großen angesprochen werden können. Und nach Auf-
gabe und Arsprung dieser Arbeiten handelt es sich nun nicht um einen
Kampf der Geschlechter gegeneinander, sondern im Gegenteil um ein Zu-
sammenarbeiten von Mann und Weib, allerdings im Verhältnis der
Aber- und Anterordnung.

Wohl ist es wahr, daß so manche dieser Frauen noch kein „weibliches
Selbstbewußtsein" haben, daß sie die Bevorrechtung des Mannes auf den
meisten Gebieten als eine „Naturnotwendigkeit" hinnehmen. In dieser tzinsicht
stehen sie den in der Frauenbewegung organisierten Frauen nach. Sie sind
aber diesen in Bezug auf politische Erziehung und auch politisches Ver-
ständnis vielfach überlegen. Ein erfreuliches Zusammengehörigkeitsgefühl
schafft die Grundlage für jene strengere Zusammenfassung, für jene Ein-
und Anterordnung, die wir jetzt im Kriege so sehr schätzen lernten.

Zwei Lager der organisierten Frauenkräfte — wichtige tzilfstruppen im
Dienste des Volkswohls — stehn also heute einander gegenüber. Das eine
vom weiblichen Selbständigkeitsdrange ausgehend, von der individuellen zur
allgemeinen Entfaltung fortschreitend, das andre von der tzilfsarbeit an
der Seite des Mannes herkommend, auf der Grundlage der Familie, der
tzäuslichkeit, von da aus allmählich ins Weite strebend, also umgekehrt,
von der Allgemeinheit zum Einzelwesen fortschreitend. Das eine im Be-
wußtsein der Frauenrechte, aber vielfach mit sehr schwach entwickeltem
politischen und nationalen Verständnis, trotzdem eifrig nach politischen
> Rechten strebend, das andre ohne sonderliche Kenntnis eigentlicher Frauen-
rechte, politischen Frauenwünschen fernstehend, aber dafür politisch und
national praktisch tätig.

Schon die jüngste Vergangenheit ist sich dessen bewußt geworden, daß
wir der Mitarbeit der Frau bei der Lösung großer Aufgaben gar nicht
entbehren können. Das Völkerringen hat auch die bisher Angläubigen
belehrt, daß auch die Frau kein politisches Zwischengeschlechtswesen sein
darf, daß sie, die mit vollem Recht eine doppelte Moral ablehnt, auch
politisch keine doppelte Moral kennen darf, daß sie in ihres Volkes schwer-
 
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