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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,1.1915

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1915)
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Avenarius, Ferdinand: Das Bild als Verleumder
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https://doi.org/10.11588/diglit.14291#0219

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diesen: „Dreiundvierzig Iahre hat Deutschland das Schwert in der Scheide
gelassen, während seine jehigen Feinde Kriege geführt, überseeische Be-
sitzungen erobert oder zu erobern versucht haben. Was die Kriegsbereit«
schaft und den »Militarismus« betrifft, so haben Rußland und Frankreich
für ihre Heere in den letzten zehn Iahren etwa ^60 Millionen Pfund
mehr ausgegeben als Deutschland und Österreich-Ungarn zusammen, und
ihre Heere waren viel stärker als die deutsch-österreichisch-ungarischen. In
derselben Zeit haben Rußland und Frankreich zusammen 70 Millionen
Pfund mehr für ihre Flotte ausgegeben, als Deutschland und Österreich«
Ungarn zusammen, und hat Deutschland mit Lnglands Flotte als Gegner
gerechnet, was es wohl mußte. Man kann also nicht behaupten, Deutsch«
land sei darauf vorbereitet gewesen, Europa zu unterwerfen. Deutschland
behauptet im Gegenteil: die andern Staaten wollten es unterjochen. An«
gesichts der Ziffern erscheint seine Sorge echt und natürlich. Wäre es
Deutschlands Wunsch gewesen, seinerseits Europa zu unterwerfen, dann
hätte es in den letzten zwanzig Iahren Gelegenheit genug gefunden, Ruß--
land und Frankreich anzugreifen und des Lrfolges sicher zu sein. Wäre
es Deutschlands Ziel gewesen, Lngland zu erobern, so hätte es während des
Burenkrieges sich leicht mit Frankreich und Rußland verbünden können,
und es hat ihm nicht an Aufforderungen gefehlt, dies zu tun. . . Die
Behauptung, Deutschland sei an dem Kriege schuld, ist lächerlich/

Blicken wir unserseits einige Iahre durch die Zeit vor Kriegsbeginn
zurück. Deutschland erweitert in alle erstaunendem Maße seine Industrie
und seinen tzandel, aber während seine späteren Gegner auf friedlichen
oder feindlichen Wegen breiteste Kolonialreiche ausdehnen oder erobern,
begnügt sich das allerstärkste Volk mit den paar ihm „zugelassenen" Stücken,
wie man damals in Lngland sagte, „von Sand oder Sumpf", widmet
diesen um so intensivere Pflege, erträgt alles Zurücksetzen seiner Inter-
essen, und zeigt sich des lieben Friedens willen in einer Weise freundwillig,
die nach Meinung mancher Männer ans Würdelose grenzt. Die Stim-
mung der Weltlage ist wirklich ungefähr, wie sie der Witzzeichner des
„Iohn Bull" noch im vorletzten Sommer ansah.* * Aber das Wachstum der
Industrie, des tzandels und damit des Wohlstandes und auch der Kraft,
das freilich bleibt uns, es bleibt der Wettbewerb mit Lngland. Nach
dem alten britischen Grundsatz, sich gegen den stärksten Rivalen mit dem
nächststarken zu verbünden, beginnt König Eduards deutschfeindliche Politik.
Frankreichs Revanchetraum und die panslawistischen Gärgedanken bieten
sich ihm dar. Am sie zu benutzen, gibt England alle Äberlieferung seiner
Politik gegenüber Rußland und Frankreich auf. Die Linkreisung schrcitet
fort. Bei uns wächst die Sorge vor der immer feindlicheren Stimmung
der Äbermacht, je mehr die Reisen und Besuche rings um Deutschland
herum, die Parlamentsverhandlungen der „Lntente", die Preßreden, die
Regierungshandlungen, die Staatsverträge die Verbindung gegen uns

——_ -G

* Dieser hatte den Deutschen Kaiser umstarrt von Bayonetten gezeigt, wie
er vergeblich um einen Platz an der Sonne bat. Das Bild findet sich auch
in unsrer Flugschrift.

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