ihre Fertigkeit ins Angeahnte steigert. Wohl — das alles ergabe höchste
Technik, immerhin: nur Technik, nur feinstes Virtuosentum. Aber auch
der Geist jener Zeit schreitet und tänzelt, schilt und scherzt in ihren
Kleidern zwischen ihren Möbeln umher und kommandiert und ficht unter
ihren Waffen. Vom Bauern bis zum Gelehrten, vom Lakaien bis zum
Fürsten ist jeder geworden unter den Bedingungen seines Ichs. Da
fangen die Sterne eines erloschenen Himmels aufs neue zu leuchten an,
und Friedrichs Sonne geht wieder für uns auf. Friedrichs, den wir samt
all den Seinen gar nicht mehr anders als mit Adolf Menzels Augen sehn.
Unauffällig steht der kleine Maler beiseit, wir denken kaum daran, daß
ja er das Leben aller dieser erweckt hat. Der Maler, der doch auch wieder
mit jeder Linie eine eigne Art zu sehen zeigt! Nur wenn er in Initialen
und Vignetten so nebenbei eine Glosse hinwirft, bemerken wir, daß er auch
einer der geistreichsten Männer seiner eigenen Zeit ist.
„Seiner eigenen Zeit" — das Wort fällt uns auf, denn nur recht ver«
standen, gilt es. Der Menzel Friedrichs lebt im Berlin des Klassizismus,
der seine Größen hatte wie jede Richtung, nur daß, wie zumeist, nicht die
Größen das Feld beherrschten, sondern die Kleinheiten. Zwischen die blut--
leeren, schönlinigen Schemen fiel Menzels Friedrich-Buch wie ein Meteor
aus einer andern Irdischkeit. „Eigentlich" ging es einen doch wohl nichts
an. Auf die Kunst der Gegenwart übte das Buch kaum eine Spur von
Einfluß. Aber: man schalt auch nicht darauf. Man lobte, man be«
wunderte sogar. And die schier einzigartige Stellung dieses Großen be-
gann sich zu festigen, die er durch Klassizismus, Romantik und Berlini«
schen Äeu-Realismus, oder sagen wir besser: Prosaismus bis durch die
Kämpfe der neuen Moderne durch fast drei Viertel des Iahrhunderts
behielt: alle, alle zogen vor ihm den Hut, aber keiner ging hinter ihm
her. „Das Genie ist der Fleiß", schon deshalb war der Gedanke an ein
Erreichen auf diesem Wege so schwer. Er seinerseits entwickelte sich auch,
aber für sich. Es gab zwei Kunstgeschichten in Berlin, eine in der
Sigismundstraße 3 drei Treppen hoch und eine im übrigen. Rnd wer
weiß, ob man nach hundert Iahren von der reichshauptstädtischen Malerei
all dieser Iahrzehnte die der fünftausend Maler oder die des Einen
interessanter finden wird.
Ia, — er entwickelte sich auch. Den alten Fritzen „und alle, die mit
ihm zu Tafel sitzen", die hatte er nun. Aber dieser Fanatiker des Sach-
lichen empfand es schon mit Unbehagen, das fertige Werk nicht bis ins
kleinste hinein kontrollieren zu können an der Wirklichkeit. Rnd wie
lockte die Wirklichkeit! Gingen nicht Licht und Schatten millionenfach
formenbildend millionenfache Wege heute, wie je, nur heute für den Be«
obachter noch mannigfaltiger, weil die Auswahl viel größer war, und noch
interessanter, weil nichts erst belebt werden mußte, weil alles noch selber
lebte? Das Licht, die Form, die Linie, hast du sie selbst erst kennen ge--
lernt, was schiert dich der Gegenstand, auf dem sie sich grade aufhalten!
And doch nicht: wie irgendein Nur--Augen«Maler hat Menzel diese Reize
gesehen, gefühlt und nachgebildet so oft, wie vielleicht kein einziger vor
ihm, aber: stecken blieb er bei ihnen nicht. Wer hätte ein großes Gemälde
damals nach Zeichnung im einzelnen, nach Kolorit, nach Gliederung der
Massen besser gemalt, als er sein Krönungsbild, wie aber lebt darin auch
der Geist in jeder, tatsächlich in jeder Gestalt bis zum Verblüffen indi«
viduell und dann wieder im ganzen Bild als ein Zusammenklang au§
Technik, immerhin: nur Technik, nur feinstes Virtuosentum. Aber auch
der Geist jener Zeit schreitet und tänzelt, schilt und scherzt in ihren
Kleidern zwischen ihren Möbeln umher und kommandiert und ficht unter
ihren Waffen. Vom Bauern bis zum Gelehrten, vom Lakaien bis zum
Fürsten ist jeder geworden unter den Bedingungen seines Ichs. Da
fangen die Sterne eines erloschenen Himmels aufs neue zu leuchten an,
und Friedrichs Sonne geht wieder für uns auf. Friedrichs, den wir samt
all den Seinen gar nicht mehr anders als mit Adolf Menzels Augen sehn.
Unauffällig steht der kleine Maler beiseit, wir denken kaum daran, daß
ja er das Leben aller dieser erweckt hat. Der Maler, der doch auch wieder
mit jeder Linie eine eigne Art zu sehen zeigt! Nur wenn er in Initialen
und Vignetten so nebenbei eine Glosse hinwirft, bemerken wir, daß er auch
einer der geistreichsten Männer seiner eigenen Zeit ist.
„Seiner eigenen Zeit" — das Wort fällt uns auf, denn nur recht ver«
standen, gilt es. Der Menzel Friedrichs lebt im Berlin des Klassizismus,
der seine Größen hatte wie jede Richtung, nur daß, wie zumeist, nicht die
Größen das Feld beherrschten, sondern die Kleinheiten. Zwischen die blut--
leeren, schönlinigen Schemen fiel Menzels Friedrich-Buch wie ein Meteor
aus einer andern Irdischkeit. „Eigentlich" ging es einen doch wohl nichts
an. Auf die Kunst der Gegenwart übte das Buch kaum eine Spur von
Einfluß. Aber: man schalt auch nicht darauf. Man lobte, man be«
wunderte sogar. And die schier einzigartige Stellung dieses Großen be-
gann sich zu festigen, die er durch Klassizismus, Romantik und Berlini«
schen Äeu-Realismus, oder sagen wir besser: Prosaismus bis durch die
Kämpfe der neuen Moderne durch fast drei Viertel des Iahrhunderts
behielt: alle, alle zogen vor ihm den Hut, aber keiner ging hinter ihm
her. „Das Genie ist der Fleiß", schon deshalb war der Gedanke an ein
Erreichen auf diesem Wege so schwer. Er seinerseits entwickelte sich auch,
aber für sich. Es gab zwei Kunstgeschichten in Berlin, eine in der
Sigismundstraße 3 drei Treppen hoch und eine im übrigen. Rnd wer
weiß, ob man nach hundert Iahren von der reichshauptstädtischen Malerei
all dieser Iahrzehnte die der fünftausend Maler oder die des Einen
interessanter finden wird.
Ia, — er entwickelte sich auch. Den alten Fritzen „und alle, die mit
ihm zu Tafel sitzen", die hatte er nun. Aber dieser Fanatiker des Sach-
lichen empfand es schon mit Unbehagen, das fertige Werk nicht bis ins
kleinste hinein kontrollieren zu können an der Wirklichkeit. Rnd wie
lockte die Wirklichkeit! Gingen nicht Licht und Schatten millionenfach
formenbildend millionenfache Wege heute, wie je, nur heute für den Be«
obachter noch mannigfaltiger, weil die Auswahl viel größer war, und noch
interessanter, weil nichts erst belebt werden mußte, weil alles noch selber
lebte? Das Licht, die Form, die Linie, hast du sie selbst erst kennen ge--
lernt, was schiert dich der Gegenstand, auf dem sie sich grade aufhalten!
And doch nicht: wie irgendein Nur--Augen«Maler hat Menzel diese Reize
gesehen, gefühlt und nachgebildet so oft, wie vielleicht kein einziger vor
ihm, aber: stecken blieb er bei ihnen nicht. Wer hätte ein großes Gemälde
damals nach Zeichnung im einzelnen, nach Kolorit, nach Gliederung der
Massen besser gemalt, als er sein Krönungsbild, wie aber lebt darin auch
der Geist in jeder, tatsächlich in jeder Gestalt bis zum Verblüffen indi«
viduell und dann wieder im ganzen Bild als ein Zusammenklang au§