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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,1.1915

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1915)
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Ullmann, Hermann: Deutsch-österreichisch-ungarisches Wirtschaftsbündnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.14291#0236

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wenig wird von der Möglichkeit einer engeren Annäherung der Bil«
dungseinrichtungen gesprochen, von Erleichterung der Freizügigkeit
an Universitäten, höheren Schulen und ähnlichen Reformen. Eifrig aber
wird seit Beginn des Krieges der Gedanke eines Wirtschaftsbündnisse^s
einer Zollannäherung behandelt. !

Äber den Gegenstand ist bereits eine umfangreiche Literatur da. Maß-
gebende Beratungen wurden namentlich vom Deutsch«Österreichisch--Unga-
rischen Mrtschaftsverband und von den Mitteleuropäischen Wirtschafts»
vereinen in Wien und Berlin gepflogen. Von den leichter zugänglichen
Schriften geben namentlich von Philippovich (Heft (^ der Sammlung „Zwi-
schen Krieg und Frieden", Verlag Hirzel), Palyi (Heft V) und Zastrow
(Heft 26, je 80 Pfg.), ferner Freiherr von Stengel (Zur Frage der wirt-
schaftlichen und zollpolitischen Einigung von Deutschland und Österreich-
Ungarn, Verlag Callwey, 75 Pfg.) guten Einblick.

Die Pläne, die jetzt so eingehend erörtert worden, sind nicht von heute.
Sie sind zum erstenmal großzügig und weitblickend von dem österreichischen
Minister von Bruck in einer Denkschrift im Iahre (850 (neu veröffentlicht
in der Zeitschrift „Deutschösterreich") aufgenommen worden. Damals han-
delte es sich um Österreichs Eintritt in den Zollverein. Vieles an Brucks
damaligen und späteren Darlegungen klingt, als werde es heutigen Ein-
wänden entgegengehalten. Seine Entwürfe scheiterten denn auch nicht an
sachlichen wirtschaftspolitischen Hindernissen, sondern an dem aus politischen
Gründen erwachsenen Widerstande Bismarcks. Preußens Politik konnte
den Anschluß Österreichs an den Zollverein, diesen Vorläufer der deutschen
politischen Einigung, wie sie Bismarck durchführte, nicht brauchen.

Zollpolitisch wurde der Absicht Preußens zum erstenmal deutlicher Aus-
druck gegeben in dem Vertrag mit Frankreich von (862, der die sogenannte
Meistvergünstigungsklausel enthielt: die Bestimmung, daß die
beiden Vertragsteile einander keine Vergünstigung weigern wollten, die
sie andern Staaten zugestehn würden. Diese selbe Klausel wurde dann (87(
in den Frieden zwischen Deutschland und Frankreich aufgenommen und
bildete bis (M ein unüberwindliches Hemmnis für alle in der Zwischenzeit
etwa auftauchenden Wünsche nach einem engeren Zusammenschluß Deutsch-
lands und Österreich-Angarns. Sie bedeutet den Willen, einen Zollsatz,
den man einmal im Verkehr mit dem einen SLaate als ausreichend er-
kannt hat, auch im Handel mit einem zweiten und dritten gelten zu lassen —
also ein Zugeständnis an freihändlerische Grundsätze. Vor dem Kriege
war das Verhältnis Deutschlands zu fast allen Ländern der Erde mit Hilfe
der Meistbegünstigungsklausel geregelt. So hat sich denn mit ihr auch die
Neugestaltung der deutsch-österreich-ungarischen Zollpolitik nach dem
Kriege auseinanderzusetzen.

Deren letztes ideales Ziel wäre: ein geschlossenes Zollgebiet mit ge-
meinsamen Außenzöllen, also völlige Zolleinigung. Auf dem praktischen
Wege dahin stellen sich aber Hemmnisse sehr verschiedener Art und sehr
verschiedenen Ursprungs ein.

Vor allem gelten da einmal sachliche wirtschaftliche Bedenken, das
heißt solche, die man auch würdigen muß, wenn man über das Endziel
selbst: den engeren Zusammenschluß der beiden Reiche, keinen Zweifel
gestattet. Die Gegengründe dieser Art sind die verhältnismäßig klarsten
und daher am wenigsten schwierigen. Zunächst kommen die wirtschaftlichen
und verwaltungstechnischen Verschiedenheiten der beiden Staaten in Be-
 
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