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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,1.1915

DOI issue:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1915)
DOI article:
Ullmann, Hermann: Deutsch-österreichisch-ungarisches Wirtschaftsbündnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.14291#0237

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Lracht. Die Donaumonarchie nimmt heut mehr als dreimal soviel Industrie»
produkte aus Deutschland auf als Deutschland von ihr. (Dabei beträgt der
Anteil Deutschlands an der Gesamteinfuhr der Donaumonarchie etwa 36 v. H.
und Osterreich«Angarns Ausfuhr nach Deutschland ^8 v. H. seiner gesam«
ten.) <Ls werden daher zunächst Zwischenzölle nötig werden, welche den
schutzbedürftigen Industriezweigen Österreich«-Angarns (aber nur diesen) die
Entwicklung zur vollen Wettbewerbsfähigkeit mit der deutschen ermöglichen.
Dazu sind außerdem noch gewisse verwaltungstechnische Angleichungen an
die Lebensbedingungen der reichsdeutschen Industrie notwendig: Steuer«
reformen, rechtliche Neuerungen, intensivere Ausnützung der natürlichen
Kraftquellen. Diese Zwischenzölle wären aber kein Hindernis für einen
gemeinsamen Zolltarif nach außen, für den Philippovich sogar
eine gemeinsame Markwährung oder wenigstens ein gesetzlich festgesetztes
Wertverhältnis fordert. Diese gemeinsame Zollinie nach außen würde
dann die in den Finanzen der beiden Staaten vermißten Einnahmen, die
bisher aus den Äbergangszöllen flossen, ersetzen. Der Einwand, die Staa-
ten könnten auf diese Zolleinnahmen gerade nach dem Kriege nicht ver-
zichten, wird dadurch hinfällig.

Schlimmer wirken die unsachlichen wirtfchaftlichen Widerstände;
solche, denen es um die gemeinsame Sache überhaupt nicht in letzter Reihe,
sonderrr vor allem um ein offenes oder verhülltes Sonderinteresse zu tun
ist. Hieher ist die gar nicht schutzbedürftige österreichische Schwerindustrie,
hieher auch die besonders um ihre „Entwicklung" besorgte ungarische In»
dustrie zu rechnen, die bisher mühsam mit Staatszuschüssen und hohen
Schutzzöllen ihr Leben fristete. In beiden Fällen handelt es sich um ver-
hältnismäßig enge Kreise, denen man erwidern möchte, was Bruck (855
ausführte: „Es schade nicht, wenn durch die Zunahme der Konkurrenz
der inländische Fabrikant genötigt werde, den Ersatz in der Größe des
Absatzes zu suchen und sich mehr um neue Absatzwege und Märkte zu
bekümmern." — Zeitweilig äußern sich diese Interessenkreise recht anmaßend.
„Nicht der ideale Flug der Gedanken, nicht eine Politik des Gefühls wird
entscheiden, sondern das Schwergewicht der materiellen Interessen. Die
unmittelbar davon Betroffenen werden und müssen hier den
Ausschlag geben."^ Wir meinen: gerade sie können bei einer Sache,
die die Allgemeinheit in diesem Maße angeht, nicht entscheiden, wenn
sie so offen ihren Vorteil in den Vordergrund rücken. Die Gebote der
Unterordnung unter die Allgemeinheit werden auch nach dem Kriege zu
gelten haben, wenn wir nicht alle seine Früchte einbüßen und noch schwe-
rere Lasten tragen wollen. — Ahnliches muß man auch einzelnen reichs-
deutschen Kreisen, hier namentlich manchen landwirtschaftlichen, entgegen-
halten. Interessenten dieser Art wenden nichts gegen die Notwendigkeit
eines engeren Zusammenschlusses im allgemeinen ein; bauen dann aber
durch ihre Einwände allmählich soviel von dem ganzen Plan ab, bis
ern paar kümmerliche gegenseitige Bevorzugungen und im übrigen eine
Schutzzollmauer im Innern Mitteleuropas übrig bleibt.

Sachlich ernster und grundsätzlicher gestalten sich die Bedenken der
Freihändler, die besonders Zastrow recht deutlich zeigt. Sie leugnen ziemlich
klar den überwältigenden Vorteil einer mitteleuropäischen Interessen» und

* So die Zeitschrift „Die Industrie", das Organ des Zentralverbandes der
Industriellen österreichs.
 
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