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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,1.1915

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Heft 6 (2. Dezemberheft 1915)
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Kinder
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https://doi.org/10.11588/diglit.14291#0273

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Kinder Menschenkraft, sondern nur an die Kraft des Geldes, der vertraut
fein und ihr Schicksal nicht der eignen Kraft an, sondern nur dern Gelde.
Mer Lngstlich wird, sobald er nicht seine Zukunft bis zum Tode klar und
in sichern Formen vor sich sieht, ist ein Mensch ohne Schicksal. Er wagt's
nicht, Kinder zu haben. Von solchen Leuten spricht Luther in seiner Pre-
digt vom ehelichen Leben: „Ia, sagen sie, es ware gut ehelich werden,
wie will ich mich aber ernahren? Fch hab nicht: Mmm ein Weib und
iß davon. Das ist freilich das größte tzindernis, das am allermeisten
Ehen hindert und zerreißt. Aber was soll ich dazu sagen? Es ist Rnglaube
und Zweifel an Gottes Güte und Wahrheit. Sie greifen fehl, denn sie
wollen zuvor des Gutes sicher sein, woher sie Essen, Trinken und Kleider
nehmen. Ia sie wollen den Kopf aus der Schlinge ziehen, faule, gefräßige
Schelme wollen sie sein, die nicht arbeiten müssen. Aber laß solche tzeiden
fahren, sie vertrauen Gott, solange sie wissen, daß sie seiner nicht bedürfen
und Vorrat haben. Wer aber christlich will ehelich sein, der muß sich nicht
schamen, arm und verachtet zu sein, geringe Werke zu tun. Er muß sich
daran begnügen lassen, aufs erste, daß Gott sein Stand und Werk wohl--
gefalle, aufs andre, daß ihn Gott gewißlich wird ernähren, wenn er nur
arbeitet und schafft, soviel er kann.«

Damit ist eine Stimmung bezeichnet, die sich unschwer ins tzeutige
ubertragen läßt: Vertrauen. Vertrauen und tzoffnung in den Seelen
zu wecken, das ist aber nicht nur die Aufgabe eines Predigers, das ist
auch die Aufgabe einer guten Bevölkerungspolitik. Vertrauen und Hoff«
nung sind der letzte Maßstab für alle einzelnen Mittel. Mit Mutter«
schaftsprämien und dergleichen aber weckt man eine solche Lebensstimmung
im Volke nicht. i! -1 !

Möglich, daß sie zurzeit trotzdem notwendig sind. Möglich, daß wir
schon allen Grund haben, fortan jedes Mittel mit vollem Ernste heran-
zuziehn, das von irgendwelchem Ende hier helfen kann. Aber alles wird
ein Zusammenkleben von Stückwerk bleiben, wenn wir die Lebensstimmung
nicht stärken können, die es hier braucht. Die ist ganz eine andre als die,
welche zu „leichtsinnigen Eheschließungen" führt. Der Leichtsinn denkt nur
an das tzeute und an das Ich. Das Vertrauen denkt an das Morgen und
an das Du. Es will arbeiten, ringen, dulden um dieses Du, um diese
Du, in denen mein Ich sich und mein Weib und unsre Eitern und Voreltern
vorausfühlt, will dulden um die Kommenden, in denen die Gewesenen
leben werden. Aber es zittert um diese Kommenden nicht. Es weiß, daß
die größte aller Reihen, in der mein Ich selber steht, noch niemals abge«
rissen ist seit Rrzeit, noch niemals seit das erste Fünkchen Leben in der
Monade erglomm. Es sieht im leuchtenden Lichte vor sich, daß sie auch
nicht abreißen wird. And so genießt es die Krönung seines Lebens,
die Unsterblichkeit seines Erdenseins in seinem Kinde. Imi
 
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