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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 25.1907

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Finkbeiner, ...: Aus der Pfarreigeschichte von Wurzach, [11]
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https://doi.org/10.11588/diglit.18486#0066

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Ja es kam wegen der festgesetzten Beiträge
teilweise zu reckt unliebsamen Auseinander-
setzungen, die schließlich zu Ungunsten der
Leprosenpflege endigten. Am längsten hat
sicb der Siecken- oder Hockzeitsgnlden er-
halten. Sehr oft klagen die Pfleger über
schleckte Zinszahlung und die Rechnungen
vom Ausgang des 18. Jahrbnnderts führen
nicht weniger als 10—29 000 fl. rück-
ständige Zinsen ans. Zu langjährigen
Streitigkeiten gab namentlich Anlaß die
Weigerung der angeführten Kirchenpflegen,
die Pension zur Unterhaltung des Siechen-
hauses, welche nach der Berechnung von
1694 50 fl. 16 kr. und 5 Heller betrug,
weiter zu bezahlen; deshalb wurde diese
Pflicht unterm 30. Juni 1694 deu betei-
ligten Pfarreien durch ein bischöfl. constanz.
Dekret aufs ueue in folgender Weise ein-
geschärft :

„Da es auf Grund älterer, uns iin Original
vorgelegter Belege des Siechenhauses Wurzach
erhellt, daß vordem bestimmte Summen aus den
im Gebiet der erlauchten Zeil-Wolfeggischeu Truch-
sesseu gelegenen Kirchenpflege zum Unterhalte der
Leprosen bezahlt wurden, daß jedoch infolge un-
günstiger Zeitverhältnisse und anderer Ursachen
seit vielen Jahren diese Unterstützungen unter-
blieben find, so beauftragen wir, um das Gewiffeu
vieler nicht zu belasteu oder solche zu entlasteu,
in kraft dieses alle betr. Pfarrer und Kirchen-
pfleger allen Ernstes, daß sie gemäß beifolgender
Spezifikation künftig diese jährlichen Unterstütz-
ungen wieder gnädig uud getreulich ohne jeglichen
Abzug leisten. Sollten dieselben aber durch diese
Verfügung sich belastet fühlen, fo wollen wir
dieselben hören und je uach Erfund weiter ver-
fügen, wie es uns recht und billig bedünkt."

Diese Aufforderung hatte aber wenig
Erfolg, weshalb 3 Jahre später (1697)
der Ltprosenpfleger anläßlich einer bischöf-
lichen Generalvifitation wieder klagbar
wurde, „daß der meiste Teil Vielgedachter
Knchenfabriken dem Commissionsbefehl von
1694 nicht die gehörige Parition (Folge)
leiste." Der obige Kommissionsbefehl wurde
deshalb unt. 31. Ang. 1697 erneuert und
den Kirchenpflegern unter Strafandrohung
anbefohlen, daß selbige „von dato an inner-
halb zwtyen Monaihen die Gebühr ab
statten oder aber bey löblicher Olficio dar-
gegen einkommen und erweisen, warummen
sie diesem Befehl kein Genügen geleistet
haben." So stritt man hin und her bis
zum Jahr 1719, bis die Leprosenpflege
in Constanz beantragte, daß die betr. Kir-
chenpflegen „sud poena. 6ecem

Lvrum ÄrA'enli inlrs. Mensis sp^lium"
(d. h. uuter Strafe von 10 M. Silber
in Monatsfrist) ihre Quote zu bezahlen
hätten.

Dieses odiose Vorgehen der Leprosen-
pflege veranlasste den Pfarrer von Eber-
hardszell, im Namen von 13 Pfarreien
bezw. Kirchenpflegen in Constanz energisch
vorstellig zu werden, mit dem Bemerken,
„daß dieser Zins laut des bischöflichen
Dekrets 1536 vielmehr als ein

freiwilliges Allmoßen oder Oonurn cÄi'i-
lÄtivum (Liebeswerk) mit dem ausdrück-
lichen Verboth, die Fabriken (d. h. Pflegen)
dadurch zu beschweren, zu betrachten sey
uud dasselbe also gar keine Verbindlichkeit
nach sich ziehen könne, besonders da l!^
das Wnrzach'sche Leprosenhans wirklich mit
reichlichen Capkalien versehen seye, folglich
keinen solchen Zufluß vou ohnehin nicht
viel vermögenden Fabriken mehr nöthig
habe und 2^2 eben benanntes Leproforinm
von seiner alten Stiftung und Einrichtung
abgewichen, da es anstatt 14 oder 15 sol-
cher Leprosen wirklich nicht mehr als höch-
stens vier derselben unterhalte." — Die
Leprosenpflege protestierte gewaltig gegen
diese Erklärung, sowie gegen eine bean-
tragte Untersuchung betr. die eigene Lei-
stungsfähigkeit der Leprosenpflege.

Diesem ewigen Streite machte die bischöfl.
Kurie endlich unt. 22. März 1720 vurch
folgende definitive Entscheidung ein Ende:

„Auf Grund der Einsichtnahme der Akten und
der Erklärung zu Gunsten des Leprosorinms sowie
des Dekrets vom Jahre 1536, das vom bischöfl.
Vikariat erlafsen wurde auf Gruud der Einsicht-
nahme des abschlägigen Bescheids, der unserem,
speziell zur Prüfung des gegenwärtigen Ver-
mögens des besagten Leprosorinms und der andern
damit zusammenhängenden Verhältnisse beor-
derten Kommissär von der Leprosenpflege wider-
fahreil ist, auf Grund der Erwägung aller mög-
iichen Umstände sagen, beschließen und erklären
wir, daß der Herr Pfarrer in Eberhardszell und
Genossen oder vielmehr deren Kirchenpflegen für
jetzt und iür die Zukunft von jeder Leistung an
das Leprosorium völlig befreit sein sollen. Auf
Grund der uns zustehenden Gewalt verbleibt es
uns für immer vorbehalten, daß je wiederum den
genannten Pfarreien aus gerechten und ver-
nünftigen Gründen nach Erfordernis der Zeit-
Verhältnisse eine jährliche Abgabe auferlegt werde;
dem genannten Pfarrer in Eberhardszell nnd
Genossen erklären wir ernstlich, daß sie ans den
Einkünften ihrer Kirchenpflegen ohne Befragen
des Bischofs und ohne defsen Erlaubnis und
ohne schriftliche Befugnis nie mehr etwas in
Zukunft an das betreffende Leprosenhans gültiger-
 
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