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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 25.1907

DOI Artikel:
Merk, Gustav: Der Kampf um die Parität in Attenweiler bei Biberach, [1]
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.18486#0088

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ihre Folgen auch auf die Landorte, Litten-
weiler, Ahlen, Baltringen, Jngerkingen,
Muttensweiler, Buigrieden, ausdehnen
müssen. Am meisten aber wurde Litten-
weiler mit dem Burren (Kalbo geuauul),
GüterShofeu und Schammach vou ihr iu
Milleideuschast gezogen.

Nachdem der Biberacher Rat am
11. Apnl 1531 die Messe verboten und
der Gottesdienst am 29. Juni 1531 auf
zwinglifche Art eingeführt uud die Bilder
samt deu 17 Altären an den Säulen der
Pfarrkirche zerstört worden waren, wurde
auch nach Littenweiler ein eigener Prädi-
kant gesandt, dort zu wohnen nnd die
religiöse Neuerung durchzuführen. Fast
die Hälfte des Dorfes fiel von der katho-
lischen Kirche ab und ging zum ueueu
Bekenntnis über (die Psrüudinhaber schlössen
sich sämtlich dem neuen Bekenntnis an);
die Pfarrkirche aber, die durch Martiu V.
1427 dem Kloster Schusseuricd inkorporiert
worden war, verblieb ausschließlich den
Katholiken.

Bis 1582 findet sich ein protestantischer
Geistlicher in Littenweiler, nach dessen Tod
aber wieder ein katholischer kam, wie in
den andern Biberacher Landorten, wo re-
sormatorische Prediger angestellt waren.
In den Zeiten des dreißigjährigen Krieges
finden wir einen Prädikanten in Litten-
weiler an- oder abwesend, je nachdem
die Kaiserlichen oder die Schweden die
Stadt Biberach besetzt hatten. Daß bei
dem oft urplötzlichen Umschlag der Dinge
Toleranz und Intoleranz neben einander
hergingen uud dieselbe iu Ausübung des
religiösen Bekenntnisses Ungeheuerlichkeiten
zu Tage förderte, ist iu diesen bewegten
Zeiten erklärlich, wenn auch nicht rühmens-
wert. Wurden uach Aussühruug im älteste»
noch vorhandenen >) Psarrbnch von 1005
in den Jahren zwischen 1621 nnd 1629
vier gemischte Ehen von den katholischen
Psarrern in Littenweiler (Konventnal
?. Johann Ernest Striebel uud Felix
Scherrich) „eingesegnet", so wurde am
5. Oktober 1628 der Prädikant Michel
Zeller, ein alter Bauer, welcher dem „ganz
herbeu Lutheraner", Johann Stehlin, der
alte Wolf genannt, das Nachtmahl ge-
geben, von dt in Herrn v. Schad zn Wart-

Pfarr-Registratur Atteiiweiter.

hauseu aufgegriffen und in Lirrest gesteckt,
weil er „iu die pfarrliche Gerechtigkeit"
eingegriffen habe. In der Nacht aber
wnrde er von den lutherischen Biberacher
Rebellanten mit Gewalt aus dem Arrest
uach Biberach abgeführt. Nicht ganz
14 Tage später (18. Oktober) starb die
Ehesran des Georg Gremlin, eines „sehr
bösartigen Lutheraners sine crux sine
lux", zu der ein Biberacher Prädikant
gernsen wurde, aber „durch fremden Scha-
den klng gemacht" zu kommen sich weigerte.
Es war dies möglich, weil am 8. Februar
1628 iu Biberach 40 kaiserliche Reiter
uud am 6. März eine weitere Kompagnie
und am 24. ds. Mts. der Oberst Hnß^
mann mit drei weitereu Kompaguien an-
gelangt war. Den 25. April befahl der-
selbe, daß an den katholischen Feiertagen
alle Läden und Werkstätten sollen ge-
schlossen und das Feldgeschäft eingestellt
werden. Deu 12. Mai verlangt derselbe,
die Protestanten sollen dartnn, wie das
Hospital, die Hauptkirche nnd mehreres
Andere an sie gekommen sei. Um den
Mittag aber wnrde dem Magister Brigel
ein Dekret ins Haus geschickt, er solle
sich bis auf weitereu Befehl des Predigens
und anderer Akte enthalten. Tags darauf
wurdeu alle protestautifcheu Bediente und
Alumnen ans das Rathaus berufen und
ihueu augezeigt, daß sie zwar bis Pfingsten
im Hospital sollen belassen und ihnen bis
dahin Sold uud Unterhalt gerichtet wer-
den, wenn sie aber alsdann die katholische
Religion nicht annehmen wollten, so sollen
sie alles dessen verlustig sein. Am 20. Mai
wurde ferner den Protestanten ausgegeben,
die Pfarrkirche nnd die Kirche sci Lt.
6alenam zn verlassen, im übrigen können
sie ihren Gottesdienst zn -St. Nikolaus
halten. Am 22. Mai hatte Hnßmann
samt dem katholischen Magistrat an alle
protestantische Ratsherren das Begehren
gestellt, sie sollten ihnen Brief und Siegel
geben, daß sie auf die Pfarrkirche keinen
Anspruch mehr machen wollen, worauf
ihnen erwidert wnrde, daß man lieber
alles leiden, als solches tuu wolle. An
dem genannten Tage wnrde der evange-
lische Tansftein in der Pfarrkirche abge-

') Abgebrochen seit 1804. Sie stand in der
Nähe des Niedlinger Tors beim jetzigen Kmser-
denkmnl.
 
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