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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 25.1907

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Merk, Gustav: Der Kampf um die Parität in Attenweiler bei Biberach, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.18486#0106

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stand auf seinem Rechte als Pfarrer, „er
sei Pfarrer und von 2—3 Uhr finde das
Begräbnis statt. Sie drohten mit Klagen
beim Magistrat in Biberach, worauf der
Pfarrer antwortete, er habe nichts entge-
gen. Das Leichenbegängnis fand aber des
andern Tags zu der vom Pfarrer bestimm-
ten Stunde statt. Derselbe Fall traf wieder
am 12. und 20. Sept. ein. In gleicher
Angelegenheit wandten sich 1788 die luthe-
rischer? Bauern wieder nach Biberach, wor-
auf sich die Herren Bürgermeister von
Pslnmmeru, Hospitalpsleger und vr. von
Hayder von Amts wegen nach angehörter
Klage der Baueru folgendermaßen ver-
nehmen ließen: „Wir verkennen die Paro-
chialbefngsame keineswegs, mißraten aber
diese öftere eigenwillige Vorkehrungen in
der zuversichtlichen Hoffnung, unser hoch-
geehrtester Herr Pfarrer werde die alte
beliebte Zeit präjudicierlich beibehalten".
Auch mündlich rieten sie dem Pfarrer, an
Werktagen hie und da eine andere Stnnde
zu bestimmen, zumal au Soun- und Feier-
tagen sie ohnehin der katholischen Religions-
übung ohue Widerrede ausweichen müffe n.
Auch in den folgenden Jahren gab es von
dem althergebrachten Rechte keine Ausnahme.
Die Lage der Prolestanten war eine kläg-
liche, vollends als die Franzosen in Atteu-
weiler uud Umgebung waren. Anfangs
Mai 1800 erkrankte eine M. Ursula Bopp.
Obgleich sie oft flehentlich gebeten hatte,
fo ging doch keiner der Biberacher Prediger
heraus, um die Kranke zu besuchen und
sie auf deu Tod vorzubereiten, sondern sie
starb ganz verlassen.

Infolge des Lüneviller Friedens von
1801 uud durch Reichsdeputationshaupt-
schluß 1803 kam Biberach an die Mark-
grasschast bezw. Knrsürstentnm Baden. Die
Attenweiler Protestanten ordneten nun eine
Kommission nach Karlsruhe ab, besteheud
aus dem Stadtacciser von Hayder, Philipp
Jakob Kühner in Biberach, Weißkreuz-
wirt, Schultheiß Pähl uud dem Bauer
Johann Michael Rehklau zum Zweck einer
Verbesserung ihrer Lage; aber was in ihrem
Sinne lag, erreichten sie nicht. Ein Si-
multanem« wollten die Katholiken nicht
und zur Erbauuug einer eigenen Kirche
uud Errichtung einer Pfarrei waren die
Protestanten zu mittellos. Doch eines
erhielten sie jetzt, das Recht zu gemein-

schaftlichen gottesdienstlichen Versamm-
lungen an Soun- uud Feiertagen in ihrer
Schule, welchen der jeweilige Lehrer vorstand.
Die Leichenbegängnisse durften nun auch
mit Gesang und einer Rede eines Biberach-
schen Geistlichen gehalten werden. Die Taufen
durften von jetzt ab im Dorf gespendet
werden und der Zutritt zu Krankenbesu-
chen durch einen Prediger war unbeschränkt
uud unbenommen.

Unter württembergischem Regime wandte
sich die protestantische Gemeinde 1817
an Seine Majestät den König mit der
Bitte, es möchte für sie ein eigener Pfarrer
aufgestellt uud dazu die katholische Kirche
eingeräumt werden und sie versichern, hiefür
aus Dankbarkeit ersterben zu wollen.
Es wurde ihnen aber vom Konsistorium
im Namen des Königs eröffnet, daß unter
den gegenwärtige:? Umständen ihr Wunsch
nicht anders erfüllt werden könne, als wenn
sie selbst die nötigen Mittel dazu aufbrin-
gen und die Katholiken durch freiwillige
Übereinkunft sich entschließen, ihre Kirche
zu einem Simultaueum einzuräumen. Es
stellte darum unterm 20. April 1818
Oberamtmann Schliz an das katholische
Pfarramt die Anfrage, „ob wohl die ka-
tholischen Einwohner geneigt wären oder
auf gütliche Weise disponiert werden
könnten, ihre Kirche zu einem Simulta-
ueum einzuräumen". Die Antwort muß
aber uicht ganz günstig ausgefallen sein,
denn der Oberamtmann kam selbst nach
Attenweiler, um einen sogenannten Durch-
gang über den fraglichen Gegenstand mit
der katholischen Bürgerschaft zu halten.
Ganz erstaunlich war das Resultat seiner
Verhandlungen. Der Chronikschreiber be-
richtet nämlich: „Wollte er nicht durch
einen Kreuzstock spazieren wegen des An-
drangs der Weiber, so fand er es geraten,
den geraden Reißaus zu uehmen." Immer-
hin aber fanden die Protestanten an dem
Vikar Ferdinand Sonntags eine große
Stütze; derselbe unterfing sich, die katho-
lischen Pfarrangehörigen in einer Stephans-
predigt 1822 aufzufordern: „Diejenigen,
welche geneigt seien, den Evangelischen
die Kirche einzuräumen, sollen aufstehen."
Alle aber sollen ein gutes „Sitzleder"
gehabt haben, einen Blasius Knie,

5) Vikar von 1819—1823.
 
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