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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 25.1907

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Merk, Gustav: Der Kampf um die Parität in Attenweiler bei Biberach, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.18486#0108

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tagsgottesdienst und zu zwei Wochengottes-
diensten, überlassen die Bestimmung der
Zeit dem katholischen Kirchenkonvent und
versprechen, keine Störung zu machen, auch
beim Bauwesen Fronen zu leisten, sehen
aber schon im Geiste vorans und sind
überzeugt, wenn die Katholiken ihnen die
Kirche verwilligen, der Staat alle Kosten
übernehme". Der katholische Kirchenkon-
vent antwortete: „1. mnß es uns betrüben,
daß unsere evangelischen Mitbürger sich
auffallender Unwahrheiten gegen uns er-
lauben. Allerdings haben sie schon zu ver-
schiedenen Zeiten und bei verschiedenen
hohen und höchsten Stellen Bitten um Ein-
räumung unserer Kirche zum Mitgebrauch
vorgelegt, die katholische Gemeiude aber
dabei jedesmal umgangen; 2. haben sie jeden
Sonn- und Feiertag einen Gottesdienst
in ihrem Schnlgebäude und drei Geist-
liche in Biberack; 3. die Stimmnng sei
nicht so freundlich, wie sie meinen, wozn
sie durch ihreAeußeruugen beitragen; 4. seien
Reibungen und Störungen an einer Simul-
tankirche unvermeidlich und es bleibe nicht
bei der angeführten obigen Bitte; 5. wird
entschieden, wer die Fronen bei Kirchen-
banten zu leisten habe; die Katholiken
leisten dieselben für sich, erbieten sich aber
zu freiwilligen Hand- und Fuhrfronen,
wenn sie (die Protestanten) bauen." Das
Protokoll wurde von allen Gemeindemit-
gliedern unterschrieben und den Prote-
stanten zugestellt. Die Machinationen aber
wurden immer weiter betrieben und der
19. August 1839 sollte „der lang er-
sehnte, erpreßte Tag" sein, an dem die
Schlacht für die Protestanten gewonnen
werden sollte.

Nach dem Gottesdienste wurde Pfarrer
Sturm ins Wirtshans zu Oberamtmann
Schmidlin und Dekan Konrad beschieden.
Ersterer zeigte dein Pfarrer ein Dekret des
katholischen Kirchenrats, durch das sie be-
austragt wurden, einen Durchgang mit der
Gemeinde zu halten, welches Dekret zu-
gleich auch einen Ort im Unterland ent-
hielt, wo die Evangelischen den dortigen
Katholiken ihre Kirche einräumten, was
man auch hier beherzigen solle. Der Pfar-
rer erwiderte: Er hätte geglaubt, man ließe
die Katholiken auch einmal in Ruhe, da
schon so viele Erklärungen abgegeben wor-

den seien, daß sie auf ihrem angestammten
Rechte verharren. Der Oberamtmann ent-
schuldigte sich, sie seien eben beauftragt.
Der Pfarrer aber sagte, er kenne die Stim-
mung seiner Pfarrkinder, und daß sie wohl
umsonst hier sein werden, da der Kirchen-
konvent über eine so wichtige Sache nicht
entscheiden könne. Der evangelische Schult-
heiß I. Gaupp hatte schon am Abend vor-
her um 8 Uhr und auch iu der Frühe die
Bürger vou Attenweiler und Schammach
allein zitieren lassen. Der Zweck wurde
aber nicht genannt, damit man nicht kon-
spirieren konnte. Ans Betreiben des Pfar-
rers aber wurden auch die Filiasten vom
Bnrren, Hausen und Rnsenberg herbei-
gerufen. Es kam zu schweren Debatten,
bei deuen der Pfarrer Sturm anf seine
vierjährige Tätigkeit als Vikar in Biberach
hinwies und betonte, daß Störungen des
evangelischen Gottesdienstes vorgekommen
seien, wenn schnell während desselben eine
Provision ausgekommen sei. Es wurde
nun die Bürgerschaft vorgelassen, welche
allgemein erklärte, „wir bleibeu bei unseren
Rechten. Die Lutherischen ließen uns
Katholiken auch nicht hinein, wenn wir
keine Kirche hätten". „Fortschritt, betonte
der Oberamtmann, ihr müßt nicht so eng-
herzig sein, ihr müßt auch fortschreiten";
dem gegenüber aber opponierte ein Bürger,
„der junge Nomer", gewaltig: „Wenn wir
einen Finger geben, dann wollen sie die
ganze Hand. Bis jetzt haben wir in Frie-
den miteinander gelebt, müssen aber fürch-
ten, daß der Friede oft gestört würde, wenn
die Evangelischen hineinkämen". Lange
wurde debattiert bis von allen, auch den
Filialisten, das Protokoll schließlich sieg-
reich unterschrieben wurde. „Einige schwanz-
wedelnde, indifferente Schleppträger oder
solche, denen man von der anderen Seite
Arbeit versprochen," beschließt Pfarrer
Sturm die Aufzeichnungen hierüber, „sind
nicht erschienen". Endlich im Jahre 1842
wurde deu Evangelischen die alte Pfarr- und
Zehntscheuer um 600 fl. überlassen, 1843
zu dem evangelischen Bethaus der Grund-
stein gelegt und 1844 die evangelische Kirche,
zu deren Bau die Katholiken Hand- und
Fuhrfronen leisteten, feierlich eingeweiht.
So wurde nach 300 Jahren in einer kleinen
Gemeinde ein großer Kampf beendigt.

Stuttgart, Luchdruckerei der Att.-Ges. „TeutscheZ LollSblatt"
 
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