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Studien ?»r Charilliteristik deutscher Künstler der Ecgenwurt.

VIII. Moriz, Ritter von Schwind.

Inzwischen war Moriz bei den Schollen in die Schule getreten, und aus
jener Z-il dalirl seine Freundschaft mil Ba,lernseld, der mit ihn, zugleich
dieselbe Schlllc besilchle. Auch mit Nikolaus Lena» wurde er damals be-
kannt, der in feiner Nähe wohnlc. Rachdcl» er di- deulsche Schule hinter
sich gebrächt, begann er feine Studie» und seht- dieselbe» mit so guten, Er-
folge sort, daß er bald die Universität bezog.

Inzwischen waren in seinen häuslichen Verhältnissen sehr entschiedene
Aendernngen vorgegangen. Sc>» Later war in, Jahre 181» verstorben und
die Mutter halte sich in Folge d-si-n von alten B-zi-hnngen. die vorher
waren unterhalten worden, znrückzuzichen Anlaß genonnnen. Sic b-wohnte
jehl tnit ihre» Kinder» ein kleines Hänschen an, Wall in der größten Zu-
riilkgezogenhcit und Stille. Es hieß „zun, Mondschein" und tag zunächst
den, Garten der Earoler in einer wahrhaft idyllischen Ruhe und Abgeschie-
dcnheit von dem Lärmen und Treibe» der volkreichen Stadl, über welche
nian von de» Feilsten, der Fronte wen hinsah. D,e Rückte,tc de» Hauses
dagegen g,ng gegen cnic» kleinen aber gulgcpflegten Garten, degcn Abge-
schiedenheit nichts ahnen ließ von der Nähe der Stadt. In ihn, versammel-
len sich vorzugsweise des Abends die Mitglieder der Faniilie und ihre
Freunde und ersreutcn sich an der Musik, der Mvriz mit besonderer Vorliebe
zngcthan war. D,e Gaff- vor den, Häuschen „zun, Mondschein" gehörte
nicht zu den lebhasleften, und die Eigcnlhümerin, Schwind'» mütterliche
Großmutter, kan, auch nicht zum öslcstcn ans ihrer glänzenden Behausung
in die» kleine und unansehnliche Bcsitzthnm heran». Eine» Tages benierklc»
die Kinder, daß in der Nähe des Hauses c,nc Frau krank znsannnengesnnkcn
war. Sie eilte», Moriz an der Spitze, rasch herbei, ihr „ach Kräfte»
bei!,,stehen und halten „och kann, an» de,» Aenßeren dcctclbcn und ihren
kurzen Mttthcilungen enlnonnnen, vag ,,e nicht bloS krank, sondern überdies
auch »och ann sei, so war auch die Mutter schon von allen Seiten auf das
Lebhafteste bestürmt, die Unglücklich- bei stch ausznn-hmcn. Es war nicht
möglich, dem Andrängcn und den Bitten der Kinder zu widerstehen, und che
sich die Mnltcr „och deffcn recht versah, halte» sic die Kranke in'« HanS ge-
bracht und in Pflege genonnnen. Was einmal „nt-rnoinnien worden, uinßle
ganz durchg-i„hrl werden: inan >v,d„,cte der Frcnidc», der Unbekannten alle
Sorgfalt und Aufmerksamkeit, deren sich ein Fainilienglied hätte zu erftenen
gehabt, und der Himmel fügte eS, daß sic nach einiger Zeit wieder vollstän-
dig genas. Was war da« für di- Kinder jür ein Frendcntag. a» den, die
Arme nun ersten Male das Bett verlaffen durfte und wie snbettcn sic, als
ihre wicdergclehrtc» Kräsle ihr gestatteten, sich in den, llcincn HanSgärtche»
an de», Geuuffe der stärkenden Luft zu erqiticken!

Al« Moriz sich im dritten Jahre de» philosophische» Studien widntete,
sügte c« sich, daß di- Nachniitlage von Vorlesungen frei waren. Dieser Um-
stand erscheint als einer derjenigen, welche wescnltich dazu bcitrngcn. dag ,,ch
Schwind der bildenden Kunst, für welche er feit lange besondere Vorliebe
nnd Neigung gezeigt hatte, ganz widmete.

Da« Knnstlcben Wien« in jener Zeit lrng denselben Charakter an sich,
wie anderwärts in deutschen und außerdenlscheu Landen, den der langweilig-
sten Aflerklassicitäl. Nicht al« ob man sich von de» ewig schöne» Vorbildern
der Anltke lo«gc,agt, als ob man die bcfferen Werke der alten Italiener
nicht in Originalen und Kopien kenne» gelernt hätte, nein, man war sich voll-
konunc» bewußt, daß nur dort da« Heil zu finden und hier an den trefflich-
sten Mustern sich zu halten sei. Allein c« schlte nicht mehr nnd nicht weni-
ger al« da« Berständniß dieser Vorbilder. Man schanle mit offenen Augen
und war doch blind. Man hatte sich eine Reihe von Jahrzehnten daran
gewöhnt, di- Form für Alle« zu halten, und damit war „ich, blo« die Form
abhanden gekommen nnd hatte einer lächerlichen Unforu, Platz gen,acht, man
hatte darüber auch die Fähigkeit verloren, da« Wesen, de» Geist jener Vor.
bildcr in sich aufzunehmcn, ihn zu faffe» nnd mit seinem eigene» Ich so zu
verbinden, daß c« möglich wurde, au« dieser Bereinigung etwa« Selbstän-
dige», mit innerem Lebe:: Begabte« hervorzubringen. Man halte verlernt,
künstlerisch richtig z» denken nnb so war e« nicht zu verwunde,,wen» alle
W-rk- jener Seit de» Stempel flacher Gedankenlosigkeit a» sich tragen. Wa«
Carsten«, Schick und Wächter angestrebt und errnngen, c« schien Vielen
ein Zeichen de« Versalles deutscher Kunst; hatte» jene Meister doch de» Muth,
mit dem allcinseligniachenden Herkommen entschieden zu brechen. Wohl
blickte Mancher schüchtern „ach Frankreich, wo David und Gerard zur
Wahrheit der Antike znrückznstreb-n schienen. Aber wenn auch David'«
Werke mehr vom Geiste de« klassisch^,, Alterthnn,« an sich getragen hätten.

al« er selbst und seine ncurepublikanischen Freunde, -» wäre für Wie» gleich-
wohl verloren gewesen, denn c« war au« dem sündhaften, irreligiösen Pfuhl
de« modcnien Babylon hcrvorgegangen und darum traf e« der Fluch der
weltlichen nnd der kirchlichen Polizei.

Jahre der tiefsten Erniedrigung Deutschland« hatten die Gemüther in
eine neue Bahn gelenkt. Man war in der Indifferenz in Glaubenssachen
groß geworden, vielleicht auch in, Unglauben; da« Unglück führte jetzt zum
Glaube» zurück. An di- Stelle leichtfertigster L-benSanschannng trat nun di-
Schwärmerei der Romantik. Die Literatur führte sie theoretisch ein, die
Fr-ih-ilSlriegc Ware» die praktische Anwendung der Theorie. Die ganze
Basi« de« öffentlichen Leben« wurde eine andere, die Kulnirznständc Deutsch-
land« waren den ftühcrc» dianictral entgegengesetzt.

Die Kunst ist, wenn auch auf der unwandelbaren Basi« d-S Schönen
ruhend, gleichwohl nicht weniger ein Kind der Zeit, als die Literatur. Si-
spiegelt eben ;o wie dtefe d,e Bestrebungen, da« Dichten nnd Trachten der
Mensckien ab. Di- wahr- Kunst schlägt ihre Wurzeln immer tief in'» L-ben
und saugt Nahrung an» ihm. E,»c Kunstrichlnng. die nicht in'« Volksleben
ihre Pjahlwnrzeln getrieben, ist nur eine nnühsam großgezogenc Treibhaus-
pflanze, deren Blüthc vielleicht ein paar Tage da« Auge de« Beschauer« be-
sticht, aber dann hinwelk,, „„> vergessen zn werden.

Da» begriffen die Herren,, welche in Wien in Sache» der Kunst den
To» angaben, nicht. Sie glaubte» au« dem Schiffbruch der alten Kultur-
zustande ihre veralte,en A»,cha»u»gen mit herüber nehmen :» könne» in die
neue Zeit. Sic hatten da« Herrschen licbgcwonnen und hielten mit einer
Zähigkeit, die einer bcfferen Sache würdig gewesen wäre, an dem Scepler
fest, wie der Ertrinkende an einem Strohhalni. Die romantische Richtung
der neuen Zeitperiodc war ihren Augen ein Gräul. Der Hinncignng der
jüngere» Elemente nn Krege der Kiinstlcr zu romantischer Neuerung mußte
init aller Energie entgegengelreten werden; e« war nicht blo« Pflicht, e« war
auch - Nothwchr. Die Romantik führte zum Mittelalter.zurück, über wel-
che« es de» goldenen Schleier de« Ideales zog. Eine geläuterte Begeiste-
rung für klassische Formen vermittelte endlich den lange vorbcrcilctcn Durch,
brnch. Der maaßlose» Herrschaft de« Malerischen setzten Overbeck, Ludw.
Schnorr nnd Schcsfcr die richtige Erkcnnlniß und Nacheiferung der An-
tike entgegen. Der Kanips endete dainit, daß die herrschende Partei von
alle» Mitteln der Gewalt, welche in ihre» Hände» lag, rücksichtslos Gebrauch
machend, ihre Widersacher au« dem Verbände der Akademie drängte.

Während Overbeck an der Spitze der christlich-romantiscken Kunst-
richtung von dem Grundsatz- anSgehcnd, „nur die von Gott b-sc-ltc Kunst
ist die wahre", jede« weltliche Element fern hielt und auf der von de» gro-
ßen Italienern gcschassencii Basi« weiterbautc, Ivcndctc sich Ludwig Schnorr
»ach de« große» Cornelius Vorbild den Werken alter deutscher Knnstthätig-
feit zu. Zn diesem Meister fühlte sich nun Schwind vor Allen hingezogen.
Sein Iic,po-Ii,che« Gemüth erging ,,ch »nt wahrer .<,»»»«,reudc in den
Schöpfungen der deutsche» Dichter au« der romantischen Schule. Besonder«
war c» die übersprndelndc Fülle und der nnendlichc Reichthum der Phan-
tasie Ticck«, die ihn mil wunderbarer Macht fesselte, und seine Dichtnnge»
künstlerisch wieder zn gestalten, schic» ihn, di- schönst- Aufgabe de« Leben«.

Al« er Schnorr'« Schüler ward, brachte er bereit« einige Fertigkeit
in, Zeichnen mit, ja er hatte sogar schon davon Gebrauch gemacht, um dem
Etat seine« Taschengelde« dannt enngerinaßc» auf die Beine zu Helsen. In
den Kunsthandlungen Wien«, welche nicht da« Bedürfniß der höheren Stände
ausschließcnd in« Auge zu saffcn sich zur Aufgabe gemacht, verkaufte man
datnal« sogenannte Zugbildcr, welche sehr beliebt waren. Sic waren so ein-
gerichtet, daß mittels sehr einfacher Vorrichtung einzelne Glieder der darauf
befindlichen Figuren bewegt werden konnten. Schwind'« Kasse war eine«
Tage« sehr leicht geworden, al« er mit einem andern Knaben an, Schan-
scnster solche Zugbilder ausgestellt sah und ans den Gedanken kam, mit jenem'
gemeinschafttick solcke herznstellen und Zum Kauf anzubicten. Gedacht, ge-
lhan: der Verfuck gelang und inner Monz hatte die Freude, nicht blo« die-
ses erste Erzeugniß vereinter Thäligkcit mit einem halben Gulden an den
Mann zu bringen, sondern auch noch weitere Bestellungen z» erhalten. Vor
wenig Jahren noch sah er in Wien zufällig bei einem Bilderhändler ein
Znglnld. da« enicr seiner dantaligen.Originalarbeite» nachgebildet war, wa«
ihn natürlich in di- heiterste Stimmung versetzte.

Schwind und seine Freunde verlegten sich fleißig auf da» Kopiren be-
deutender Werke, welche in den Ännstsamn,langen Wien« aufbewahrt wurden.
Wie da« nun bei jungen Männern z» geschehen pflegt, hatte der Eine und
der Andere in der Wahl der Originale einen Mißgriff gen,acht oder auch
guten Grund mit seiner Arbeit nicht so ganz zufrieden zu sei». Man klagte
 
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