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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0035

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19

Wach, weniger freilich auf die nächsten Nachfolger, am meisten
aber auf die Gestaltung aller Kunstwerke übte, deren hohe lstnfe
noch heute vom Auslande nicht erreicht ist.

Je mehr Gerechtigkeit Schinkel anderen Kunstrichtungen der
Vergangenheit, wie dem Zeughause, dem königlichen Lchloß rc.
widerfahren ließ, je milder er über Reproduktionen überwunde-
ner Kunstpcrioden urthcilte, um so mehr würde man an ihm
ein Unrecht begehen, wollte man gerade vor sein reinstes Werk
ein Monument ganz anderen Stils stellen, ein Monument, wel-
ches bei aller Genialität nichts von der klassischen Ruhe, Klar-
heit und Einfachheit der Antike besitzt. Aber nicht die Pietät ge-
gen Schinkel ist es allein, welche davon abhalten sollte. Alan
würde an dieser Stelle einen Mißton, eine plastische Dissonanz
Hervorrufen, gegen welche freilich die modernen Augen viel un-
empfindlicher sind, als die Ohren gegen Disakkorde in der Musik.

Die Arbeit von Begas lehnt sich bewußt an die alten Ita-
liener, an den Uebergang aus dem Renaissance- in den Barrok-
stil an. Der Typus der Gestalten, die Gewandung, die ganze
Anordnung erinnnert stark an jene Bilderwerke, welche weit
über die Grenze der maaßvollen Skulptur hinausschritten, denen
die schöne Form, das natürliche einfache Motiv nicht mehr ge-
nügte, die mehr durch Blasse, tiefe Schatten und grelle Lichter
auf eine gröbere Sinnlichkeit zu lvirken bestimmt sind. Zwischen
den ganz im antiken Geiste erfundenen Bildwerken des Schau-
spielhauses, dem Pegasus, den Musen und den Riobiden und
den Figuren im Entwurf von Begas besteht ein Gegensatz, der
unmöglich geleugnet werden kann, und den Begas selbst gewiß
nicht leugnet.

Daß der Künstler die Architektur des Schauspielhauses nicht
einfach ignoriren sollte, daß bei dem Entwürfe eines Standbildes
vor demselben (und mehr noch eines monumentalen Brunnens)
auf ein so hervorragendes, eine ganze Knnstepvche bezeichnendes
Bauwerk Rücksicht genommen werden mußte, ist schon in Nr. 5
des Programms vom 10. November 1861 ausdrücklich und ans
guten Gründen vorgeschrieben worden. Begas hat diese Bestim-
mung einfach bei Seite geschoben. Wollte man das Werk von
Begas vor dem königl. Schloß auf dem Schloßplatzc aufstellen
oder zwischen der Bibliothek und dem Opernhause, so möchte das
immerhin geschehen, obgleich freilich zu befürchten ist, daß diese
Kunstrichtung wieder zu dem ausschließlichen Streben nach pi-
kantem Formenreiz, genialer Haltung und imposanter Masscn-
haftigkcit und dadurch wie in der Epoche des Barrokstils zur un-
begrenzten Willkür des Individuums führen würde. Bor dem
Schauspielhause wäre die Ausstellung ein Beweis, daß der Aus-
spruch Schlcgel's: „Die Architektur, die Plastik überhaupt ist
eine gefronte Musik" heute in Berlin nicht mehr verstanden lvird.
Mit gutem Gewissen kann kein Jünger Schinkels behaupten, daß
das Werk von Begas vor dem Schauspielhause nicht störend wir-
ken lverde. Es gehört zu dieser Zusammenstellung ein ähnliches
weites Gewissen, wie zu dem Anbau von Kapellen im Rvkoko-
stil an deutsche Dome.

Die Hindeutüng auf die Thürme des Gensdarmenmarktes
Und den Stil der Privatgebäude ändert daran sehr wenig; denn
die Thürme liegen ganz seitlich, bilden nicht den unvermeidlichen
Hintergrund und gehören in ihrer Architektur der Knobels-
dorf'scheu Periode an, welche vorwärts strebte, nach Ent-
wickelung drängte, und darum von Schinkel seihst anerkannt
wurde. Die Fatzaden der Privathäuser aber wechseln in Berlin,
wie die Masken im Carncval, sind nicht monumental und können
deshalb gar nicht beachtet werden.

Eine harmonische Vermittelung zwischen jenen verschiedenen
Baustilen gicbt das Monument von Begas aber eben so wenig,
als man zwischen dem neuen Museum und dem Donie durch
ein Monument im Stile des Domes vermitteln könnte.

Endlich widerspricht der Entwurf von Begas zwei noch
ausdrücklichen Bedingungen des Programms, der vorgeschriebenen
Rücksicht daraus, daß die Statuen von Göthe und Lessing zu
beiden Seiten ihre Stelle erhalten sollen, — und dem Kosten-
punkte. — Könnte man im Ernst daran denken, noch zwei solche
kolossale Monumente rechts und links mif demselben Platz auf-
zustellen ? — Oder will man Göthe Schiller nnterordncn und
Ulit einem einfachen, viel kleineren Standbilde abfertigen? —
Beides scheint gerade unmöglich. — Eben so falsch ist aber die
Behauptung, daß der große Gensdarmenmarkt überhaupt nur
ein Standbild zulasse. Man denke doch an die zahlreichen Bild-
säulen auf den Stadtplätzcn und in den Tempel-Bezirken des
Alterthums. Der Gensdarmenmarkt gestattet die Aufstellung
enicr ganzen Reihe von Bildsäulen, aber ein plastisches Quod-
libet darf cs freilich nicht werden. Den Anflvand betreffend,
so haben die Statuen von Gneisen au, Uork, Thaer u. s. w.
lebe 15—18,000 Thaler gekostet, danach leuchtet ein, daß das

Monument von Begas, würdig, in gehörigen Maaßstabe, aus
dauerhaftem Material hergestellt, sicher 60,000 Thaler, also das
Doppelte der vorhandenen Summen in Anspruch nehmen ivürde,
ganz abgesehen von den Kosten der Speisung des Brunnens mit
Wasser. Die Kosten aber dadurch vermindern, daß man den
Maaßstab verkleinert, Schiller auf seine natürliche Größe von
6 Fuß reducirt und an der Ausführung spart, hieße einen trau-
rigen Ausweg suchen. Der Stil von Begas erfordert wirkliche
Massen und reichliche Dimensionen. Verkleinlichen hieße Ver-
nichten. lieber den Entwurf von Siemering genügen einige
Worte: Es ist ein wirkliches Standbild Schillcr's. Die Bild-
säule selbst, die schönste von Allen, edel und feilt empfunden, int
Kostüm der Zeit, aber im Geist der Alten gedacht, also ganz in
Schinkel'schem und Rauch'schen Sinne. Das Postament reich,
aber nicht überladen, mit klaren, allgemein verständlichen Mo-
tiven. Die zwei seitlichen Figuren, vielleicht etwas bequemer
gesetzt, entsprechen ganz der Aufstellung parallel mit der Haupt-
front des Schauspielhauses, leiten natürlich zu Nachbarstatuen
hinüber und geben dem Ganzen in der Hauptansicht eine breitere
Basis. Der Kostenpunkt ist wohl erwogen, überhaupt sind die
sämmtlichen Bedingungen scharf inne gehalten. Hätte Sieme-
ring auf mehr als 33,000 Thaler rechnen dürfen, so muß we-
nigstens vermuthet werden, daß er auch denen genügt haben
würde, welche Großartigeres verlangen, ohne die antike Einfach-
heit und Verständlichkeit zu verlassen.

Soll und muß unter den Entwürfen von Begas und Sic-
mering sofort gewählt werdxn, so verdient, ganz besonders für
die Aufstellung vor dem Schauspielhause, Siemering der Vorzug.

Besser aber scheint es, beide Künstler zu einem engeren Wett-
kampf aufzufordern und beide für den dazu nöthigen Zeitauflvand
zu entschädigen. Selbst viele der eifrigsten Gönner von Begas
wollen nicht an die sofortige Ausführung nach der jetzigen Skizze
gegangen wissen, sondern den Künstler zu einem veränderten Ent-
wurf veranlassen. Dabei Siemering ausschließen, weil er sich
streng an das Programm gehalten hat, wäre eine schwere Un-
gerechtigkeit.

Berlin, den 6. November 1862.

v. Unruh, Mitglied der städtischen Deputation.

Wir haben diesem sachgemäßen und dadurch, daß cs in den
künstlerischen Sachgehalt des Gegenstandes nach allen Seiten hin
cingeht, sich vor dem akademischen Gutachten sehr anszeich-
nenden Votum nur einen Vorwurf zu machen, daß es Begas
und sein Modell viel zu hoch nimmt und viel zu milde beur-
theilt. Ein kölner Berichterstatter nannte das Begas'sche Mo-
dell für die Fricdrich-Wilhclmsstatuc in Köln einen „sknlptorischen
Schwindel". Dieser Ausdruck paßt in noch höherem Grade für
das Schillcrmodell und erklärt zum Theil den Umstand, daß so
vielen, sonst vernünftigen Männern der Kopf davon schwindlich
geworden ist.

Endlich wurde das Publikum am 8. Januar durch einen
Herzenserguß des Prof. M a g n u s in der Vossischen Zeitung über-
rascht, der nach einigen einleitenden Klagen über das lange Hin-
schleppen dieser Konkurrenzangclegenheit folgende interessante
Personalien enthält:

Wir überlassen jeden Unbefangenen in und außerhalb unserer
lieben Vaterstadt Berlin den Betrachtungen, die sich bei dieser
Gelegenheit unwillkürlich aufdrängen, und würden gewiß vorziehen
zu schweigen, fühlten wir nicht eine Verpflichtung gegen unsere
Freunde und Kommilitonen, die Herren Drake, Bläscr, Schie-
selbcin, Hagen, Kalide, A. Wolfs, W. Wolfs, so wie
gegen Hrn. Moser, öffentlich mitzutheilen, wie cs zugcgangen
ist, daß der Entwurf des Herrn Siemering überhaupt von der
sachverständigen Kommission in zweiter Stelle hat genannt wer-
den können.

Als in der Sitzung am 13. August 1862 am Schluß der
Berathung der Herr Vorsitzende das Verlangen an die Mitglieder
stellte, unter den 27 Modellen die drei besten namhaft zu machen,
sprachen wir unsere Meinung dahin aus, daß wir nur eine und
neben ihr nicht eine Zweite anszeichnen könnten; daß vielmehr
nach der Skizze des Hrn. Begas gleich 6 bis 8 als die gleich
Berechtigten zu nennen seien, und daß wir es für eine Ungerech-
tigkeit gegen die Uebrigen betrachten müßten, wenn einer unter
ihnen der Vorzug gegeben werden sollte. Der Herr Vorsitzende
erklärte aber kategorisch, die Bestimmung festhalten zu müssen,
daß ein erster, ein zweiter und ein dritter Kandidat namhaft ge-
macht werden müsse. Als wir in dieser Alternative es vorzogen,
 
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