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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0047

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mit lächelnder Verachtung. Man fühlte und erwäg dies
Alles bei Hofe und überschüttete plötzlich den bereits vier-
zigjährigen Künstler mit Aufträgen und Belohnungen.
Carl X. berief ihn zu sich und bestellte bei ihm „die große
Revue auf dem Marsfelde", zur Zeit im Museum von
Versailles; der Herzog von Angoultzme sein eignes „Por-

trait". Für das Louvre ward außerdem „Julius II., die
Arbeiten int Vatikan anordnend" erbeten. Ja, die könig-
liche Gnade und Klugheit ging so weit, ihn zum Direktor
der Akademie in Rom zu ernennen, mit in der Absicht,
ihn von Paris zu entfernen.

(Fortsetzung folgt.)

„Arktik" — „'gtfittefrtfferficfj“ — „Modern" in Beziehung auf Kunstanschannng. (Forts.)

Zwei Vorträge, gehalten zum Besten des Germanischen Museums in Nürnberg, von Dr. M. Sr.

Mau hat das Griecheuthum die Jugendzeit in den
Altersstufen des Lebens der Menschheit genannt. Dies ist
besonders in dem Sinne wahr, daß der Jugend noch nicht
durch den harten Ernst der Arbeit 'die Fröhlichkeit einer
unbefangenen poetischen Natur geraubt ist, daß die Frische
und Kraft ihres Geistes noch nicht durch den entnüchtern-
den Einfluß der Reflexion oder durch geistige Leiden irgend
welcher Art gebrochen ist. Die naive Freude an dem
sinnlichen Genuß geht in dieser glücklichen Zeit Hand in
Hand mit dem reinen Enthusiasmus für die Ideale einer
heiteren Phantasie, weil beide im Grunde genommen zu-
samnienfallen und Eins sind. Nämlich die ganze Natur
erscheint beseelt und geistig lebendig, weil der Geist nirgends
als solcher, d. h. abstrakt, sondern nur gestaltet für die
Vorstellung lebt. Der Gegensatz zwischen geistigem und
sinnlichem Leben, welcher im Christenthnm einen so harten
Widerspruch bildet, verliert hier seine Bedeutung in dieser
Versöhnung aller Gegensätze; die Stellung, welche im
Hellenenthum der Geist gegenüber der Natur einnimmt
— ein Verhältniß» woraus sich alle Thätigkeitssphären,
besonders aber die der Empfindung, also der Religion und
Kunst gründen — ist daher eine gänzlich verschiedene, ja
eine umgekehrte. Die Griechen vermenschlichten das
Göttliche, d. h. sie ließen den Geist in der Natur auf-
gehen und begciftigten, veredelten diese dadurch — im Chri -
stenthum wird umgekehrt der Bkensch zu Go11 erhoben,
welcher ein Jenseits ist, und diesem Jenseits wird das
Diesseits als ein „Schlechtes" zum Opfer dargebracht. In
beiden Verhältnissen ist nun zwar ausgesprochen, daß das
Wesen der menschlichen Natur ein „göttliches" sei. Aber
im Christenthum wurde Dies so gefaßt, daß der Mensch
gottähnlich werden solle, die Griechen dagegen machten
ihre Götter menschenähnlich. In dem hellenischen Gott
alö gestaltetem, verharrt die Natnrmacht in gleichberechtig-
ter Existenz mit dem Geiste; er beherrscht weder die Natur,
wie im Christenthum, noch wird er von ihr beherrscht,
wie ini Oricntalismus. Sv sind die griechischen Götter
zwar selber noch Naturmächte, aber zugleich ideale Jndr-
vidualitätcn. Die Hellenen wußten vom Göttlichen nur
als Naturmächtigen, aber auch vom Natürlichen nur als
Gottmächtigen.

Diese vollkommene Durchdringung und Beruhigung
der entgegengesetzten Element bildet nun den eigentlichen
Kern des ganzen griechischen Lebens, insbesondere den
Charakter ihrer Religion und Kunst, welche in jedem De-
tail das unverkennbare Gepräge einer Harmonie von Geist
und Natur, d. h. der der Schönheit tragen. Darum ist
der Hellenismus die Blüthezeit der Schönheit, als der voll-
kommenen Verkörperung der Idee. Es bleibt von

dieser im Innern nichts zurück, was sich der Gestaltuug
entzöge; der ganze Inhalt der Idee wird — und zwar
in allen Sphären des Lebens — veräußerlicht und
tritt in die Erscheinung, d. h. ist schön. Denn die
Schönheit ist eben dieses Durchscheinen der Idee
durch die Gestalt, welches als Harmonie der Form empfun-
den wird. Die Freiheit des Geistes, welche das Hellenen-
thum dem orientalischen Naturdespvtismus abgcrungcn
hatte, ist in diesem Sinne schön, daß sie an die Ver-
äußerlichung gebunden und nur in dieser vorhanden,
noch nicht an sich, wie im Christenthnm, sondern plastisch
gestaltet ist. So ist die griechische Welt nicht nur eine
schöne Welt, sondern vielmehr die schöne Welt: die
Welt der jugendlichen Anmuth und Heiterkeit, die Welt
der Harmonie und Versöhnung der Gegensätze, in denen
sich sonst zu allen Zeiten die Menschheit abquält, die Welt
der Jugendblüthe und unbefangenen Sinnlichkeit, wie sie
seitdem allen wahren Künstlernaturen als das Eden deö
menschlichen Lebens vorgeschwebt hat und vorschweben wird.

Wohl mag man mit Schiller trauern, daß mit den
Göttern Griechenlands die Schönheit des Lebens oder
vielmehr das Leben der Schönheit untergegangcn —
für immer; denn zu diesem Versöhnungsstandpunkt kann
der darüber hinausgcgangene, zur Herrschaft gelangte Geist
nie wieder zurückkehren. Und dennoch: die harmonische
Gestaltung der Idee, dies Ansgehen in die Naturform und
die damit verbundene Veräußerlichung des geistigen In-
halts, ist nicht das höchste Ziel des Geistes. Im Begrifi
deö Geistes, gegenüber der Natur, liegt es, daß er sich
frei mache, nicht nur von der Despotie der Natur, sondern
auch von der Gleichberechtigung mit derselben, da er mehr
werth ist als sic. Und in solcher Bewältigung der Materie
kommt er erst zur wahrhaften Freiheit und erfüllt seine un-
endliche Bestimmung.

Dieser Gedanke ist es, welcher durch das Christen-
thum bcthätigt wurde, zunächst in negativer Weise durch
einen Vernichtungskrieg gegen die Natur, durch eine Ab-
tödtung des Fleisches; sodann aber in positiver Weise
durch eine Vertiefung in's Innere, durch eine Erhebung
über die weltliche Beschränktheit. Diese beiden Seiten
machen den Charakter des mittelalterlichen Empfindungs-
lebens, insbesondere der Religions- und Kunstanschauung
aus, welche in diesem Punkte einen völligen Gegensatz zur
hellenischen Anschauungsweise bilden. Denn während im
Hellenismus der ganze Inhalt der Idee ans die Ober-
fläche gezogen wurde und durchaus gestaltet, d. h. ver-
äußerlicht wurde, sammelt sich der Geist int Mittelalter,
wie ich schon im Eingänge bemerkte, von der Oberfläche
nach Innen. Er führt sich seine Aufgabe der unendlichen
 
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