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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0079

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63

Korrespondenzen.

(») Wien, den 22. Februar. (Oesterreichischer
Kunst verein.) Die diesmonatliche Ausstellung des
österreichischen Kunstvercin gestaltete sich zu einer ebenso
reichhaltigen wie interessanten; und es ist auch diesmal
wieder ein größeres Historienbild, das als recht gelungen
bezeichnet zu werden verdient. „Die besiegten Mailänder
vor Barbarossa" von Karl Swoboda sin Wien) ist ein
im Aufträge der „Verbindung für historische Kunst in
Deutschland" gemaltes Bild von edler Haltung und cha-
rakteristischem Gepräge, dem nur leider aus Stilsucht des
Künstlers eine eingreifendere Massenwirkung abhanden ge-
kommen ist. Der erste Eindruck ist ein ziemlich blasser,
mehr zerstreuender als feffelnder: jedoch sind sämmtliche
Details, hie und da auch ganze Gruppen, vortrefflich zu
nenneu. — Mehr technisch vollendet als psychologisch er-
wärmend ist Schenkenhofer's (in München) „Gesan-
gennehmung der Agnes Bernauer"; ähnlich verhält sich's
mit Deger's „Maria, die Himmelskönigin"; nur daß
wir hier die zweite epithetische Forderung ganz fallen
lassen. — Bei Gaul's „Tannhäuser in, Benusberg" ge-
räth niau in Zweifel, ob man den Ausdruck von Schläf-
rigkeit in der Behandlung des Motivs als Traumseligkeit
oder als Moment stagnirender Sinnlichkeit deuten solle;
ganz abgesehen von der schniutzigcn Farbe, die über das
Ganze ausgegossen ist, und die man fast als ein zwei-
deutiges Symbol zu halten geneigt sein könnte. Gaul's
schönes Talent wandelt auf Irrwegen; es schwankt zwischen
technischer Nachahmung und ideller Originalitätssucht, wobei
erstere stets wie Blei hinabzieht, was letztere naiv zu er-
ringen wähnt. — Ein paar treffliche Geurebildchen sind zu
erwähnen: Platthner's (in Düsseldorf) „Das Mittags-
schläfchen" von überaus stimmungsvoller Situation und
feiner Empfindung, sowie Bakdersd orf's humoristisch
gehaltene Blüette: „Der Namenstag der Herrin". — Von
interessanter, jedoch sehr skizzenhafter Tonwirkung ist fer-
ner ein kleines Charakter-Genre vonRaffaelt „Brunnen
bei Ragusa", das so ziemlich nach empfunden-Erlebtein
duftet. — Aigner's Portraits sind stets sehr nobel in
der Haltung und wirkungsvoll durch das wohlberechnete Bei-
werk. — W. Schirmer's (Karlsruhe) „Cyklus von sechs
biblischen Gemälden" (Doppel-Darstellungen) ist schon in
Ihrem geschätzten Blatte ebenso trefflich wie erschöpfend
besprochen worden, daher wir uns jede weitere Bemer-
kung versagen zu dürfen glauben. — Ein treffliches Bild
ist Morteu-Müller's „Kiefernwald"; wir bewundern
daran, nebst der Wahrheit des Tons überhaupt, insbe-
sondere die fast stereoskopische Plastik und Perspektive
innerhalb des Waldgrundes, dessen lauschig geheimniß-
vollen Dunkel zum Entzücken getroffen ist. — Nicht min-
der stimmungsvoll, wenn auch nicht ganz so frisch, ist
Ed. Hildebrandt's „Winterabend." — Gute Land-
schaften lieferten außerdem noch Varönne, Fritsch und
S e e l 0 s.

ff Rom, im Februar 1863. (Römische Villen). Auf
den in Rom umherwanderndeu Kunstfreund macht es einen
traurigen Eindruck, wenn er Garten-Anlagen und Gebäude
von hohem künstlerischen Werth so ganz und gar vernach-
lässigt, verfallen und ihrem Untergänge sicher entgegen ge-
hen sieht. So ist die überaus herrlich am Abhang des
Monte Mario gelegenen Villa Madama, einst der Sitz
von Papst Clemens VII., der sie nach Zeichnung von Giu-
lio Romano erbauen ließ, jetzt eigentlich nur noch Ruine.
Das Gebäude selbst ist zwar äußerlick noch erhalten, aber
im Innern, da das Dach schadhaft, sckon ganz und gar
zerstört. Die Malereien von Giulio Romano, welche
die Villa einst schmückten, sind bis auf geringe Spuren er-
loschen, die Zimmer selbst leer, dienen dem Vieh zum Auf-
enthalt oder als Vorraths-Räume. Die in ihrer Art
einzig dastehende, mit den zierlichsten Ornamenten in Stuck

und Malerei geschmückte Zelle, ein Werk des Johann von
Udiue, ist zwar vor Jahren durch Glaswände dem un-
mittelbaren Einfluß der Witterung entzogen, geht aber
doch, durch die Feuchtigkeit der Wände, zu Grunde. Die
Nischen sind ihres Statuen-Schmuckes beraubt. Es ist
Alles öde und leer und ohne Aufsicht, und doch ist dem
Künstler das Zeichnen, ohne besondere „permesso“ nicht
erlaubt. Ein großes Verdienst haben sich daher die Ar-
chitekten Gutensohn und Thürmer erworben, indem
sie die ganze Billa mit ihren Ornamenten auf sieben Blät-
tern ihres leider unvollendeten Werkes „Denkmäler und
Verzierungen der Baukunst in Rom" im Jahre 1826 zu
Rom in würdiger Weise publicirten. Die Garten-Anlagen
mit ihren Terrassen und malerisch angcordneten Treppen,
mit den schönen Piecen und Cypressen und den malerischen
Fontaine», deren eine Johann v. Ubine, Vasari zufolge,
nach dem Muster einer antiken, auf dem Palatin ausge-
grabenen, gebildet hatte, sind natürlich bis auf geringe
Spuren zerstört. Besitzer der Villa ist jetzt Franz 11., Kö-
nig von Neapel, da dieselbe nach dem Aussterbeu der Fa-
milie Farnese im Jahre 1731 an Neapel kam. Von den
übrigen farnesischen Besitzungen sind die Orti Farne-
siani auf dem Palatin bekanntlich an den Kaiser der
Franzosen verkauft, der dort erfolgreiche Ausgrabungen
machen läßt; die Farnesina ist an einen spanischen Herzog
auf 99 Jahre verpachtet (derselbe läßt den schönen kleinen
Palast gründlich restauriren); den Palazzo Farnese,
einen der großartigsten Paläste Italiens, bewohnt jetzt,
nachdem er ebenfalls restaurirt worden, der König von
Neapel selbst.

Aehnlich der Villa Madama, ist es der Villa Ne-
groni, jetzt Massimo, ergangen. Papst Sixtus V., aus
dem Hause Peretti, kaufte, als er noch Kardinal von
Montalto war, verschiedene Grundstücke zusammen und
legte diese ausgedehnte Villa mit ihren herrlichen Cypressen-
und Orangen-Alleen, mit ihren vielen Fontainen (die durch
die von demselben Papste wiederhergestellte Aqua Felice
gespeijet werden) ihren Gartenhäusern u. s. w. auf und
neben dem alten Wall des Scrvius Tullius an, ließ auch
mitten im Garten durch den damals jungen Architekten
D0 inin i c0 Fontana den Palast erbauen, der noch heute
Palazzo Peretti genannt wird. Nachdem die Villa in
verschiedenen Händen gewesen, kaufte dieselbe im Jahre
1789 der Marchese D. Camillo Massimo, Vater des heu-
tigen Fürsten Vittorio Massimo, der sie noch besitzt. Letz-
terer hat auch ein interessantes, verdienstvolles Buch „No-
tizie istoriche della Villa Massimo (Koma 1836)“ drucken
lassen, das eine genaue, durch Dokumente belegte Geschichte
der ganzen Billa giebt. In neuester Zeit ist ein großer
Theil des Terrains für den Bau des Central-Bahnhofs
erworben worden, der übrige ist sehr vernachlässigt und
wird als Gemüsegarten benutzt. Der Palazzo Peretti selbst,
eins der letzten und interessantesten Werke Fontanes, dient
einer Ziegelfabrik, die der Marchese Ossoli darin angelegt
hat. Die Fenster sind meist vermauert, die Gemälde der
Wände und Decken verblichen; die Zimmer dienen theils
als Lagerplatz für gebrannte und ungebrannte Ziegel, theils
liegt nasser Thon und Kalk sehr hoch darin aufgcschichtet,
so daß dieses Gebäude, meist der Lieblings-Aufenthalt eines
der bedeutendsten Päpste, seinem Untergange in kurzer Zeit
entgegensieht. In der offenen Halle wächst üppiges Un-
kraut. Die Fontainen sind verstopft, Alles ist verwüstet.
Ein höchst trauriger Anblick! Beide Paläste, Madama
und Peretti, geben uns ein deutliches Bild, auf welche
Weise die großen berühmten Monnmente des Alterthums,
besonders die Kaiserpaläste, untergegangen sind. Daß sie
nicht von den Barbaren mit Absicht zerstört worden sind,
wie man früher glaubte, hat Gregorovius in seiner schö-
nen Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter bewiesen.

Die Villa di Papa Giulio vor der Porta del po-
 
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