Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0087

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
71

des Daseins liegt für die mittelalterliche Empfindung allein
die Möglichkeit einer Versöhnung des Geistes, aber nicht
mit der Natur, sondern mit sich selbst, durch Opferung
der Natur, durch Abtödtung des Fleisches. Diese Richtung
macht nun das eigentliche charakteristische Wesen der mittel-
alterlichen Schönheitsidee aus: es ist die innere Seelen-
fülle, die Innigkeit des Herzens, die Tiefe des Gemüths,
welche allein zum Ausdruck kommen, und denen die äußere
Gestalt nur altz Mittel und ohne weitere Berechtigung
sich dienstbar hingeben soll.

Wie sehr man daher heutigen Tages, da wir über die
tiefe Kluft, welche das Mittelalter in sich spaltete, zum
Theil hinaus und zu einer gewissen Beruhigung gelangt
sind, auch geneigt sein mag, an den mageren Armen mit-
telalterlichen Madonnen und den gräßlichen Märtyrerscenen
auf Bildern jener Zeit ästhetischen Anstoß nehmen: cs spricht
dock, selbst aus den rohesten Darstellungen eine Innigkeit
und Gemüthstiefe, eine Zartheit und naive Lieblichkeit der
Empsindung und geistigen Erhebung, welche auf jedes un-

befangene Gemüth einen — geistig genommen — tieferen
Eindruck hervorbringt, als das klassische Ideal. Die mit-
telalterliche Kunst spricht an unser Herz, die griechische
befriedigt unsere Anschauung. In der hellenischen Kunst
ist die Erscheinung des Göttlichen in der Menschenge-
stalt das Höchste was erreicht werden soll, in der christ-
lichen ist es die Erscheinung des Göttlichen, für welches
die äußere Gestaltung nur ein Moment und Mittel war.
Dieser Apollo, diese Venus u. s. w. sind als solche ideale
Gestalten, schlechthin ohne weitere Beziehung und Bewegung,
ohne Thal und innerliche Wesenheit; nicht so der gekreu-
zigte Christus, die göttliche Mutter mit dem
Kinde, in denen sich die reinsten Empfindungen, nämlich
das schuldlose Leiden und Selbstopfer und die reine, selbst-
lose, unsinnliche Liebe wiederspiegeln. Diese Ideale (und
daß es solche sind, wird wohl kaum bestritten werden können)
sind denn doch höherer Art als die klassischen Götter mit
ihrer Rachsucht und Sinnlichkeit, ihrem Zorn und allen
schlechten Leidenschaften. (Fortsetzung folgt.)

Kunst-Chronik.

Berlin. — Die Vossiscke Zeitung brachte kürzlich einen
Artikel über die projektirte Denkmalisirung des Lustgartens,
welcher in mancher Beziehung von Bedeutung ist, schon
sofern er ersichtlich von einer Seite herrührt, die ans die
Modalität der Ausführung des Projekts von Einfluß sein
dürfte. Er lautet:

Von mehreren Seiten her gelangte seit Kurzem die
Kunde an die Oeffentlichkeit von der Existenz und Be-
rathung eines Planes und von einer diesem Plane ent-
sprechenden plastischen Skizze, zufolge welcher die Aufstel-
lung des bereits im Werden begriffenen Denkmals Friedrich
Wilhelm's III. den Anlaß geben würde zu einer umfassenden
architektonisch-plastischen Ausschmückung des Lustgartens
und damit einer Versetzung schon vorhandener Standbilder
dorthin in die nächste Umgebung des erwähnten Denkmals.
Nachdem vor einigen Tagen eins der hiesigen großen Blät-
ter unter allgemein gehaltener Angabe des Plans eine
Besprechung desselben gab, bringt jetzt eine Berliner Kor-
respondenz in der „Beilage u. s. w." zu den Wiener „Re-
censionen" Näheres und dem Thatbestande nach allerdings
Richtiges über die Art der Ausführung.

Hiernach handelte es sich um das Schassen einer archi-
tektonisch-plastischen Umgebung des erwähnten Monumentes,
bestehend in einer Art Estrade aus Marmor oder Sand-
stein, aus welcher dasselbe zu stehen kommen wurde, wäh-
rend die Standbilder sämmtlicher großen Männer aus der
Epoche der Wiedergeburt und Erhebung Preußens, cin-
gefligt in die Umgrenzung der Estrade, einen weiten Kreis
um das Hauptdenkmal bilden würden. Diese Einzeldenk-
mäler würden hauptsächlich die schon jetzt vorhandenen
Standbilder vor der neuen Wache, am Opernhause, ferner
die schon bestellten von Stein und Hardenberg, sowie nock-
einige andre erst noch zu schassende hergeben. Selbst-
verständlich machte dann die Rücksicht ans architektonische
Gleichmäßigkeit die Umformung eines Theils der schon
vorhandenen Werke nach Maaß und Material hin, sowie
das Einhalten dieser Maaßc bei den noch zu schaffenden
zur Bedingung.

Dies die wesentlichen und für unfern Zweck ausreichen-
den Umrisie des, soviel verlautet, schon einer Schlußbe-
rathung unterworfenen, gleichwohl noch nicht endgültig
festgestellten Planes.

Unser Zweck — sagen wir es gleich im Voraus — ist,
die Bedenken geltend zu machen, welche unsrer Meinung

nach der Verwirklichung des Projektes cntgegcnzusctzen
sind. — Die Befürwortung der Ausführung geht dem
Vernehmen nach unter Andern! von einem in einflußreicher
Stellung stehenden Architekten aus; andrerseits sollen zwei
Mitglieder der betreffenden Kommission nicht günstig fär-
bte Ausführung gestimmt sein; unbekannt ist cs uns, ob
sie ihr Votum in diesem Sinne abgegeben haben, ebenso-
wenig wissen wir, ob der Künstler, dem der Entwurf nnd
die Ausführung des Hauptdenkmals übertragen ist, Prof.
Alb. Wolfs, überhaupt mit zur Berathung gezogen ist,
und welcher Art seine Meinung über den Gegenstand ist.

Wenn ein Architekt mit Eifer die Gelegenheit wahr-
nimmt zur Ausführung eines bedeutsamen Werkes, so be-
greift sich das. Es könnte auch wohl sein, daß das Ge-
sammtwerk, Denkmal und Umgebung, als architektonischer
Schmnck betrachtet, der Oertlichkeit zur Hebung nnd Zierde
gereichen würde. Indessen handelt es sich hier unseres
Wissens und auch Dünkens durchaus nicht um eine Deko-
ration des Lustgartens, sondern um die Errichtung eines
Monumentes, eines in diesem Falle durchaus selbstständig
gedachten, in den meisten Fällen durchaus auf die Wirkung
aus sich und durch sich selbst berechneten Werkes. In Be-
rechnung kommt dann noch, außer der Gestaltung des Wer-
kes, die Umgebung, aber diese eben nur betrachtet als deni
Werke fern und fremd, und dann hauptsächlich als Hinter-
grund. Unserer Meinung nach wäre es also hier ganz
besonders die Meinung des Bildhauers, welche in Betracht
zu ziehen wäre: wir meinen auch, daß sich schwerlich ein
denkender nnd erfahrener Bildhauer finden würde, welcher
in der beabsichtigten Umgebung des Denkmals nicht eine
Beeinträchtigung seiner Wirkung erblicken würde. Ein
Werk, wie das in Rede stehende, hat so viel Momente
der Wirkung in sich oder soll sie wenigstens haben —
diese Momente bilden, wie das Denkmal selbst, ein ge-
schlossenes Ganzes, daß die ganz nahe Unigebung — und
hier sogar Anhängung — von einem Dutzend andrer
Denkmäler die dem Hauptwerke zukommendc und noth-
wendige Aufmerksamkeit zerstreuen und ablenkcn muß.
Einen Hintergrund aber könnte diese Umgebung dem
Werke, namentlich dem Haupttheile desselben, der Rciter-
statue schon deshalb nicht geben, weil ihre — der Umge-
bung — körperliche Masse bei weitem nicht bis zur Höhe
des Augenpunktes hinanreicht.

Und dann jene Nebendenkmäler — zu solchen, fast zu
 
Annotationen