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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0108

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Kunst-Institute und Kunst-Vereine.

Die Schinkel-Ieier.

(Am I

Am Geburtstage des unvergeßlichen Meisters hatten sich nach
gewohnter Weise die Schüler und Verehrer desselben zu der jähr-
lichen Erinnerungsfeier vereinigt. Die Kolossal-Büste des Ver-
ewigten grüßte den in den Arnim'schen Saal Eintretenden aus
dunklem Grün von mächtigem Postamente herab, von den Wän-
den zu beiden Seiten grüßten die Zeugnisse seines genialen
Wirkens, hier die bekannten gewaltigen Dombauentwürfe dort
die Photographien der Mnseumsfresken, und aus der Nische in
wirksamer Bcleuchkung das Ghpsmodcll des Borussiabrnnnens,
das als letztes Werk die Freundeshand Rauch's nach den Zeich-
nungen Schinkel s geschaffen. Mit dem Feste ist bekanntlich die
Prämiirnng verbunden, zu ivclcher der Architektenverein alljähr-
lich seine Konkurrenz ausschreibt und so waren die andern Wände
bedeckt mit den Arbeiten, welche der grüne Kranz gelockt hatte.
Die Versammelten, unter ihnen die früheren Minister v. Bcth-
mann und v. d. Heidt, zu welcher sich später auch Herr Graf
v. Itzenplitz gesellte, begrüßte Namens des Vereins der Geh.
Oberbaurath Stiller, der den Jahresbericht des Vereins vor-
trug. Wir erwähnen ans demselben der herzlich theilnehmenden
Worte, welche dem trüben Geschick Knoblauches, eines der ver-
dientesten Mitglieder des Vereines, gewidmet waren, eines ehren-
den Nachrufes an einen andren geschiedenen Genossen, den Bau-
meister Holbein, endlich einer ausführlichen Würdigung, ivelche
der dritte Baud des nun vollendeten Wolzogen'schcn Werkes über
Schinkel erfuhr. Die Resultate der Prelsbewerbung wurden
dann verkündigt. Der konknrrirendcn Arbeiten sind nicht so viele
eingegangen, als in früheren Jahren, da gleichzeitig der große
Preis der Akademie in den Schranken stand; als Preisträger
wurden für die eine Aufgabe, ein „Kurhaus mit Trinkhalle"
u. s. w., in erster Reihe der Architekt Heyden ans Cresetd, in
zweiter der Architekt Rob. Becker ans Berlin proklamirt, wäh-
rend für die andere Ausgabe, ein „Eisenhüttenwerk" n. s. w.,
Alfred Lent ans Hamm den ersten, Hermann Balte aus
Bückeburg den zweiten Preis erhielten. Drei der jungen Künst-
ler waren gegenwärtig und erhielten die Preise, die Schinkel-
medaille, resp. init 100 Frd'or., ans der Hand des Vorsitzenden,
der vierte war im Interesse des Dienstes abivescnd zum Militair
eingezogen. — Hieraus folgte die Festrede, gehalten von dem
Konservator der Kunstdenkmäler im preußischen Staate, Geh.
Reg.-Rath v. Quast. Er leitete mit einer Beziehung auf den
bevorstehenden Doppelfesttag ein, indem er neben Schinkel, dessen
Wirken aus den Befreiungskriegen hcrvorblühte, Winkelmann
nannte, der nach dem siebenjährigen Kriege in die Kunstgeschichte
tritt. Beide Geborne der Mark, beide vom Redner aus ein be-
sonderes Verhältniß zu Preußen und einen dadurch möglicher-
weise bedingten Uebergangspunkt ihrer Entwicklung verwiesen;
der Letztere, wenn er, >vas Ärcangeli's That unmöglich machte,
feste Ansiedelung in der Heimath gewonnen Hütte, der Erste, kvenn
ihm vergönnt gewesen wäre, die Regiernngszeit Friedrich Wil-
helm des Vierten zu erleben. Hierauf ging der Redner zu dem
über, was die wahre künstlerische Verbindung Schinkel's mit
Preußens Heldengeschichte darstellt, zu seinen Werken und Ent-
würfen für die Feier der großen Siege von 1813—1815. Er
erwähnte die Schloßbrücke mit ihren Kriegergestalten, das Sieges-
denkmal ans dem Kreuzberge, welches dem Künstler Ersatz sein
mußte für den prachtvollen Plan eines Siegesbrunnens, den
Bau der neuen-Königsmache, vor Allem aber jenes erhabene
Bauwerk, das die „Siegcsstraße" würdig abschließen sollte: den
„Siegesdom". Die Erwähnung des letzteren gab dem Redner
Gelegenheit, sich über die Ausgabe der Kirchenbaukunst innerhalb
des evangelisch-lutherischen Kultus zu äußern. Wie stand Schinkel
zur Kirchenbaukunst seiner Zeit, wie hätte sich diese durch ihn,
wie sollte sie fortan sich entwickeln? Mit dem Kirchenbau, sagte
der Vortragende, war es im vorigen Jahrhundert fast ans, die Geor-
gen-, die Sophicnkirche stehen als Beispiele vor unseren Augen, wie
man fast nur das nackteste Bedürfnis; dabei zu befriedigen suchte;
ja man ging soweit, amtlich den Rath zu ertheilen, cs möchten
lieber von den alten Kirchen noch etliche abgerissen werden, da-
mit die andern um so voller würden. Diese Kirchen waren
eher Scheuern als Gotteshäuser zu nennen. Das Ideal der
Häßlichkeit war die in jener Zeit in Schinkel's Vaterstadt selbst,

;. März.)

in Nen-Ruppin, erbaute. — Mit und nach den Freiheitskriegen
machte sich ein neues Element, ein neues künstlerisches Streben
zugleich mit dem Erwachen des kirchlichen Lebens geltend. In
Schinkel trat dies zunächst in einer Gestaltung auf, ivelche stiach-
ivirkung und Verarbeitung seines italienischen Aufenthalts ivar.
Seine Koneeplioncn waren weniger architektonisch als malerisch.
Bon Plänen, die dies Entivicklnngsstadinm ausgeprägt darstellen,
nannte der Vortrag den der Normalkirche, „überhaupt ivohl der
unglücklichsten von allen", den ursprünglichen der Potsdamer Ni-
colaikirchc. Allmälig schreitet der Meister ans der reinen Klafft -
eität zum Kuppelbau vor, wovon die ausgeführte Kirche zu Pots
dam Beispiel ist und dringt ans diesem Wege zu immer freierer
Bcivältigung des Materials und der dadurch bedingten Herrschaft
über die Form vor, znin Ziegelbau, wie ihn die Pläne der Oranien-
burger Vorstadtkirchen zeigen, wie er ans anderm Gebiete sich
darstellt in dem Gebäude der Bauakademie. Aber — lenkte der
Vortrag ein — j die letzte Vollendung habe Schinkel im Kirchen-
bau nicht erreicht. Zwar sei dieser durch ihn wieder zu kirch-
lichen Formen znrückgcsührt ivorden, zivar sei etwas Religiöses
wieder hineingekonlinen, das Langhaus, die Altarnische ivicder
zu Ehren gebracht worden, aber —• „der wesentliche Grund der
Nichtvollendung war, daß er selbst nicht in der Kirche stand.
Wer eine Kirche bauen will, muß selbst in ihr stehn, eine bestiiiiinte
Stellung in ihr haben." Nach diesen sonderbaren Worten, ivelche
in einer Erinnerungsfestrede aus den Meister gelinde gesagt un-
passend ivaren und denen eine verlegene Pause folgte, ließ sich
der Vortragende in eine ziemlich unklare Erörterung über die
eigentliche Aufgabe der evangelischen Kirchenbaukunst ein. Zu-
nächst ward der Gegensatz des reformirten zum lutherischen Be-
kenntnisse herangezogen. Während der letztere die Formen des
alten, Vorgefundenen, katholischen Kultus im Wesentlichen adoptirt
und nur irn Beiiverk gereinigt habe, sei der Calvinismuö zer-
störend gegen Alles ausgetreten, das nicht in der Bibel selbst sich
rechtfertige. Er habe die Bilder aus der Kirche verwiesen, die
Predigt sei, anstatt des Abendmahls, ihm zum Kern des Gottes-
dienstes geworden. Eine äußerst ausführliche Beschreibung des
Gottesdienstes nach allen seinen Gebräuchen, wie er in der das
gereinigte Alte respektirendeu lutherischen Kirche sich gestalten müsse,
schloß sich daran: die exoterischc und esoterische Feier, von der
Missa catecliumenonun bis zur cucharistia selbst, sic breitete
der Redner gehobenen Ton vor den Hörern ans, um schließlich
leider ohne deutliche Motivirung die mit unserer Uebcrzeugnng
übereinstimmende*) Folgerung durchleuchten zu lassen, daß der
architektonische Ausdruck eines solchen Kultus nur in der Basi-
lika zu finden sei, in der Rückkehr zu dieser und deren Weiter-
entwicklung. Die Gothik sei ein in sich abgeschlossener Kreis,
deren Wesen nur in der Struktur zur Schönheit ausgebildet.
Wolle man sie, auch in der vollendetsten Form, zum Muster des
Kirchenbaues der Zukunft nehmen, so bleibe nur die Nachahmung,
jede fernere Entwicklung aber sei ausgeschlossen. Und wolle man
gothische Kirchen, dann müsse auch Alles gothisch sein, „bis auf's
Taschenmesser herab", die Kirche dürfe nicht außerhalb des Lebens
stehen, stieue Formen also, aber mit kirchlichem Geiste erfüllte,
aus ihm hervorgehende. Einen „neuen Stil" zu erfinden, das
fei freilich Phrase und gedeihe nur zur Karikatur, aber er bereite
sich vor und werde naturgemäß herauswachsen ans des ganzen
Geschlechtes geistiger Erscheinung, wenn es sich treu sei und in
der Kirche stehe.

Und hieran eben knüpfte sich endlich bedeutsam die Frage:
Was wäre Schinkel geworden, hätte er unter und mit König
Friedrich Wilhelm dem Vierten wirken können? Mit dieser Frage
und ohne Antwort schloß die Rede zu Ehren Schinkel's. — Wie
üblich, schloß sich diesem ernsteren Begehen ein Festmahl an, das
in künstlerischer Gabe — eine Photographie des Borussiabrnnnens
ward zur Erinnerung vertheilt — und tu dichterischem Gruß —
den Prof. Adler schwungvoll den Manen des Meisters darbrachte
— den Charakter der Feier festhielt.

*) Siehe unsere Kritik über die Konknrrenzplänc zum Bau
der Mariannenkirche.

Kommissions-Verlag der Nicolai'schen Verlags-Buchhandlung (G. Parthey) in Berlin. — Druck von G. Bernstein in Berlin.
 
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