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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0111

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95

Korrespondenzen.

A Wien, Ende März. (Die Ausstellung der
architektonischen Konkurrenzpläne.) Erst nachdem
die Beürtheilnngs-Kommission nach Beendigung ihrer Bc-
rathungen über die Konkurrenzpläne der neuen
Schicßstättc und des im neuen Stadtpark zu erbauenden
Kurhauses die Preisvotirungen bestimmt hatte, wurde
die bis dahin geheim gehaltene Ausstellung dieser Pläne
auf 8 Tage dem Publikum geöffnet. Man verzichtete also
von vorn herein darauf, irgend eine öffentliche Meinung
zu hören, indem man eine öffentliche kritische Besprechung
verhinderte, bevor die Angelegenheit durch Abgabe der
Vota bereits ihren definitiven Abschluß erreicht hatte. Was
auch der Grund zu diesem Verfahren gewesen sein mag:
daß daraus eine Gleichgültigkeit gegen die öffentliche Mei-
nung gefolgert werden dars, scheint durch einen Artikel
der „Presse" vom 28. v. M. widerlegt zu werden, welcher
die Konkurrenzpläne mit Rücksicht ans die Preiserkennt-
nisse einer kurzen Besprechung unterzogen hat. Ohne die
Richtigkeit der darin enthaltenen Ansichten anzweifeln zu
wollen, dürfte doch ein näheres Eingehen in die Disposition
der Pläne, namentlich des Kurhauses, zur Orientirung
des Publikums wesentlich beitragen.

Unter diesen muß ick zunächst dem ersten Preisplan
von Weber (Nrv. IV.) einige Worte widmen. Dieser
nämlich ist unter sämmtlichen ausgestellten Projekten die
allerskizzenhafteste, flüchtigste Arbeit, gewissermaaßen eine
mehr dekorative Farbenskizze als ein konstruktiver Bau-
plan. Der Bankettsaal, als der Hauptranm des Gebäudes,
hat eine sehr ungünstige und unzweckmäßige Form; er ist
zu lang für die Breite oder zu schmal für die Länge; und
bietet auch keinen passenden Platz für das Orchester dar.
— Ueberdies erscheinen die anstoßenden Nebenräume, Büf-
fets, Loggien, Nebensäle im Verbältniß zum Saal bedeu-
tend zu klein. Endlich sind die im Konkursprogramm be-
stimmten Wandelbahnen ganz unberücksichtigt geblieben,
auch zur Anlegung derselben in dem Plane durchaus keine
genügende Gelegenheit gewährt. — Dagegen verdienen
der dem Bankettsaal anliegende Wintergarten und die
Flurhäuser der beiden Nebensäle vortheilhaft erwähnt
zu werden. — Was die innere und äußere Ausstattung
dieses Projekts betrifft, so ist zwar die Architektur des
Ganzen mit allem erdenklichen Luxus bedacht, doch an sich
kleinlich und ohne eigentlichen Stil; ein Phantasmorama,
worin italienische und modern französische mit chinesischen
Motiven zu einem bunten unorganischen Durcheinander
zusammengeworfen sind.

Nach diesen Andeutungen scheint es mir wohl begreif-
lich, daß sich ein Laien-Ange durch den bestechlichen Farben-
prnnk, womit der genannte Plan flitterhast ausgestattet
ist, über die innere organische Fehlerhaftigkeit und dilet-
tantische Hohlheit desselben zu täuschen vermag; unerklärlich
aber, wie eine Sachverständigen-Kommission in eine solche
Täuschung verfallen kann. Denn man fragt sich vergeb-
lich, worin die Vorzüge des Plans bestehen, die ihm einen
Anspruch ans einen Preis, geschweige auf einen ersten Preis,
gewähren. Für die Lösung des Räthsels, daß eine solche
Preisznerkennnng überhaupt möglich war, dürfte die Kon-
kurrenz-Nemesis des Wiener Künstlcrhauses einige Anhalts-
punkte bieten; denn auch in dieser Konkurrenz hat Herrn
Webers Plan durch eine offenbare Beeinflussung den ersten
Preis erlangt. Die Folge davon war, daß dieser Plan,
selbst nach wesentlicher Umarbeitung, dennoch, wie sich
schließlich hcrausgestcllt hat, nichts weniger als den An-
forderungen der Künstler und der Ertragsfähigkeit des
Gebäudes entspricht, und daher auch in seiner zweiten Ge-
stalt schwerlich jemals ausgcführt werden kann.

Das zweite PreisprojektvonLingbauer (Nr. VIII.)
welches vorzugsweise den Wandelbahnfreundcn, desto we-
niger aber dem Saal-Publikum entsprechen dürfte, ist nach
Außen und Innen von einem ganzen System von Gängen

durchzogen, welche rings um den Bankettsaal und dessen
Nebensäle liegen, und nach rückwärts das Kassenlokal
mit der Trinkhalle verbinden. Die Form des Bankett-
saales ist insofern günstig, als er vollkommen quadratisch
und mit einem Säulcnkreis versehen ist, welcher die ge-
drückte Kuppelwölbnng trägt, woraus sich eine architekto-
nisch sehr schöne Konstruction entwickeln läßt. In aku-
stischer Beziehung jedoch möchte diese Form manche Nach-
theile nach sich ziehen/ da ein quadratischer hoher Raum
die Musik durch die vielfache Brechung der Töne verwischt
auch läßt er nur eine einzige Centralbewcgung des Saal-
publikums zu, was bei größerem Andrange desto unan-
genehmer fühlbar wird, wenn wie hier keine Galerie vor-
handen ist. — Somit entbehrt dieser Saal Alles, was
ibn dem Publikum angenehm und vortheilhaft machen
könnte. Uebrigenö ist auch hier kein entsprechender Platz
für das Orchester vorhanden, wenn es nicht in einer Ecke
oder inmitten des Saales sungiren soll, sowie auch keine
Stiege, welche die Musiker ans dem Bereiche des Saal-
publiknms bringt. Da das Gebäude ebenerdig ist,
so befinden sich hier überhaupt keine aufwärtsführende
Stiegen: auch fehlen in diesem Geschosse noch mehrere
andere Bedürfnis;- und Kommnuikations-Räume, woraus
z. B. der nicht unerhebliche Uebelstand entsteht, daß trotz
der viele» Gänge die Marqneurs und Answärter nur
über die Wandclbahnen von dem Kassen- und Restanrations-
lokalc in die Saalräume gelangen können. — Was. das
Aeußere betrifft, so erscheinen die Fayaden unverhältniß-
mäßig niedrig und lang, sowie ihre architektonische Aus-
stattung stil- und geschmacklos.

Der dritte Preisplan von Nowak (Nr. IX) hat durch
die dem Gebäude hinten angelegten Wandelbahn-Arkaden
den Uebelstand mit mehreren anderen Plänen gemein, daß
die daranstoßendcn Lokalitäten, wie hier die Trinkhalle,
das Kaffeehaus, die Vorsaal-Gänge und Haupttreppe,
dunkel liegen, und zum Thcil ganz finster wären, wenn
nicht zwei spärliche Lichthöfe einiges Licht zuließen. — Der
Bankettsaal ist zwar nickt besonders groß, aber günstig
in der Form und Anlage. — Der Stil der Architektur
ist einfach und kräftig.

Außer diesen prämiirten Plänen befinden sich unter
den Entwürfen jedoch noch andere, welche bemerkt zu wer-
den verdienen. So ist daS Projekt Nr. I. (Motto „Hoch
Wien") durch seine innere Eintheilnng wie äußere Architek-
tur als ein sehr schätzenswerthes zu nennen, obschvn es mit
dem dritten Preisplan den Fehler gemein hat, daß die
Vorlegung von Wandclbahn-Arkadcn das Kassenhaus und
die Nebensäle zum Theil verdunkeln, während die vom
Gebäude abgehenden Wandclbahnen die freie freundliche
Umgebung desselben beeinträchtigen dürften. — Viele der
in diesen vier Projekten bemerkten Uebelstände erscheinen
in dem Plane dir. II. (Motto: Vindobona) glücklich ver-
mieden, ohne die wesentlichsten Vorzüge derselben zu ent-
behren. Der Bankeltsaal dieses Projektes ist sehr geräu-
mig und zweckmäßig angelegt, und bietet durch seine wohl-
proportionirte» Raumverhältnisse mit der Glaskuppel, den
beiden halbkreisförmigen Zuschauer- und Orchesterräumen,
der zierlichen Galcrietrcppe und der Saalperspektive nach
dem anliegenden Wintergarten einen ebenso reizenden wie
großartigen Festraum. — Die Galerieräume sind durch
die Anlage von zwei Stiegen im Entree von den untern
Saallokalitäten getrennt. Dies ist von nicht zu unter-
schätzendem Vortheil, indem bei größerem Zudrange daö
Publikum gleich von da ans sich vertheilen kann. Auch
ist dadurch die Möglichkeit gegeben, daß bei besonderen
Fällen die Galerieräume auch zu andern als gerade Saal-
zwecken benutzt werden können; was bei dem gänzlichen
Mangel an größeren lichten Lokalitäten nicht wichtig genug
anzuschlagen ist. Dieandern Lokalitäten, wie Kasichaus,
Restauration, Nebcnsäle stehen mit dem Bankettsaale in
 
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