Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0119

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
103

je früher slattgehabt, für sich in Anspruch nehmen könnte.
Das Verhältnis Winckelmann's im Gegensatz zu Car-
stens und besonders zu David ist in dieser Beziehung
etwa zu vergleichen mit einem Historiker, welcher die Ge-
schichte Casars schreibt, im Gegensätze zu einem modernen
Feldherr» oder Staatsmann, welcher die Kriegführung und
die Politik Casars heutzutage zum Muster seiner feld-
herrlichen und diplomatischen Praxis machen wollte.

Jener antikisirende Versuch einer Versöhnung des
Realismus mit dem Idealismus — ein Versuch, welcher
zunächst in der gerechtfertigten Opposition gegen die Jäm-
merlichkeit und Trivialität der realistischen Kunstweisen
des 17. und 18- Jahrhunderts seine Begründung findet,
— war demnach ein Mißverständnis über den einzuscksia-
genden Weg. Aber er war nicht vergeblich, denn er hatte
den Bode» von manchem Unrath reingefegt und vor Allem
die Kunst selbst wieder zu einer Würde der Anschauung
erhoben, welche sie lange verloren. Wenn also dieser Ver-
such im Uebrigen als fruchtlos in Bezug für die prakti-
sch e W e i t e r e n t w i ck l u n g der Kunst gefühlt und der ein-
geschlagenc Weg verlassen wurde, so sind die Resultate des-
selben doch nicht hoch genug anzuschlagen. — In der Rück-
kehr zuni antiken Ideal — das fühlte man gleichwohl — war
also die Lösung der Differenz nicht zu finden. In der
Thal liegt auch die hellenische Anschauungsweise, da sie
in religiöser Beziehung für uns nie eine Wahrheit sein
konnte und andererseits das religiöse Element mit dem künst-
lerischen darin so unauflöslich verknüpft ist, daß an eine
Ausscheidung des erstcren gar nicht zu denken war, zu fern,
um jemals zu einem organischen Leben wicdererwcckt zu
werden. Wir sind eben keine Hellenen mehr, wie sollte
denn die hellenische Kunstanschannng bei uns zu Fleisch

und Blut werden? Sie wird immer außerhalb der natio-
nalen Kunst-Bewegung bleiben, weil alle Vorbedingungen
für eine organische Wiederbelebung fehlen. Eine organische
Kunstentwicklnng aber ist nur auf dem Boden des natio-
nalen Lebens, des volksthümlichen Gefühls möglich; alle
andern Bestrebungen werden es höchstens zu einer mehr
oder minder reichen Treibhausexistenz bringen.

In der That konnte man sich dieser Ueberzeugung nicht
erwähren. Unser großer Meister Cornelius, welcher —
wie seine großartigen Kompositionen zum trojanischen Kriege
beweisen — ebenfalls jener Richtung sich angeschlossen hatte,
verband sich bald mit Männern wie Veit, den Riepen-
Hausen, Overbeck, Schnorr, S ch a d o w u. a. m., um
einen zweiten großen Schritt zur Eroberung des abhanden
gekommenen Idealismus zu thun. Gleichsam als ob der in
diesen Männern lebende Geist erkannt, daß in jener Rück-
kehr zum antiken Ideal kein principieller Fortschritt
enthalten sei, wandte er sich von dem bereits zum antiken
Zopf verhärteten Pedantismns der David'schen Antikomanie
ab und dem christlich-germanischen Ideal zu, indem er jenem
Versuch einer Rückkehr zur Antike den neuen Versuck einer
Rückkehr zu m mittelalterlichen Rom an ticismus
entgegengestellte. Gegen jene antikisirende Richtung kann
man diesen Schritt als einen ebenso großen Fortschritt
bezeichnen, wie wir einen solchen in der Weiterentwicklung
von der antiken Welt zur christlich-germanischen überhaupt
erkannt und nachgewiesen haben.

Ob aber damit die Lösung jener Differenz, welche wir
als die Versöhnung des entwürdigten Realismus mit dem
Idealismus bezeichnet, gefunden war, ist eine andere Frage.

(Fortsetzung folgt.)

Studien zur Lharnl:teriltik bedeutender Künstler der Gegenwart.
XXIX. Karl Rahl. *)

Bon Fr. Hottner.

Karl Rahl wurde am 13. August 1812 in Wien
(Alserstadt, Wickcnburggasse) geboren. Sein Vater war
der aus Heilbronn gebürtige berühmte Kupferstecher Karl
Heinrich Rahl, von dem eine bedeutende Zahl vor-
trefflicher Stiche nach älteren und neueren Mustern vor-
liegen und besonders im Auslande gesucht sind. Seine
Mutter war ein Wiener Kind, eine arme Bürgertochter,
Maria Theresia Lorenz.

In der Kindheit schon lebte Rahl in einer Atmosphäre,
welche einem glücklichen Talente günstig sein mußte. Die
Kunstthätigkcit im Vaterhause, die Abbildungen nach Mei-
sterwerken, die ihn bei seinen Kinderspielen umgaben, die Hel-
dengefänge Homers, die ihm der Vater schon in früher
Kindheit vortrug und durch Vorzeigung von Köpfen der ho-
merischen Helden und von bildlichen Scenen großer Begeben-
heit versinnlichte, die Erzählungen Plutarchs, welche er
selbst schon im achten Jahre zu lesen begann, weckten
frühe seinen Geist und füllten ihn mit Bildern voll von
Kraft, Größe und Erhabenheit. An den göttergleichcn
Gestalte» eines Hektar und Achill, eines Agamemnon und
Odysseus rankte sich die junge Seele empor und gewann

*) Aus den „Recensionen für bildende Kunst."

an Schwungkraft und Festigkeit. Kanin 14 Jahre zählte
der Knabe, als ein Ereigniß in weiter Ferne für die Wahl
seines Berufes entschied. Der griechische Freihcitskampf
war ausgebrvchen. Das ganze Abendland kam in Be-
wegung, alle Welt nahm Partei, auch Rahl. In seiner
Begeisterung für das Griechenthum entwarf er mehrere
Kampfesscenen, in der der Muselmann keine glänzende Rolle
spielte. So unbeholfen und ungeschickt diese Zeichnungen
der Form nach waren, so vcrriethcn sic doch ein erwachen-
des Talent, welches indessen dem vorsichtigen Vater noch
kein Vertrauen einflößtc. Den stürmischen Bitten des
Sohnes, ihn Maler werden zu lassen, setzte derselbe lange
Widerstand entgegen, und als er endlich dem beharrlichen
Andringen uachgab, mußte sich der Jüngling einer harten
Probe unterwerfen.

Ein strenger Zeichnenunterricht unter des Vaters Lei-
tung begann. Michel Ang clv'S Anatomie war die erste
Vorlage. Dann kamen Zeichnungen nach Antike» und
endlich Studien nach der Natur. Seufzend ertrug das
junge Blut die absichtliche Pedanterie und Tyrannei des
väterlichen Lehrers, der dem Sohne die Lust zur Malerei
verleiden wollte, so lange er i» ihm nicht mit voller Sicher-
heit einen Berufenen erkannte. Rahl mußte alle Natur-
sludicn auswendig wiederholen, und nicht eher fanden diese
Zeichnungen Gnade vor den Augen des Vaters, als bis
 
Annotationen