Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0127

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
111

für das Staatslebe», weder für die Wissenschaft »och für
die Kunst eine Möglichkeit der Weiterentwicklung möglich
als auf Grund dieser Idee, daß der Mensch in seiner Ge-
sammtentwicklung die Offenbarung der göttlichen Vernunft ist.

Was nun die Kunst und deren Zukunftsaufgabe betrifft,
so ist diese Grundidee dahin zu fassen: höchster und letzter
Zweck der Kunst ist Veranschaulichung des allge-
meinen Menschenthums, aber nicht in einer besonde-
ren, und deshalb unadäquaten Form (sei diese nun religiös
oder philosophisch) sondern in der der Kunstanschauung allein
adäquaten — künstlerischen. Die französische Revolu-
tion hatte im Grunde kein anderes Princip als die Re-

alisation des allgemeinen Menschenthums; und wenn sie
sofort zu einem Mißverständniß des Princips führte, so
ist ist dies einfach daraus zu erklären, daß dergleichen große
Gedanken, wenn der Blitz des neuen Princips einschlägt,
sich zuerst in der Vernichtung des bisherigen Zustandes,
also zerstörend, offenbaren müssen, ehe der Geist aus
den, Rausche zu sich selbst kommen kann, um in ruhiger
Entwickelung auf dem vom Gewittersturm reingefegten und
mit dem verdorbenen Blut der zerstörten Vergangenheit
gedüngten Boden den jungfräulichen Samen des neuen
Princips ausstreuen, geschweige zur Frucht zeitigen zu
können. — (Schluß folgt.)

Studien zur Charakteristik bedeutender Künstter der Gegenwart.

XXIX. Karl Naht. (Forts.)

Von Fr. Hottner. «■.

In Wien wurde die gewohnte Thätigkeit wieder aus-
genommen. Rahl malte jetzt das „Gottesgericht" aus dem
„Nibelungenliede:" Kriemhild, an der Bahre Siegfrieds von
ihren Sippen umgeben, ruft die Rache des Himmels herab
auf den Mörder, bei dessen Nahen die Wunde des Todten
sich öffnet. Das Bild wurde für das Belvedere angekauft
und ist noch heute in der „neuen Schule" zu sehen. Nach
Vollendung dieses Bildes ließ sich die Sehnsucht Rahl'S,
Italien und seine Kunstschätze zu schauen, nicht mehr be-
schwichtigen. Da noch immer seine Jugend der Verleihung
eines Reisestipendiunis hindernd im Wege stand, so mußte
wohl der eigene Säckel und der des Vaters dran. Im
Jahre 1836 kam er zuerst nach Venedig. Dort wurde
ihm Tizian das höchste Vorbild; er kopirte dessen „Him-
melfahrt" und suchte seiner Technik und seinem Kolorit in
mehreren Farbenskizzen, Kompositionen aus Homer und
dem Nibelungenliede nahe zu kommen. Im November
1836 verließ er Venedig und ging über Bologna und Flo-
renz nach Rom, wo er am 6. Deccmber cintraf. Als er
dort kurz nach seiner Ankunft dem alten Koch vorgcstcllt
wurde und diesem bemerkte, daß er ein Wiener sei, ent-
gegncte Ko ch in seiner derben Weise: „Das ist ein schlech-
ter Taufschein für einen Künstler; in diesem verfluchten
Neste ist von jeher ein schändlicher Geschmack gewesen," —
und fragte dann den Künstler, „ob man denn an der Wiener
Akademie noch das Schweinfurter Grün gebrauche?" —
Trotz seines Taufscheins wurde strahl jedoch von der deut-
schen Kllnstlerkolonie mit aller Herzlichkeit ausgenommen.
Die Kunstwerke der goldenen Zeit Italiens, die vatikani-
schen Schätze, die Stanzen und Tapeten Raphaels, die
Decke in der Sixtina erfüllten die Seele des jungen Künst-
lers mit einer Fluth neuer Anschauungen und Ideen, die
sich allgemach zu Regeln abklärten, und als solche noch
heute die Regulatoren seiner Kunstschöpfungen bilden. Wie
er sich das Kolorit Tizian's zum Muster nahm, so dien-
ten ihm wieder Raphael und insbesondere Michelan-
gelo in der Komposition als Vorbilder.

Danials bereitete sich auch in der malerischen Technik
Rahl's eine Wandlung vor. Der Künstler ging nach
und nach von der Behandlung mit bloßer Deckfarbe zur
Untermalung mit sogenanntem grau in Grau und zum

Fertigmachen mittelst der Lasuren über. Ich erinnere mich
noch einer Aeußerung Rahl's aus späterer Zeit über die
Studien, die ihn auf diese Bahn geführt; dieselbe dürfte
hier von Interesse sein.

„Ich habe gefunden," sagte Rahl, „daß die Anwen-
dung der Lasuren so alt ist wie die Oelmalerei selbst.
Ursprünglich wurde blos a tempera gemalt. Um sie zu
erhalten, hat man die Gemälde sodann mit einem Oel-
sirniß überzogen. Um sie auszubessern und zu vervoll-
kommnen, hat man später Lasuren mittelst Oelfarben an-
gewendct (Giovanni Bell in i'S Methode), und so hat sich
die Tempera-Malerei allmählig in eine Untermalung mit
Deckfarben umgewandelt und das Fertigmachen mittelst
Lasuren ist vorherrschend geworden. Später, beinahe in
gleichem Verhältniß mit dem Verfalle der Kunst, wurde
diese Richtung wieder verlassen. Der Gebrauch der La-
suren verminderte sich, und endlich wurden diese von der
Deckfarbe ganz verdrängt. Dadurch hat die akademische
Malerei das Stuinpfc und Schwerfällige bekommen, in
welchem der Zauber und die Durchsichtigkeit der Oelfarbe
nach und nach gänzlich erloschen ist. Daher rührt der
erdige und kalte Ton und der vorherrschende Lichtmangel
in den Gemälden aus jener Zeit. Ich suchte die Technik
der Vcnetianer zuerst in einer Kopie nach Bonifacio's
„Verlornen, Sohn" aus der Galerie Borghese in An-
wendung zu bringen. — Uebrigens haben auch die Vene-
tianer verschiedene Berfahrungsarten beobachtet. Boni-
facto und Tizian haben mehr lasirt, Paul Veronese
und Paris Bordone mehr mit Deckfarbe gemalt. Die
Art der Untermalung mit Grau in Grau läßt sich an
mehreren, nicht ganz fertig gewordenen Bildern der großen
Venetianerzeit erkennen. Ich selbst habe früher mit dunklem
Gran untermalt, dann das Bild mit Deckfarbe, aber so
leicht übergangen, daß das Grau durch die Deckfarbe durch-
schimmerte, und ich die Modellirung der Untermalung be-
nutzen konnte; erst zuletzt beim Fertigmachen habe ich blos
Lasuren gebraucht. Das eigene Portrait Tizians im
Museum zu Berlin schien mir auf diese Art gemalt. Spä-
ter habe ich es vorgezogcn, die Untermalung 'beinahe weiß
zu machen, und die Kraft und Rundung besonders in den
Fleischtvnen nur durch Lasuren zu erzeugen."

(Fortsetzung folgt.)

*
 
Annotationen