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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0131

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Kunst-Industrie und Technik.

Ueber Ghps und GHPsgießerei.

Unter dem Titel „Die Tecknik der plastischen
Kunst, oder die Arbeiten des Bildhauers, Formers, Erz-
gießcrS u. s. f." hat Herr Bildhauer Uhlenhuth, bekannt
durch sein schönes Werk „Statue Friedrich des Großen"
für Bromberg, eine populäre Darstellung der plastischen
Kunsttcchnik veröffentlicht, aus welcher wir — statt dar-
über nur literarisch-kritisch zu berichte» — einzelne Ab-
schnitte, die für den Künstler wie für den Laien von be-
sonderem Interesse sein dürsten, auszugsweise mittheilen
wollen. Zuvor bemerken wir jedoch zur Orientirung, daß
das Schriftchen in 6 Abschnitte zerfällt; von diesen handelt
der erste „über Gyps und Gypsgießerei", der zweite von
dem „Bildhauer und seinen Arbeiten", der dritte „lieber
Marmor und Marmorskulptur", der vierte von dem „Erz-
aießer und dem Bronce- und Zinkguß," der fünfte „Ueber
Cilisircn und Treiben in Metall" und der sechste von der
„Galvanoplastik".

Der erste Abschnitt enthält vielerlei Interessantes, na-
mentlich für den Laien, der sich meistens ganz unrichtige
Vorstellungen von der Behandlung des Kunstmaterials
zu machen pflegte. Ein, wie uns scheint, bemerkenöwer-
thes Moment, nämlich die große Wichtigkeit, welche der
Gyps und weiterhin der Stuck für die architektonische
Ornamentik in der modernen Baukunst erhalten hat, ist
leider von dem Verfasser unberührt geblieben; ebenso der seit
einigen Jahren zur Ausführung plastischer Arbeiten ver-
wandte gebrannte Thon, besonders aber der St eingu ß.
Institute von der Großartigkeit wie die von March
in Charlottenburg, Feil »er, Dankberg und Cz arni-
kau in Berlin hätten hierbei nicht unerwähnt bleiben sol-
len. Doch hierüber später vielleicht ein Mehreres. Las-
sen wir jetzt den Verfasser selbst reden:

Ohne allen Zweifel ist der Gyps von allen Materia-
lien, die zur Formerei dienen, das vorzüglichste; ohne den-
selben wäre die Herstellung plastischer Kunstwerke fast eine
Unmöglichkeit, mit demselben aber lassen sich Modelle aller
Art, mögen sie aus weichem Thon oder Wachs, aus Stein,
Erz oder Holz bestehen, mit einer Leichtigkeit und Sicher-
heit wiedergeben, die nichts zu wünschen übrig läßt. Der
frisch gegossene Gyps dringt wie eine Flüssigkeit in die
feinsten Vertiefungen ein und giebt erstarrt deren Form
in fester Gestalt wieder; bei genügender Festigkeit läßt
er sich leicht bearbeiten, ohne wie Formsand bei der ge-
ringsten Berührung zu zerfallen; erl zerspringt nicht wie
Schwefel in Stücke bei ungleicher Erwärmung; er wirft
und zieht sich nicht; sondern giebt genau die Forme» wieder,
ohne mühsam dazu gezwungen zu sein. Daher mag es
wohl der Blühe sich lohnen, dieses Material, dessen sich
schon die Alten bedienten und welches in unser» Kunst-
werkstätten zu den unentbehrlichsten gehört, in seinen Haupt-
eigenschaften kennen zu lernen.

Man muß zunächst rohen und gebrannten GypS unter-
scheiden. Der rohe Gyps oder Gypsstein kommt im Mi-
neralreiche in verschiedenen Formen vor: in blätteriger,
faseriger, körniger und dichter Form; in dieser Art füllt
er die Spalten und Klüfte der Kalksteine, oder bildet selbst
ganze GebirgSstöckc. Der schön durchsichtige, in großen
Tafeln spaltbare Gyps ist bekannt unter den Namen „Ma-
rienglas" oder Frauenglas, der dichte dagegen, blos an
den Kanten durchscheinende, unter der Benennung „Ala-
baster". Letzterer wird in seinen reinsten Stücken roh zu
vielfachen Kunstgegenständen, zu Uhrgehäuse» und Sta-
tuetten verarbeitet, liefert aber gebrannt einen Gyps von
außerordentlicher Weiße und nachmaliger bedeutender Härte
(Kölner Gyps).

Chemisch betrachtet besteht der Gyps ans Schwefel-
säure, Kalkerde und Wasser; man sagt, Gyps ist schwefel-
saurer Kalk nebst Krystallwasser. Er ist daher wesentlich

verschieden vom gewöhnlichen Kalkstein, denn der unge-
brannte Kalk besteht aus Kohlensäure und Kalk und der
Marmor ist, wie später erwähnt wird, die reinste Sorte
desselben. Wenn man dem Gyps das Wasser entzieht,
waö durch eine mäßige Erhitzung, schon bei 160^ R., ge-
schieht, so verliert er seine Krystallform, wird weiß, un-
durchsichtig und zerfällt zu einem milden Pulver. Das
Austreiben des Wassers aus dem rohen, natürlichen Gyps-
stein nennt man das Brennen des Gypses, welches in
besonderen Oese» oder nebenher beim Kalkbrennen ausge-
führt wird. Die Hitze eines gewöhnlichen Backofens genügt
dazu schon. Demnächst wird der mürbe Stein zertreten
oder zerstampft, gemahlen unter vertikal laufenden Steinen,
dann gesiebt und gebeutelt, und kommt so in Form von
Gypsmehl in Sorten von größerer oder geringerer Fein-
und Weiße in den Handel.

Das Brennen des Gypses ist demnach, um es noch-
mals zu wiederholen, ein bloßes Entziehen deö Wassers
beim Gypsgieße» wird ihm dagegen das so verloren ge-
gangene Wasser wiedergcgeben. Dies wiedergegcbene Was-
ser aber nimmt er mit großer Begierde wieder auf, er
erwärmt sich damit förmlich, sucht in seine frühere Krystall-
form wieder zurückzukehren, und erstarrt daher von Neuem
zu Stein, d. h. zu einer Masse, die annährend dieselbe
Festigkeit zeigt, wie sie der rohe Gypsstein vor dem Bren-
nen hatte, der Art, daß z. B. der festeste Gypsstein, der
Alabaster, auch de» festesten Gypöguß liefert.*)

Ein guter Formgyps muß möglichst weiß von Farbe,
leicht und locker, von weicher, mehliger Form sein; gröbere
Körner darf man beim Reiben zwischen den Fingern nicht
fühlen, vor Allem aber muß er frisch sein. Nur der
Gyps im frischen Zustande zeigt seine beste» Eigenschaften;
denn wenn er längere Zeit an der Luft, namentlich an
feuchter Luft gestanden, büßt er sie ein und wird unbrauch-
bar; er muß also in wohlverschlossencn Gefäßen aufbewahrt
werden.

Um das Gypsmehl zum Guß zu verwenden, wird das-
selbe mit Wasser angerührt, in ähnlicher Weise wie Mehl
zur Suppe. Die Quantität, deren er bedarf, um eine
solche dünne, fast breiartige Konsistenz beim frischen An-
rühren zu erhalten, ist verschieden. Man kann aber annehmen,
daß guter Gyps reichlich die 21fachc Gewichtsmenge au
Wasser verträgt. Mit dem größten Theile dieses Wassers
verbindet er sich chemisch, er erstarrt damit in wenigen
(3—4) Minuten, gerade wie Wasser zu Eis gefriert, und
zwar zieht er es so heftig an, daß er sich damit, ähnlich
wie beim Kalklöschen, bis zum Ausstößen von Wasserdampf
erhitzt. In kalter Luft sieht man ihn deshalb auch rauchen.
Diese entschiedene Erwärmung des Gypses nach erfolgtem
Guß, beim Festwerden, ist ein sicheres Zeichen seiner Güte,
es tritt schneller ei» beim frischen Material, und dann ist
die Erwärmung auch sehr fühlbar, bei älterem Gyps er-
folgt sie langsamer und ist deshalb auch weniger auffallend.
Ei» brauchbarer Gyps soll iudeß aus praktischen Gründe»
auch nicht zu schnell erhärten, nicht mit einem Male, nicht
plötzlich, weil man sonst zu wenig Zeit behält, mit ihm
zu arbeiten. Das schnellere oder langsamere Erhärten hat
man einigermaaßen durch einen geringeren oder größeren
Wasserzusatz in der Gewalt.

Wird Gypsbrei auf poröse, Wasser einsaugende Flächen
gegossen, so bilden sich Blasen, weil ihm Wasser entzogen
wir» »ud das in den porösen Körper eindringende Wasser
die Luft gegen den Gyps treibt. Daraus folgt natürlich
die Regel, daß man die Oberfläche auf irgend welche Weise
etwa durch Tränken mit Wasser, durch Anstriche nndurch-

*) Ein, vielleicht alaunhaltiger Gyps, der von Schottland
bezogen, am Berliner Neuen Museum zu Kapitalen verwendet
wurde, zeigte eine solche Festigkeit, daß er sich mit der Feile kaum
bearbeiten ließ; er füllte aber die Formen nicht genau aus.
 
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