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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0144

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ist ein Bild von der köstlichsten Stimmung, dabei fein,
sehr fein im Ton. — Dasselbe Lob muß ich auch einem „Herst-
tag" von Chevalier spenden, da auch in diesem Bilde
eine prächtige frische Stimmung herrscht. Dabei ist das
Motiv sehr einfach und dennoch fesselnd. Den ganzen
Vordergrund nimmt ein Hügelrücken ein, über den sich ein
tief einschneidender Weg nach dem Hintergründe, der blauen
Ferne (die nebenbei gesagt, sich doch wohl etwas mehr
der Horizontalen nähern dürfte) hinzieht; auf der Höhe
des Hügels Apfelbäume, zwischendurch ein Häuschen, leichte
Wölkchen am blauen Aether: das ist das Ganze, aber cs
ist reizend gedacht, mit feinem künstlerischen Sinne gefühlt
und mit einem Respekt vor der Natur dargestellt, der
eine Garantie bieten dürfte dafür, daß wir noch manch
Gutes von diesem noch jungen Künstler sehen werden. —
Gleich daneben hängt eine „Holländische Landschaft" von
Westendorf, auch ein einfaches Motiv, aber leider nicht
reizend, denn bei allen Farbensinn ist eine solch schabloncn-
uiäßige Zeichnung (wenn mau überhaupt das Wort hier
gebrauchen darf) derart vorwaltcnd, daß jede Illusion, jede
Versenkung in den Gegenstand unmöglich wird. — Auch
bei dem Bilde von (£■ Mann dürfte die Farbe doch zu
sehr nur als solche wirken. Das schöne Motiv, „In den
Lagunen Venedigs", verdiente eine feinere Durchbildung.

— Auch das Deiters'sche „Waldbild" litt au diesem
Mangel, wenigstens was den Vordergrund anbetrifft, dessen
Mangel an Ausführung störend war, so daß selbst die
Feinheiten der Ferne und des Mittelgrundes nicht zur
Geltung kamen. — Ein Bild von Pauli hatte etwas
studienhaft Wahres, doch litt die seinblaue Ferne durch
das unvermittelte Grün des Vordergrundes. — Aus Jre-
laud's „Waldbild" wehte eine gemüthreiche Stimmung,
wie wir sie ja in allen seinen Werken schätzen gelernt ha-
ben. Möge dieser tüchtige Künstler sein schönes Talent
recht bald wieder in seiner vollen Frische wirken lassen
können. — Eines Erstlingswerkes von Helander muß
ich noch erwähnen. Zwar stellt cs die bekannte „Groß-
mutter mit ihrem Enkel" dar, aber es erhebt sich doch in
der Auffassung über gar manches, dasselbe Motiv behan-
delnde Bild älterer Künstler. Das Enkelcheu ist allerliebst
gedacht, kindlich-innig und nicht blos, was inan ein schönes
Kind nennt, wie es gewöhnlich Modell sitzt. — Zum Schluß
erwähne ich noch mit Vergnügen eines „Porträts" von
C. Sohn, welches wieder lebendige Auffassung mit schö-
nem Inkarnat und meisterhafte Anordnung mit geistvoller
Behandlung des Ganzen verbindet. Um etwas Einzelnes
zu erwähnen, so erschien mit die beleuchtete Wange etwas
breit gehalten; ein Zcichnuugsfehler, in den der Meister
schon häufiger verfallen ist, weshalb ich auch besonders
darauf aufmerksam machen wollte.

•2 München, Ans. April. (Kunstverein. Schluß.)
Von Lenbach sind die Bildnisse des Hofraths Theobald
und des bekannten Malers Ludwig v. Hagn ausgestellt,
welche wir als wahre Meisterwerke begrüßen. Es sind dies

— und dies gilt namentlich von Hagn's Bildnis; — nicht
bloße Portraits, welche für den Beschauer nur dadurch Werth
erhalten, weil er die Originale kennt und ihnen vielleicht
persönlich näher steht; wir haben cs vielmehr mit Gemäl-
den zu thuu, welche als solche und ganz abgesehen von
aller Person ihren Werth in sich tragen und durch sich
zur Geltung kommen. Lenbach scheint sich bei diesen Ar-
beiten Rembrandt ganz besonders zum Muster genom-
men zu haben. Die Köpfe treten aus dunklem — aber
nicht schwarzem — Hintergründe mit überraschender Lebens-
wahrheit und Frische hervor.

Unter den wie gewöhnlich in großer Anzahl vorhan-
denen Landschaften waren es nur Arbeiten von Julius
Lange, Eduard Schleich und Steffan, welche hier
erwähnt werden dürfen. I. Lauge holte seine Motive
von den Jsarnfern nördlich unsrer Stadt, welche seit

Dorn er kein Künstler mehr ausgebcutet hat, obschon dort-
selbst des Schönen genug sich vorfindet. Er brachte zwei
Stinimungslandschaften: „Morgen" und „Abend" und ver-
stand es mit feinem Takte jedes Zuviel und Zuwenig zu
vermeiden, indem er einen weniger ausgedehnten Gesichts-
kreis annahm, innerhalb desselben aber seine Massen mit
Vorsicht vertheilte und alle Einzelnheiten mit Liebe und
großer Kenntniß der Natur behandelte. Die Stimmung
beider Bilder ist lieblich und ächt lyrisch. — Wenn es uns
erlaubt ist, diese Bilder mit Matthisson'schen Gedichten zu
vergleichen, so liegt der Vergleich des „Abends" von
Schleich mit einem Gedichte von Lenau nahe genug.
Schleich liebt vorzugsweise ernste, elegische Stimmungen
und so zeigte er uns eine jener blassen Abendlüfte, wie wir
sie sehen, wenn den Tag hindurch Regenschauer über das
Land zogen und erst nach Sonnenuntergang die Wolken
gegen Westen sich lichten und dem letzten bleichen Tages-
lichte den Durchbruch gestatten. Schleich ist in solchen
Stimmungen kaum erreichbar und so macht denn auch das
in Frage stehende Bild den Eindruck größter Naturwahr-
heit, während es zugleich tief poetisch das Gemüth anregt. —
Steffan's „Klön-Sec" in den Glarner Alpen verdient
namentlich in Beziehung auf größere Ruhe und Harmonie
entschieden den Vorzug vor seinem letzten Bilde, das wir
jüngst besprochen haben. Stc ffan gehört zu unseren be-
sten Zeichnern und zeigt sich auch in diesem neuesten Bilde
ganz besonders in dieser Eigenschaft. — Der begabte Rich.
Zimmermann stellte sich in seinem „Sonnenuntergnng
im Winter" eine schöne Aufgabe Wir haben schon früher
bedauernd bemerkt, wie dieser in Bezug ans Technik außer-
ordentlich gewandte Künstler sich gerade durch diese seine
Virtuosität nur allzuoft aus Abwege führen lasse und na-
mentlich regelmäßig jene Ruhe vermissen lasse, welche ein
Kunstwerk nothwendig besitzen muß, wenn cs auf dauernden
Werth Anspruch machen will. So brachte Rich. Zim-
mermann das Flimmern des Lichts in der von Sonnen-
stäubchen erfüllten Luft trefflich zuni Ausdruck, verdarb sich
aber die Wirkung dadurch, daß er eine Menge kleiner Fi-
guren in das volle Licht stellte und dasselbe durch sie und
ihre langen Schlagschatten zersplitterte. Noch unglücklicher
war er in der andern Hälfte des Bildes, indem er es sich
nicht versagen konnte, da, wo der Natur der Sache nach
nur große Schattenmassen dem Beschauer entgegen treten
können, so in's Detail zu gehen, daß er schließlich, wie dort
das Licht, so hier die Schatten zerstückelt, ganz abgesehen
davon, daß er au Stellen Licht bringt, wo nur Schatten
sein können. In Folge dieser Mißgriffe haben wir eine
Reihe sehr schöner Details aber keine günstige Gesammt-
wirkung. — Sehranmnthig behandelte Emil Kirchner eine
liebliche „Partie ans Venedig" im Morgenlichte, indem er
von der Riva degli Schiavoni aus einen Blick über die
Lagune nach der kühngewölbten Kuppel von Santa Maria
della Salute gestattet. Dagegen würde nach unserm Da-
fürhalten Jank's „Südliches Portal der Kathedrale S.
Etienne zu Bonrgcs bei Orleans" bedeutend gewonnen
haben, wenn sich der Künstler von jener Färbung loSge-
macht hätte, die wir konventionell nennen möchten und der
es wie an innerer Wahrheit, so an Kraft mangelt. Für
die Richtigkeit unserer Anschauung dürfte die entschieden
bessere Wirkung sprechen, welche die photographische Re-
productivn des Bildes macht, in welcher einzelne Töne
tiefer und kräftiger erscheinen als im Originale. Ucbrigens
dürfte sich Jank in den Raumverhältnissen etwas ver-
griffen haben; uns scheint der Stoff nicht bedeutend genug
für eine so große Leinwand. Jutz, dessen „Hühnerhof"
wir jüngst rühmend erwähnten, brachte nun „Wildenten,"
und ist mit diesem Bilde hiptcr jenem in keiner Beziehung
zurückgeblieben. Jutz ist nicht blos ein äußerst feiner
Kenner der Thierwelt, sondern er versteht auch durch Hu-
mor und Grazie der Darstellung den gewählte» Stoffen
doppeltes Interesse abzugewinnen.
 
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