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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0146

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130

runter liegende organische Leben durchscheinen läßt. Da-
rin eben liegt der Reiz der Marmorskulpturen, daß man
bis auf eine gewisse Tiefe in sie hineinsehen kann, so daß
ihre Wirkung, wie von einem höheren inneren Leben her-
zurühren scheint; die dargestellten Formen erhalten dadurch
für das Auge den Anschein, als seien sie von einem edleren
Organismus gespannt. Wachsbilder haben vielleicht etwas
Verwandtes; von Ghpssachen dagegen wird der Blick stumpf
abgebrochen. Die wohlthuendc Wirkung aller Broncesta-
tuen, wenn sie sick mit der sogenannten antiken Patina
bedeckt zeigen, beruht gleichfalls auf der Transparenz dieses
hautähnlichen Ueberzugs. Wenn wir aber ans die Wurzel
des Wortes Marmor selbst zurückgehen, so sagt uns das
Wort uaQ/uctioin> (schimmern, glänzen) selbst, daß dieser
Stein seinen Namen von seinem Glanze habe.*)

Das Vorhandensein des Marmors, also des krystalli-
nischen Kalks, ist zwar nicht an wenige bestimmte Länder
geknüpft; Deutschland, Schlesien, die Provinz Sachsen,
der Harz, Spanien, die Pyrenäen haben Marmor; von
so vorzüglicher Reinheit wie Italien und Griechenland
aber hat ihn bis jetzt noch kein Land aufzuweisen. Manche
Marmorbrüche, von denen uns die Schriften der Alten
berichten, sind verschüttet oder ihre Stelle gar nicht wie-
der aufgesnnden worden. Einzelne liefern aber noch heute
ungeheure Massen dieses kostbaren Steins. Der berühm-
teste Marmor des Alterthums war der, pari sch e von gro-
ßem, glänzendem, salzähnlichem Korne, er wurde jedoch
meist nur in kleinen Blöcken gefunden (marmor G-raeco
duro saliuo). Nicht minder geschätzt war der von Carara
(Narinor Lunense), feinem Zucker ähnlich, oft bläulich
gefleckt. Der pentelische ist schieferig, mit grünlichen
Streifen und Talk durchzogen. Weniger edel war der
vom Hymettus. Statuenmarmor lieferte ferner die Insel
Thasos, von blaßweißer Farbe. Der macedonische
war von mehr gelblicher Farbe; dem Elfenbein ähnlich
war der koralitische; auch der von Megara wurde
zu Statuen verwendet. Der lapis onyx oder alabastrites
ist ein ans Oberägypten und Arabien eingcführter fase-
riger Kalksinter. Bon schwarzem Marmor (nsro antico)
waren die Jsisbilder, aus rothem (rosso antioo) die Bac-
chusköpfe. Auch Statuen aus buntem Marmor kommen
vor, sowie auch aus ganz hartem Stein (Porphyr, Gra-
nit, Syenit).

Was die Witterungsbeständigkeit des Marmors betrifft,
so ist bekannt, daß er auch im südlichen Klima vergänglich
erscheint, und als Beweismittel ans der Natur selber kön-
nen wir ansühren, daß man z. B. in den obersten Lagen
der Marmorbrüche in Carara einzelne Stücke Marmor
findet, die in Folge atmosphärischer Einwirkungen so mürbe
sind, daß sie, aus den Boden geworfen, wie Gruß zer-
fallen. Die Verwitterung des Marmors erfolgt übrigens
unter Umständen, die durchaus nicht zu den außergewöhn-
lickien gehören, denn wie der festanstehende Fels unter dem
Einfluß des sich ans ihm einfindenden vegetabilischen Le-
bens allmählig zu Erde wird, so auch der Marmor. Der
Kalkgehalt desselben ist es gerade, welcher besondere Vflanzen-
species niederer Organisation anlockt, kleine Flechten von
fast mikroskopischer Beschaffenheit. Diese finden hier in
ausgefallenem Staub animalischen und vegetabilischen Ur-
sprungs ein treffliches Gedeihen; dadurch aber wird die
Oberfläche des Steins korrodirt. Ist nun einmal der
Zusammenhang der Theile gelockert, so greift die Zerstö-
rung durch die Atmosphärilien schnell weiter um sich. Durch
das Polircn kann man, wie überhaupt Körper, so auch
den Marmor vor zu schneller Zerstörung schützen, allein
polirt verlieren die Skulpturen ihren milden Reiz. Auch
durch Tränken mit Wachs, der leicht bis auf eine, wenn
auch geringere Tiefe eindringt, wird der Zerstörung ci-
nigermaßer vorgebeugt. (Die griechischen Künstler pflegten
ihre Marmorstatuen daher mit Wachs einzureiben. Das

*) Es könnte auch umgekehrt sein. D. R.

punische Wachs galt ihnen dabei als das tauglichste. Da-
durch erhielt derselbe zugleich ein weicheres Ansehen.)
Reines Wasser löst den Marmor nicht aus, denn 1 Theil
Marmor bedarf 16,000 Theile Wasser zur Lösung, wäh-
rend auf 1 Theil Gyps schon 400—450 Theile genügen.
Es gilt also letzterer als leicht löslich, ersterer als unlös-
lich in reinem Wasser. Enthält dagegen dasselbe Kohlen-
säure, die sich leicht einfinden kann, da solche in der Luft
vorhanden ist, so wird der Marmor sehr leicht gelöst. Da
hiernach Kunstwerke dieses Materials, im Freien stehend,
durch Staub, Nässe, wachsende und verwesende Pflanzen
schnell gefährdet werden, so muß für Reinhaltung derselben
stets Svrge getragen werden. Das Gelindeste, was man
dabei thun kann, ist, daß man sie mit reinem Wasser ab-
bürstct. Wendet man aber scharfe Waschmittel, Mischungen
von Salzsäure mit Wasser und Scheuern mit Bimsstein
und dergleichen an, so sieht man leicht ein, daß dadurch
bald alle Feinheiten der Skulptur verloren gehen müssen.*)
Wie zerstörend aber in einzelnen Fällen atmosphärische
Einflüsse und menschliche Wasch- und Reinigungsversuche
ans Marmor wirken können, läßt sich an den Marmorsta-
tuen des Wilhelmsplatzes in Berlin abnehmen. Diese sind
in verhältnißmäßig sehr kurzer Zeit, nach noch nicht einem
Jahrhunderte schon so angegriffen, daß fast alle Schönheiten
daran geschwunden sind, und daß man sich entschließen
mußte, um die Komposition zu retten, sie in Bronce kopiren
zu lassen. Die neuere gewerbliche Technik hat inzwischen
ein Mittel geboten, was vielleicht im Stande ist, den Mar-
morskulpturen eine längere Dauer zu verleihen und sie witte-
rungsbeständig zu machen: das Wasserglas. Mit dieser
Flüssigkeit getränkt, verliesest förmlich der Kalk, und wird an
der Luft — statt lockerer — fester, allein es ist nur zu be-
sorgen, daß der Marmor durch die neugebildete Verbindung
von kieselsaurem Kalk seine schöne Transparenz einbüßt
und opak wird. Ausreichende Erfahrungen liegen übrigens
hierüber noch nicht vor. — —

Für jede Marmorskülptur ist ein Modell erforderlich.
Ohne ein Modell ist für das Zustandekommen eines Kunst-
werks bei den heutigen Verhältnissen der Kunst wenig Hoff-
nung. — Was also der Künstler sich zuvor schaffen muß, ist
eben dieses Modell. Die Griechen haben, wie ziemlich ge-
nau nachzuweisen, auch nach Modellen gearbeitet, wenn auch
nicht immer; denn aus der außerordentlichen Kühnheit in
einzelnen Arbeiten geht hervor, daß sie sich vom Modell
nicht beherrschen ließen. Die Hilfsmittel, deren sie sich
zum Kopiren bedienten, sind auch vielleicht dieselben, wie
die heut zu Tage angewendetenj; daß sie aber gerade den
harten wie den weichsten, bildsamen Körper beherrschten
und darin unerreicht dastehen, ist außer allem Zweifel; sie
waren Meister des Stoffes.**)

Die Meister der wieder aufblühenden Kunst haben gleich-
falls Modelle benutzt, und wenn z. B. Michel Angelo in
überwallendem Kraftgefühl einmal keins benutzte, so sieht
man auch, wie er sich „verhauen" hat und wie er mit den
Einzelheiten seiner Schöpfung nicht zusammenkam.

Die Art und Weise nun, wie mit Hülfe des Modells
die Kopie in Marmor geschaffen wird, nennt man das Punk-
tiren. Punktiren heißt überhaupt bei jeder Steinarbeit
das Uebertragen der Modell-Punkte auf den Stein und
das Anlegen der hauptsächlichsten Flächen in demselben,
so daß man nach Beendigung dieser Arbeit das Modell
in rohester Anlage wiedergcgeben hat. Das Princip da-
für ist der stereometrische Satz: Durch die Entfernung
von drei Punkten, die nicht in einer geraden Linie liegen, ist

*) Die einzelnen Marmorsorten haben verschiedene Härte; der
großkörnige ist der härteste und witterungsbeständigste.

**) Stttmerf.: Die Instrumente, welche bei der Bearbeitung
des Marmors angewendct werden, sind: der Meißel, vom Schlä-
gel getrieben, Spitzeisen, Flacheisen, Zahucisen, Feilen, Raspel,
Bohrer und Säge (vielleicht dieselben, wie sie auch die Alten be-
nutzten. Zum Schleifen dient wie bei den Griechen der Bims-
stein, zum Abreiben wandten letztere den naxischen Schleifstein an).
 
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