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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0215

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199

riette Brown übertreffen alle übrigen in ausdrucksvoller
sauberer Durchführung, von ähnlicher Zartheit sind die
landschaftlichen Bilder von Blery, Constantin und
W i s m e s.

Die Metallstiche liefern nur Nachbildungen von Kunst-
werken, keine selbstständige Schöpfung, die Abstufungen
des Lichts und Dunkels treten besonders bei der sogenann-
ten Schab-Manier in den französischen und deutschen
Stichen — englische sind nicht vorhanden — mit größerer ma-
lerischer Wirkung hervor, indeß auch die kunstvollste Be-
handlung des Abdrucks vermag den harten rauhen Ton,
welcher dem Bilde bleibt, nicht völlig zu verwischen, die
schönsten deutschen Arbeiten sind von Eichens (Berlin)
Hoffmann und Joseph Keller ausgestellt, die besten
französischen von Costiu, Salman, Var rin, Paul
und Eduard Girardct vertreten in diesem Fache würdig
die schweizer und Calamatta die italienische Kunst. Der
Holzschnitt wird in vielen Fällen in Frankreich durch den
Steindruck ersetzt und hierin verhältnißmäßig größeres ge-
leistet: die Lithographien von Soulange-Teissier und
Desmaisons stehen in sauberer Zeichnung und male-
rischer Farbenwirkung unerreicht da; in letzterer Beziehung
übertreffeu sie auch die Bilder von O. Weber (Berlin).
Die Porträts von David sind meisterhaft ausgefllhrt,
es eignet sich diese Künstform indeß nicht gut für das
Bildniß. Der rein mechanische Abdruck des Steins tritt
mehr oder weniger in einer gewissen Leblosigkeit des Aus-
drucks hervor; ein Bild der Königin von England in Le-
bensgröße von Fuhr ist bei hohem künstlerischen Werthe
nicht frei von diesem Mangel.

XI. Die Kunstindustrie.

Die rege Entwickelung der Photographie hat dieselbe
zu dem wichtigsten Zweige der Vervielfältigung in der
Kunstindustrie gemacht, sie erfreut sich in Frankreich wie
in England einer lebhaften Theilnahme in den hohen Stän-
den und wird von denselben als ein angenehmer Zeitver-
treib gepflegt; mehrere Journale und periodische Zeit-
schriften stehen hier ausschließlich in ihrem Dienste und
befördern neben einem glücklichen Fortschritt einen grenzen-
losen Charlatanismus: fast jeder Künstler beansprucht irgend
ein besonderes Verfahren entdeckt zu haben, dem er als
Reklame seinen Namen beilegt. Eine reiche Auswahl
hieivon bietet die 5. internationale Ausstellung der fran-
zösischen photographischen Gesellschaft, die in dem Judustrie-
Palaste eröffnet ist; sie zählt 1099 Nummern und giebt
ein übersichtliches Bild von dem gegenwärtigen Stande
dieses Industriezweiges: das einfache Portrait, die Nepro-
duction landschaftlicher und historischer Bilder, die Fort-
schritte in der Darstellung auf Porzellan und Glas und,
in einem größeren Maaßstabe, die Resultate der Ver-
bindung der Photographie mit dem Metallstich und der
Lithographie stellen sich in hoher Vollendung dar. Niepce
de Saint-Victor hat angeblich ein Mittel entdeckt, die
Farben des Modells auf die Platte zu fesseln: die Bilder
haben ein schönes, volles Kolorit, vertragen aber nicht
lange den Einfluß des Lichtes, und werden daher den
Besuchern nur flüchtig gezeigt; in wieweit die in öffent-
lichen Blättern aufgestellte Behauptung wahr ist, daß hier
nur Täuschung statt finde, vermag ich nicht zu entscheiden.
Die Photographien von Beyrich (Berlin) aus Email-
Papier finden allgemeine Anerkennung. (Schluß folgt.)

mttth bei der Sache war; nur das Jmperatorenantlitz
Napolcon's verräth einen Rest innerer Theilnahme.
Neben dem Bilde der Kaiserkrönung führte eine verborgene
Tapetenthür in eine niedere Mansarde, welche nur von
einem hochgelegenen Fenster gedämpftes Licht empfing.
Hier, dicht hinter dem gvldschinimernden Schaugeprängc
des lachenden Erben der Revolution, hing das Bild der
blutigen Leiche des odtcn Schreckensmanues ganz allein.

Marat liegt in der Badewanne, in welcher ihn der
Stoß traf. Der untere Theil seines entblößten Körpers
ist durch dieselbe und durch ein darüber hingewvrfeneS
Brett den Blicken entzogen; der obere wird durch die
Rückwand, an die er sich anlehut, aufrecht erhalten. Der
mit einem weißen Tuch umwickelte Kopf ist auf die rechte
Schulter gesunken, der rechte Arm hängt über die Seiten-
wand schlaff auf den Boden herab. Die linke Hand hält
noch den Brief, den er von der Corday empfangen.
Er ist datirl vom 23. ckuillet 1793 und man liest darauf
die historischen Worte: Marie Anne Charlotte Corday au
citoyen Marat. II suffit, que je sois bien malheureuse,
pour avoir droit ü votre bienveiliance.Immer-

hin ein Zeichen, daß auch die Feinde dies als einen Weg
ansahen, bei ihm Eingang zu finden. In der linken
Brust, gerade über dem Herzen, gewahrt man die klaf-
fende Wunde, aus der noch das Blut rinnt. Augenschein-
lich ist der Tod erst soeben erfolgt; die Leiche sä>eint noch
nicht kalt geworden zu sein. Die gesenkten Augenlieder
sind halbgeschlossen; die Mundwinkel wie von einem em-
pfindlichen Zucken krampfhaft nach aufwärts gezogen. Der
Ausdruck des Todten wie Eines, der schmerzlich und un-
erwartet in der Vollendung eines großartigen Werkes sich
unterbrochen fühlt. Zur Seite der Wanne steht eine rohe,
gestürzte Holzkistc, die dem Redakteur des „Ami du peuple“
als Schreibtisch diente. Auf derselben gewahrt man ein
ärmliches Tintenfaß, eine Feder und etliche Papiere, auf

Z. L. Aavid's „Tod Marat's.'

(Schluß.)

Von allen zu Ehren des „Volksfreundcs" projektirten
und errichteten Deukzeichcn hat ihn nur dasjenige über-
lebt, das ihm sein künstlerischer Freund setzte, der kurz-
sichtigste vielleicht, aber jedenfalls der aufrichtigste, den
er besaß. In diesem Werke, das die mehr als lebens-
große Leiche Marat's ganz allein, unmittelbar nach der
Ermordung und in dem Zustande darstellt, in welchem
man sic fand, bricht ein so tiefes und wahres Gefühl
anbetender Hingebung durch, daß cs die sonst beiDavid
herrschende Neigung _ zum Theatralisch-Effektvollen über-
windet, und durch die natürlichste Einfachheit gerade die
mächtigste Wirkung hervorbringt. Es war in einer zum
Besten eines Künstlcrunterstützungsfond veranstalteten Aus-
stellung, zu welcher Private ihre Gemälde zusammeu-
schossen, wo ich es sah. Die vorderen Zimmer enthielten
meist Werke moderner lebender Maler, unter andern
Vetter's, des genialen Elsässers, allerliebstes Genrebilv
„De bourgeois gentilhorame“, seinen „Raucher", seine
höchst charakteristische Scene aus Rabelais Leben, be-
kannt unter dem Namen „De quart d’heure de Rabelais“,*)
des „Realisten" Courbet's Porträt des Arztes Gri-
selles, Pröault's Medaillonsköpfe u. s. w. Im vor-
letzten Genkach fand man Bilder aus älterer Schule;

Ingres, Deveria, Delacroix, Fleurh waren hier
vertreten, die Hauptwand aber füllte eine Kopie des gro-
ßen Gemäldes von David: „Die Krönung der Kaiserin
Josephine", dessen Original sich im Versailler Museum
befindet. Dem akademisch-wohlgeordneten Ceremonien-
tableau mit den festlich blaukgeputzten Porträtgesichtern
sieht man eö an, daß der Künstjer nur mit halbem Ge-

*) Rabelais gab sich einmal, aller Geldmittel entblößt,
für einen Verschworenen gegen das Leben des Königs ans, um
auf Staatskosten nach Paris gebracht zu werden. Erst daselbst
angelangt, gestand er vor dem Richter seine Mystifikation ein.
 
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