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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0227

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211

Korrespondenzen.

© Wien, Anfang Juli. (Saison morte). Die
Theilnahmeder wiener Bevölkerung für bildendeKunst scheint
fast in diametralem Gegensatz zu stehen mit igrer Ver-
gnügungssucht. Jene Kunstfreude, die sich dem Beschauer
erst leise anschmiegt, um ihn bald sester und fester zu um-
stricken, bis sie endlich als Kunstbewußtsein ihm ein treuer
Lebensgefährte geworden ist: für jene Kunstfreude ist —
mit Bedauern spreche ich es aus — das Temperament des
Wieners ein viel zu kurzathmiges. — In der Landschaft
geht ihm das Gefühl für feinere Mitteltinten ab, im Genre
entdeckt er sehr schnell das Triviale (falls es vorhanden),
und das Historienbild gar muß mit dem Effektprügel über
ihn kommen, soll es seiner Theilnahme gewiß sein.

Möglich, daß diese Beurtheilung ein wenig zu scharf
gefaßt ist; ein aufmerksamer Besucher der Kunstausstellun-
gen aber wird sich dieser Ansicht kaum entziehen können,
falls er es nur halbwegs redlich meint mit den Interessen
jener wahren Kunst, die ebensowenig des rohen Knalleffekts
bedarf, wie jener mit dem Publikum kokettirenden Mittel-
mäßigkeit, welche in Wien freilich so sehr auf Rosen ge-
bettet ist! — In unserm sehr besuchten, stets belebten
Volksgarten steht müde an die Stadtmauer gelehnt ein
kleines Häuschen: es ist das Ausstellungslokal des „älte-
ren Kunstvereins." Man sollte meinen, der Platz wäre
ein für den Besuch sehr günstiger; ach nein, das ist er
gar nicht, eben weil er inmitten eines Vergnügungsortes
par excellence liegt?

Ich will Ihnen, da der jüngere Bruder (die Ausstel-
lung im Schönbrunnerhause) auf einige Monate ge-
schlossen ist, von diesem ihn überlebenden Leidensgenoffen
ein Weniges berichten — d. h. ich wollte es; als ich
aber heute Morgens (2. Juli) in den Bolksgarten kam,
war der Kunsttempel bereits geschlossen — „aus Mangel
an Besuch und Theilnahme", wie mir ein zufällig in der
Nähe weilender Vereinsdiener sagte.

Das war mehr noch als Saison morte, denn sonst
pflegte diese wechselnde Ausstellung erst mit dem Monat
August geschlossen zu werden.

Indessen kann ich Ihnen, wenn auch nur nach den
Notizen eines sachverständigen Freundes die Titel sowie
einige kurze Bemerkungen über einzelne Bilder mittheilen.
Als gelungen wurden mir bezeichnet: Jos. Holzer:
„Waldstraße mit ruhenden Zigeunern;" Franz Sch am s:
„Das erste (Kulschizki'scke) Kaffeehaus in Wien;" M.
Fritsch: „Parthie aus Steiermark;" E. G. von Bom-
mel: „Brückenthurm in Prag;" Jos. Feid: „Landschaft
mit Staffage;" M. Fritsch: „Parlhie aus der Ramfan;"
Rudolf Alt: „Der Marktplatz in Nürnberg;" A. Schäf-
fer: „Motiv aus dem Unterinthale mit dem Kaisergebirge;"
Fr. Friedländer: „Küchenmädchen;" Jos. Holzer:
„Am Chiemsee;" C. Bühlmayer: „Alpenweg aus der
Gosau." Dann neune ich noch: A. Hansch: „Am Vier-
waldstätter-See," (sehr fein gezeichnet und frisch im Ton),
Jo s. Kriehuber: „Landschaft," (frei nach Lessings „Wald-
inneres"), I. Vöscher: „Aus dem Rhonepasse, Canton
Wallis", (leider noch immer die alte Lila-Manier), Jos.
Brunner: „Motiv aus Oberkärnthen", (mit karrikirten
Fickten), A. Zimmermann: „Hintersee vom Trimbacher
aus", (weniger stilvoll, als voll Stil), Lud. Halauska:
„Hafen von Mörsburg am Bodensee (ein reizendes Motiv
mit reizender Lichtwirkung).

Aquarellen waren ausgestellt von M. Hutschenrei-
ter: „Ein Slovake;" Franz Burger: „Ein gefangener
junger Hase;" Jos. Schwemminger: „Kirchhof von
Hallstadt;" Jos. Schwemminger: „Bauernhaus bei
St. Wolfgang;" Jos. Schwemminger: „Das Schloß
Agstein;" Franz Alt: „S. Zeno in Verona;" Rudolf
Alt: „Krautmarkt in Brünn," Rudolf Alt: „Seiten-
altar in der Stefanskirche."

Die Wiedereröffnung dieser Ausstellung ist am 1. Sep-
tember; sie währt bis Ende Oktober, um welche Zeit die
Verloosung stattfindet.

X. Kassel, den 5. Juli. (Verein für bildende
Kunst). Aus dem etwas verspätet veröffentlichten Jahres-
berichte des Comites des „Vereins für bildende Kunst"
geht hervor, daß die Einnahmen des vorigen Jahres von
ausgegebenen Actien 1293 Thlr. 15 Sgr. und im Ganzen
1411 Thlr. 25 Sgr. 10 Pf. betragen haben, während sich
die Ausgaben auf 1297 Thlr. 14 Sgr. 5 Pf. beliefen, wor-
unter 595 für Ankauf von Gemälden und 10 Thlr. Ten-
tiämen Vorkommen. Das Vermögen des Vereins bestand
am Ende des Jahres in einer Reihe yon Oelgemälden
im Ankausswerthe von 1595 Thlr., wozu verschiedene Li-
thographien, das Mobiliar und der baare Kassenstand
hinzu zu rechnen sind, sodaß sich der Gesamiuvermögeus-
bestand auf 1829 Thlr. 11 Sgr. 5 Pf. feststellte. Die
Ausstellung ist das ganze Jahr hindurch ununterbrochen
geöffnet gewesen und enthielt allerdings eine große Anzahl
hervorragender Werke einheimischer und fremder Künstler,
aus denen ich der Ucbcrsicht wegen, aus dem Gedächtnis;
und ohne für die Vollständigkeit einstehcn zu können, her-
vorhebe: „Christus und Magdalena" und „Christus im
Tempel" von I. Hübner in Dresden; „Landschaft" von
Vosberg in Karlsruhe, zwei „Landfchasten aus dem
Habichtswalde", „Aus der römischen Campagna" und
„Eine Waschanstalt in Palermo" von Brom eis in
Düsseldorf, Schirmer's „Biblische Landschaften" land-
schaftliche Cartons und Landschaften von E. Riegel in
Kassel, Schleich's „Chiemsee", „Ständchen" von Corni-
cclins, das „Rathhaus in Bingen", „Ankunft Luthers
auf der Wartburg" von A. v. Wille; die „Landschaftli-
chen Charakterbilder aus Italien" von Fries in Mün-
chen, die „Auswanderung der Salzburger Protestanten"
und die „Cartons aus dem Leben Savonarola's" von
Marter steig; endlich eine Reihe von Kopien Raphael -
scher, Murillo'scher re. Gemälden von Jhlee und das
dem historischen Genre angehörige Bild „Rubens, den
Maler Bronwer in sein Haus einführend" von unserem
Mitbürger Katzen stein.

Bon denselben ist die ausgezeichnete Landschaft „Aus
der römischen Campagna" von Br om eis vom Verein, und
von den beiden kleineren Landfchasten desselben Künstlers
„Aus dem Habichtswalde" die eine, wenn ich nicht irre,
ebenfalls vom Verein angekauft worden, die anderen aber
in Privatbesitz übergegangen. Außerdem sind noch einige
der ausgestellt gewesenen Bilder, in Folge ihres durch die
Ausstellung vermittelten Bekanntwcrdens verkauft worden.
Das Comitö hofft für das laufende Jahr noch bedeuten-
dere Mittel als früher zum Ankäufe anwcnden zu können,
wird aber zugleich auch den bereits im Laufe des letzten
Jahres von ihm vertretenen Grundsatz einer unter geeig-
neten Verhältnissen an die ausstellenden Künstler zu be-
willigenden Tentiöme in größerem Maßstabe zur An-
wendung bringen.

t München, 9. Juli. (Dr. Pettenkofcr's neues
Regenerations-Verfahren.) Die bayerische Staats-
regierung beauftragte vor einiger Zeit die zur Ueberwa-
chung der Restaurationen der im Staatsbesitze befindlichen
Oelbilder aus den Professoren Joh. Schraudolph,
Karl Piloty, Moriz Carriere, dem Konservator von
Hefner-jAlteneck und dem Landschafter Ed. Schleich
bestehende Kommission, eingehende Forschungen über die Ur-
sachen des Verderbens der Oelbilder in den Galerien anzustel-
len und gab ihr zu diesem Zwecke die beiden Naturforscher
Pettenkofer und Radlkofer bei. Die mikroskopischen
Forschungen des Letzteren bestätigten, daß Schimmelbildung
 
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