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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0287

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271

Kciroline Friederike, den 9. Februar 1800 meine zweite
Schwester Juliane Friederike, ich selbst den 15. December
1804 geboren.

Das erste, was aus der frühesten Kindheit im Bewußt-
sein meiner Erinnerungen geblieben ist, war ein Wohl-
gefallen an kleinen Bilderchen und Holzschnitten, wie sie
damals in gewöhnlichen Bilderbogen für Kinder existirten.
Was ich fand, das nur irgendeiner Gestalt von Menschen
oder Thier ähnlich war, sammelte ich und klebte es in
ein altes Buch. Ich versuchte selbst auf der Schiefertafel
zu zeichnen was mich interessirte, so z. B. in meinem
dritten Jahre einen Bärenführer mit seinem Bären, welcher
mich auf der Straße mit staunendem Interesse erfüllt hatte.
Weil beide, Mensch und Bär, wahrscheinlich als solche
etwas erkennbar sein mochten, wurde ich — wie ich mich
entsinne — von besuchenden Nachbarn, welche sich darüber
wunderten, sehr gelobt.

Meine Schwestern mußten mir ganze Schiefertafeln
voll Figuren, weniger zeichnen als vielmehr hinschreiben,
die wie nach einer Schablone aneinander gereiht wurden,
deren Kopf aus einem O bestand, ein Dreieck untendran
statt Körper, zwei Horizontalstriche als Arme, und zwei
Linien mit kleinen Winkeln unten statt Füßen. Unermüdlich
konnte ich der reihenweisen Hinschreibung dieser willkür-
lichen Zeichen, welche Figuren vorstellen sollten, zusehen.
Im sechsten Jahre malte ich eine liegende Kuh mit Was-
serfarben — ob aus dem Kopfe, ich weiß es nicht —, welche
ebenfalls viel Beifall hervorrief. Es blieb nun bei mir
das Interesse für Zeichnen und Bilder anhaltend rege;
freilich sielen mir letztere sparsam zu, denn nur selten
konnte ich voiu Vater den Kauf eines Bilderbogens für
sechs Pfennige erlangen. Jedes neuacquirirte Blättchen,
ob ich es fand oder geschenkt erhielt, wurde kopirt, und
später war ich Andern in der Schule das, was meine
Schwestern mir gewesen; ich zeichnete ihre Schiefertafeln
voll Solldatenzüge und Schlachten.

Besondere kleine Ereignisse, die sich in meiner Erin-
nerung niarkirt hätten, weiß ich aus dieser frühesten Zeit
wenig; nur Folgendes ist in meinem Gedächtnisse und
sehr lebendig gebliebeu: Meine Mutter, die im Hause
eines Kaufmanns viel mit Nähen beschäftigt war, hatte
mich einst auf Wunsch der Familie dorthin mitgenommen.
Es ward mir Spielzeug vorgelegt, so viel und schön, wie
ich es noch nie gesehen hatte; ich war ganz beglückt, und
besonders fielen mir zwei nürnberger Holzpüppchen in die
Augen, eins grün, das andere roth angestrichen. Die Lust,

eins mitzunehmen, erwachte, zugleich die Angst davor. Die
Wahl wurde schwer, ich entschloß mich, beide in mein
Kleidchen zu verstecken, und eilte von meiner Mutter weg
nach Hause. Jubelnd kam ich dem Vater entgegen, als
ob ich die Figürchen geschenkt erhalten, doch bat ich ihn
zugleich, sie nicht zu zeigen, wenn Jemand aus jenem
Hause zu uns kommen würde. Alsbalv schloß mein Va-
ter auf den Hergang, und streng sah er mir in's Gesicht
mit den Worten: „Du hast dies genommen, im Augen-
blick trag sie wieder hin." — Weinend gestand ich mein
Vergehen. Mit dem Versprechen, sie hinzutragen, legte
ich sie bei einem Nachbar in den Hofraum in einen Win-
kel; allein indem ich mich nmwandte, um zurückzugehen,
stand mein Vater mit der Ruthe wie der Engel vor dem
Paradies, zu meinem Schrecken vor mir, und nachdem ich
die Figürchen wieder hervorgcsucht, mußte ich sie in das
Haus dcö Kaufmanns tragen. Mein Vater folgte mit
der Ruthe bis er mich hineintreten und wiederkommen
sah. Ich hatte sie dort auf einen Tisch in der Hausflur
gelegt.

In Pulsnitz lebte ein Maler und Zeichenlehrer, ein
alter Junggeselle, Namens Köhler, von wohlwollendem,
gutmüthigem Charakter, bei welchem viele Kinder Unter-
richt im Zeichnen von Blumen, Landschaften und Thieren
hatten — freilich in einer Unzulänglichkeit, daß er den
allerdürftigsten Ansprüchen, die jetzt gemacht werden kön-
nen, weit nachstand. Mein Verlangen zu zeichnen war
groß, und der gute alte Köhler nahm mich unentgeltlich
als Schüler auf. Ich machte die schnellsten Fortschritte,
durfte ihm bald helfen und wurde von ihm sein „Altge-
selle" genannt. Er malte für einen leipziger Kaufmann
Tischdecken in Ocl auf schwarzer Wachsleinwaud, die mit
einer Landschaft verziert wurden und anderthalb bis zwei
Ellen lang und entsprechend hoch waren, Stück für Stück
8—10 Gute Groschen. Ich half ihm die Staffage malen,
Thiere und Menschen, die als dunkelbraune Schattenrisse
untermalt und worauf dann die Lokälfarbeu als Lichter
aufgesetzt wurden. So half ich ihm auch Scheiben zum
Prämienschießen malen, von welchen sich noch einige auf
dem pulsnitzer Schießhause befinden. Ich erhielt von ihm
daun und wann einige Groschen, die mich weniger intcr-
essirten als die Glückseligkeit, das zu treiben, wozu ich vor
allem Lust hatte. Doch darauf, wie ich meine Befähigung
zum Zeichnen weiter entwickelte, will ich später zurückkom-
men und erst noch einige Erinnerungen nachtragen.

(Fortsetzung folgt.)

Korrespondenzen.

B. Danzig, im August. (Prachtwerk des Pro-
fessors Schultz.) Aus einer Anzeige des Prof. Schultz
in hiesigen Blättern ersehen wir, daß derselbe eine neue
Auflage seines jetzt vergriffeneneu großen Prachtwerkes
„Danzig und seine Bauwerke in malerischen Original-
Radirungen" veranstalten will, und zur Subskription auf
dasselbe auffordert. Das Werk besteht aus zwei Folgen,
die im Laufe von fünfzehn Jahren in einzelnen Lieferun-
gen erschienen sind. Die erste Folge enthüllt 24, die
andere 18 Tafel» in größtem Folio, nach Original-Zeich-
nungen des Künstlers von ihm selbst radirt. Ein kurzer
Text mit erklärenden historischen Notizen erhöht den Werth

des Werkes, das in vieler Beziehung die Grundlage für
alle unsere Stadt betreffenden kunsthistorischcn Studien
bildet und bilden wird. Biele der dargestelltcn Gegen-
stände sind jetzt gar nicht mehr vorhanden; ihr ehemaliges
Dasein wird allein durch diese getreuen und dabei wahr-
haft künstlerischen Darstellungen bekundet, die schon bei
ihrem ersten Erscheinen überall die verdiente Anerkennung*)
gefunden haben. — Der Verfasser beabsichtigt gegenwärtig

*) Vergl. die eingehende Bcnrthcilung Kugler's im ehe-
maligen Deutschen Kunstblatt, dien abgedrnckt im jtu eiten Bande
seiner „Kleinen Schriften und Studien."
 
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