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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0302

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In Düsseldorf herrschte damals — es war im Jahre
1824— eine durch Cornelius hervorgerufene große Reg-
samkeit unter den Künstlern, welche auch nach Außen hin
in mannigfacher Weise Einfluß ausübte. Auch der junge
Schirmer fühlte diesen Einfluß, um so mehr, als der
in ihm schon lange erwachte und nur in einem Halbschlum-
mer gehaltene Trieb nach künstlerischer Beschäftigung durch
die Berührung mit einigen Künstlern jetzt plötzlich mit un-
widerstehlicher Gewalt nach Befriedigung verlangte. Die
Künstler unterstützten gern seinen Wunsch, in nähere Be-
ziehung zu ihnen zu treten und so setzte er cs durch, daß
er im Jahre 1825 in die Elementarklasse der Akademie
und bald darauf in die Antikenklasse und in den Saal
für das Zeichnen nach dem lebenden Modell unter Leitung
des Professor Kolbe ausgenommen wurde. Schirmer
hatte sich anfangs für die Historienmalerei bestimmt und
seine Studien danach eingerichtet, bis der Eintritt Scha-
tz ow's als Direktors in die Akademie, namentlich aber der
Eindruck, den Lessing's Landschaften auf ihn machten,
ihn zur Erkenntniß seines wahren Berufes führten. Lange
Zeit noch, nachdem Schadow, der das entschiedene Künst-
lertalent Schirmer's bald erkannte und ihn deshalb in
sein eigenes Atelier installirte, die Leitung der Akademie
übernommen hatte, zeichnete Schirmer an großen Cartons
mit religiösen Motiven, Abends aber suchte er die Land-
schaften Lessing's aus dem Kopfe zu zeichnen. Endlich
gab er die Historienmalerei ganz auf und trat schon im
Jahre 1828 mit einem umfangreichen Bilde, das einen
„Deutschen Urwald" darstellte, auf der berliner Kunstaus-
stellung auf. Der ungctheilte und gerechte Beifall, den
diese poetische Komposition sich erwarb, entschied seinen
Ruf als deutschen Landschaftsmalers für immer.

Außer Lessing war cs nun hauptsächlich Schirmer
welcher die düsseldorfer Landschaftsmalerei zu einer Schule
erhob, indem sich nach ihrem Borbilde bald mehrere be-
deutende Talente unter den Zöglingen der Akademie, wie
Schulten, Scheuren, so wie später A. Achenbach
u. a. m. für die Landschaftsmalerei entschieden. Anfangs
war es nur in Form einer Privatbeihülfe, daß Schirmer
den jungen Landschaftern mit seinem Rathe zur Seite
stand, bis endlich eine ordentliche Professur für Landschafts-
malerei eingerichtet und Schirmer mit dieser Stelle be-
kleidet wurde.

So arbeitete nun Schirmer fleißig an seiner eigenen
und seiner Zöglinge Ausbildung, bis er im Jahre 1836
eine Reise nach Paris und der Normandie antrat, welche
seiner bis dahin befolgten naturalistischen Richtung eine
Wendung auf das Element des Kolorits und der Ton-
wirkung überhaupt gab. Unter den Hauptbildern jener
ersten Periode sind außer dem schon oben erwähnten „Ur-
wald" noch hervorzuheben: „Die Kapelle im Walde" (1829),
„das Schloß am See" (1830), „die betende Nonne im
Walde" (1831), „die Eichen am Grabe" (1831), „ein
Waldsee mit Fischerstaffage" (1832, in der preußischen
Natioualgalerie in Berlin), „große Herbstlandschaft"
(1834, für den Kunstvcrein für Rheinland und Westpha-
len, im Besitz des Herzogs von Aremberg in Brüssel),
„Schweizerlandschafl" (1835, im Besitz des Herzogs von
Cambridge in London), sowie eine große Zahl Landschaf-

ten mit Motiven aus der Nähe seiner Vaterstadt. In
allen diesen Gemälden spricht sich neben einer tiefernsten
Romantik, die ihn besonders gern das Waldesdunkel und
die Waldeinsamkeit aufsuchen und darstellen ließ, eine hin-
gebende, gewissermaaßen respektvolle Liebe zur Natur aus,
welche ihm die treue und bis in's Kleinste gewissenhafte
Form und Farbe zn einer künstlerischen Herzenssache machte.
Hieraus allein ist es zu erklären, daß er in seinen dama-
ligen Bildern zuweilen etwas in's Detailliren gerietst und
namentlich die für die künstlerische Gesammtwirkung so
wesentliche Unterordnung des Beiwerks unter die Haupt-
wirkungspunkte wohl manchmal außer Augen ließ.

Hierüber nun wurde er durch das Studium der fran-
zösischen Landschaftsmalerei aufgeklärt. Schon seine große
„Herbstlandschast" (1837, im Besitz des Herrn Saglio in
Havre) erwarb sich durch seine vorzügliche Tonwirkung
den Ehrenpreis der zweiten goldenen Medaille auf der
pariser Kunstausstellung, und in seinen folgenden Bildern
tritt das Kolorit, und zwar nach den beiden Seiten der
lokalen Färbung und der Tonabstufung hin, noch entschie-
dener in sein Recht ein. Hierniit beginnt die zweite Ent-
wickelungsepoche der Schirmer'schen Laudschaftsmalerei,
welche bis zu seiner im Jahre 1840 angestcllten Reise
nach Italien dauert. Von Frankreich aus war er über
die Schweiz nach Hause zurückgekehrt und hatte einen rei-
chen Schatz von Studien, namentlich aus den schweizer
Alpen, mitgebracht, die er nun auszuführen begann. Zu
seinen bedeutendsten in dieser Periode geschaffenen Werken
gehören außer der schon erwähnten „Herbstlandschaft" eine
„Waldlandschaft" (1837, im Besitz des Pros. Hübner in
Dresden), „das Wetterhorn" (1838, im Besitz des Prin-
zen Friedrich von Preußen), „die Jungfrau in der Schweiz"
(1859, im Besitz des Königs der Belgier), „die Bergstraße",
eine große Kompositionslandschaft (1839, in der Galerie
zu Darmstadt) und andere Alpenlandschaftcn mehr, die
— trotzdem daß sie im Allgemeinen nicht solches Aufsehen
erregten, wie seine romantischen deutschen Waldlandsckaf-
ten — doch unverkennbar, in Rücksicht auf Beherrschung
der technische» Mittel, einen bedeutenden Fortschritt be-
kunden.

Aber wenn die Reise nach Frankreich und der Schweiz
ihn zur Farbe und zur Tonwirkung hingeführt, so gab
ihm die italienische Reise einen neuen noch bedeutsameren
Anstoß, indem die großartige und in ihrer Großartigkeit
doch so einfache und stilvolle italienische Natur seine künst-
lerische Empfindung für die Schönheit der Linie und den
edlen Charakter der Form schärfte. Bon dieser Zeit an
kann man erst diejenigen Bilder Schirmer's datircn, welche
man als „stilisirte Landschaften" zu bezeichnen pflegt. Aber
sein Stil war keine Abstraction, kein bloßes Schema, vor
Allem keine Manier: er blieb stets in den Grenzen der
natürlichen Unbefangenheit, aber er wußte die durch die
Natur selbst gebotenen Stilformen in ihrer charakteristischen
Bestimmtheit zu fassen und in ihrer innerlichen Wahrheit
wiederzugeben. Selbst in seinen komponirten Landschaften,
deren er eine große Zahl malte, vermißt mau nie oder
höchst selten (etwa wenn er sich auf mittelalterliche oder
antike Motive einließ) diese Naturhaftigkeit und Realität
des landschaftlichen Lebens. Namentlich wußte er auch
 
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