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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0303

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287

den Slil der Form mit der Farbenstimmung zu vermitteln
und so stets ein poetisch-wirksames Ganzes zu schaffen.
Eins seiner schönsten Werke dieser Art ist die unter dem
Namen „die Grotte der Egeria" bekannte große Abend-
landschaft aus der römischen Campagna (1841, im städti-
schen Museum zu Leipzig). Diesem Bilde folgten bald
mehrere: „die italienische Landschaft mit Pilgern" (1842,
in der städtischen Galerie zu Düsseldorf), „ein Sturm"
(1843, im Besitz des Herrn I. Scheidt zu Kettzpig),
„Schmeizerlandschaft" (1844, für das königliche Museum
in Christiania), „deutscher Urwald"'(1845, im Besitz des
Fürsten von Salm in Prag), „Waldlandschaft" (1846, im
Besitz des Fürsten Rohan in Prag), „Gewitter in der
Schweiz" (1846), „historische Landschaft mit griechisch-
mythologischer Staffage" (1846), herbstliche Landschaft mit
Störchen" (1846), „komponirte Landschaft im Charakter
von Terni" (1847), „komponirte Landschaft mit badenden
Mädchen" (1847), „Landschaft mit mythologischer Staf-
fage" (1848, im Besitz des Königs von Preußen), „ita-
lienische Landschaft" (desgleichen), „Abeudlandschaft mit
ausgehendem Mond", mit antiker Staffage: „Raub des
Hylas" (1849, im Besitz des Königs von Hannover), „ein
heiterer Morgen" (1849), „das Innere eines Waldes"
(1850), „ein Sturm" (1850, im Besitz des Königs von
Hannover), „Landschaft bei Terni mit dem Wasserfall"
(1851, desgleichen), „ein Sturm in der römischen Cam-
pagna" (1851, im Besitz des Herrn Sprenger in Krefeld),
„Kloster Sancta Scholastika bei Subiaco" (1852, in der
Galerie des Kunstvereins in Berlin), „Niederländische Land-
schaft" (1852), „Landschaft nach einem Motiv bei Tivoli"
(1852), komponirte mittelalterliche Landschaft mit gothischer
Architektnrstaffage" (1856), vier biblische Landschaften:
„Morgen", „Mittag", „Abend" und „Nacht" mit einer histo-
rischen Staffage: „Geschichte des barmherzigen Samari-
ters" (1857).

Wir könnten die Aufzählung dieser Werke noch bedeu-
tend vermehren, denn es existiren von ihm vielleicht an
300 Gemälde größeren und kleineren Umfangs, aber die
hier bezeichnetcn mögen hinreichen, um seine Richtung zu
charakterisiren. Neben der Malerei beschäftigte sich Schir-
mer mit großer Vorliebe auch mit der Radirung, so
'wie mit der Ausführung von Kohlenzeichnungen, von
denen namentlich seine berühmten „Biblischen Landschaften",
26 umfangreiche Blätter, in einer freien, kräftigen und von
tiefer Empfindung zeugenden Behandlungsweise ausgeführt,
einen bedeutenden Platz einnehmen. Sie stellen vom „Früh-
lingsmorgen im Paradiese" bis zu „Abrahams Begräbniß
im Hain von Mamre" einen Cyklus biblischer Ansichten
und Scene» in chronologischer Aufeinanderfolge dar, deren
figürliche Staffagen zum großen Theil nach den Kompo-
sitionen Schnorr's ausgeführt sind*). Von seinen Ra-

*) Später hat er dieselben auch gemalt. Allein diese Ge-
mälde verloren in etwas durch das hinzutretende Moment des
Kolorits jene einsache Stilstrenge, welche seine Kohlenzeichnungen
anszeichnete. Wir haben ausführlich darüber berichtet (S. Diosk.
Zahrg. 1862 Nro. 4ü. 46. 47. 48.)

dirungen sind etwa 18 Blätter bekannt geworden, die zu
den schönsten Arbeiten dieser Art gehören.

Schirmer hat sich als Künstler stets fern von dem
frivolen Geschmack der Gegenwart gehalten. Seine Kom-
positionen sind edel und meist ernst gestimmt, nie auf frap-
panten Effekt berechnet, aber durch ihre keusche Natur-
wahrheit und tiefe Empfindung für die der Natur selbst
innewohnenden Poesie um so nachhaltiger wirksam. Seine
Technik ist aus denselben Gründen, obwohl höchst gewandt
und voll tüchtigen Verständnisses der Darstellungsmittel,
doch fern von jedem Beigeschmack jener Virtuosität, die
oft erst auf künstliche Weise hineingebracht zu werden
pflegt, vielmehr solide, wenn auch ohne Penibilität. Viel-
leicht hat er in der letzten Zeit etwas von jener reizvollen
Naivetät der künstlerischen Anschauung verloren, die seinen
ersten Gemälden eine so große Popularität verschafft und
die durch eine geistige Vertiefung in eine ideale Sphäre
nicht immer den Mangel an Unbefangenheit verdecken kann,
welcher sich nnwillkürlich mit der beabsichtigten Komposition
historischer Landschaftsmotive verbindet. Aber der gedie-
gene Ernst, dessen Gepräge alle seine Werke tragen, könnte
Manchem unserer heutigen Spekulanten auf frappanten
Farbenefsekt ein Warnungszeichen sein, daß sie sich nicht
zu weit dazu herbeilassen, dem bloßen Augenkitzel des mo-
nientanen Zeitgeschniack zu fröhnen.

Daß gerade durch diese gehaltvolle und strenge Rich-
tung Schirmer mehr als irgend ein Anderer zum Leh-
rer geeignet war, liegt auf der Hand. Schon in Düsseldorf
hatte er sich große und allgemein anerkannte Verdienste um
die Entwickelung der dortigen Landschaftsmalerei erworben,
und wenn auch die meisten von seinen Schülern andere
Richtungen eingeschlagen haben, so werden sie ihm doch
stets für die Grundlegung einer gediegenen und soliden
Vorbildung dankbar bleiben müssen. Nachdem Schirmer
schon im Jahre 1830 als Hülfslehrer an der Düsseldorfer
Akademie wirksam gewesen, wurde er 1839 zum Professor
ernannt und stand seinem Lehrerberufe bis zu dem Augen-
blicke mit unablässiger Sorgfalt und nnermüdetem Eifer
vor, wo er in seine neue Stellung als Direktor der
neugegründeten Großhcrzogl. Kunstschule nach Karls-
ruhe berufen wurde. Dies geschah 1854. In seine Stelle
als Professor der Landschaftsmalerei in Düsseldorf trat
damals der tüchtige Landschaftsmaler Hans Gnde ein.

In Karlsruhe hat nun Schirmer während der kurzen
Zeit seines dortigen Aufenthaltes Bedeutendes geleistet.
Die Kunstschule ist vollständig organisirt und in großer,
stets wachsender Blüthe. Sein Verlust ist für dieselbe
ein sehr herber. Aber nicht blvs für diese seine Schöpfung,
sondern für die deutschen Kunst überhaupt, die er als
einen ihrer würdigsten Jünger pflegte. Gegenüber dem
zum großen Theil frivolen und seichte» Naturalismus,
welcher sich heutzutage in der Landschastsmalerei breit
macht, werden S chirmer's Werke stets eine Mahnung zum
idealen Streben für die kommende Künstlerjugend bleiben.

M. Sr.
 
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