Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0310

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
294

Gefäß in der Hand trägt, dann die 'alkulirende Mathe-
matik mit dem ausgezeichneten Schatz ihres Wissens, und
endlich die bekränzte Poesie und Rhetorik. — Zur Rechten
gewahrt man zunächst die drei anderen Fakultäten, die
strenge Rechtswissenschaft mit Schwert und Waage, die
der König am Arme faßt und zu sich heranzieht; bann
die Medicin mit dem Sinnbilde der Genesung und Ge-
sundheit, der Schlange, die sie aus der Schale tränkt;
ferner die Theologie, in ihren weiten Mantel gehüllt, mit
dem Kreuzesstabe und dem Evangelium. Im Gefolge be-
finden sich die Astronomie mit der Himmclskugel und die
Naturwissenschaft mit einer Zeichnungsrolle und einer kleinen
Bildsäule der Diana von Ephesus in den Händen.

Links von dieser für die Halle des Centralbaucs be-
stimmten Gruppe beginnt nun Rahl die Entwicklungs-
geschichte der Wissenschaften mit einem Bilde aus der alten
mythischen Zeit, mit dem Vater des Menschengeschlechts
Prometheus, der gegen Zeus'Rathschluß seinen hilf-
losen Lieblingen das Feuer vom Himmel bringt, für welche
Wohlthat der Frevler, an den Kaukasus geschmiedet, büßen
mußte, bis Herakles den unersättlichen Geier erlegte.
Darauf folgt der erste Gesetzgeber und weise Begründer
eines geordneten Staats- und Gemeindelebens, Minos
von Kreta, dargeslellt als Herrscher und Richter, der
einen Manu gebunden zum Tode führen läßt, weil er
einem Weibe Gewalt angethan, das mit ihrem Kinde kla-
gend vor dem Könige kniet. Dieser Gruppe reiht sich an
der erste Theologe des Volkes, der Sänger des Helden-
kampfes um den Besitz des schönsten Weibes und der
Irrfahrten und Drangsale von Laörtes Sohn. Homer
ist dargestellt sitzend und bekränzt, mit der Lyra in der
Hand, das Volk für das Hcldeuthum begeisternd. Der
Hirt, der Künstler und Handwerker, und ein Knabe, der
die Gesänge aufzeichnet, gruppiren sich auf der einen Seite
um den Heros der epischen Kunst; auf der andern sicht
eine Jünglingsgestalt, schön wie Achill, nackt, mit Helm
und Lanze bewaffnet, an der Seite seines gerüsteten
Freundes. Zu seinen Füßen ein Weib mit dem Kinde
an der Brust, lauschend den begeisternden Worten, welches
Motiv anzudeuten scheint, daß die Säuglinge schon mit
der Muttermilch jenen Heldengeist getrunken, der in dem
Blütheualtcr des Hellencuthums alle Schichten des Volkes
durchdrang. — Es folgt der größte Philosoph Großgrie-
chenlands und Lehrer der Seclenwauderung, P y th ag o ras
von Samos, in seinem Geleite der erste der griechischen
Weisen, Thales von Milet. Die nächste Gruppe bil-
det Hipp o kr at cs, der auf dem Markte zu Athen die
Kranken zu heilen pflegte. In nachdenkendcr Stellung ans
seinen Stab gestützt, betrachtet er einen Kranken, der auf
einer Bahre vor ihn hingestellt wurde, und der sich mit
Hilfe seines Sohnes zu erheben sucht. Eine Frau kniet,
um Hilfe bittend, vor dem Weisen. Im Hintergründe
erscheinen noch drei Frauengestalteu mit flehender Geberdc.
— Die nun folgende Gruppe ist besonders schön und aus-
drucksvoll. Mit nur sechs Figuren hat der Künstler daö
Solon'sche Zeitalter treffend charakterisirt. Solon, der
die Griechen schwören ließ, seine Gesetze nur bis zu seiner
Heimkehr zu beachten, und sich dann freiwillig und für
immer ans dem Vaterlande verbannte, Solon steht vor

der Säule, auf der seine Gesetze eingegraben sind, und
fordert von den Griechen den Schwur. Vor ihm knien
ein alter Mann und ein Knabe und schwören. Hinter
diesen stehen einträchtig nebeneinander der Sieger bei
Marathon, der Held von Salamis und Aristides der
Gerechte, die Hand zum feierlichen Schwur ausgestreckt.
Rahl hat auf der Gesetzes-Säulc die Vorschrift Solons
deutlich gemacht: „Wer bei einem Bolksanfstande nicht
Partei nimmt, sei ehrlos."

Zur Rechten des Centralbaues beginnt Rahl mit dem
Vater der Geschichte, mit Hervdot, der zu Olympia
seine Geschichte vorträgt. Er zeigt den Historiker auf er-
höhtem Stuhle, von Klio begleitet, von Nike gekrönt.
Vor ihm seine Schüler und Nachfolger, der Führer der
Zehntausend, Tenophon, mit Diagoras, daun der
Knabe Thukydides, der an einen Sitz gelehnt, auf-
merksam dem Vortrage des Meisters lauscht; hinter ihm
zwei olympische Sieger im Wettlauf und im Wagenrennen.
— Hierauf geht der Künstler zum goldenen Zeitalter
Griechenlands über, zur pcrikleischcn Epoche zwischen
den Persersiegen und dem verhänguißvollcn Bürgerkriege,
der die Kraft und den Freiheitssinn des Volkes brach.
Auf künstlich gefügtem, thronartigcm Stuhle sitzt in trau-
licher Eintracht mit der schönen Aspasia der glückliche
Regent der Republik, Perikles, neben ihm bescheiden
im Hintergründe der weise und heldenmüthige Gemahl
der Pantippe. Diesem reiht sich au der Schöpfer des
wunderbaren Zeusbildes zu Olympia und der Schutzgöttin
seiner Vaterstadt, Phidias, und der Dichter der „Anti-
gone", Sophokles. Inmitten steht Plato, die rothe
Binde im Haar, mit erhabner Hand seine Lehre verkün-
dend, hinter ihm Antisth enes, der Redner. Dem könig-
lichen Paare gegenüber sitzt der Naturforscher Anaxa-
g o r a s mit der Erdkugel in der Hand. Athens letzter, genialer
und verderblicher Held, Alkibiades, lehnt sich über
seinen Sessel und hört zerstreut auf die Lehren der weisen
Männer.

Der Erbauer des Parthenon, Jktinus, und Poly-
klet, der Bildner, schließen diese Gruppe, hinter welcher
man, ganz abgeschieden, den Erfinder der Schraube, Ar-
chimedes, gewahr wird, der auf niederem Stuhle, den
Kopf in die Hand gestützt, über ein geometrisches Problem
zu brüten scheint, dessen Figur er mit dem Zirkel auf den
Boden zeichnet. Die Hauptgestalten dieser und der näch-
sten Gruppen, wie die der nächst vorangegangenen, sind
bereits Porträts, welche der Künstler gewissenhaft alten
Denkmälern entnommen hat.

Es folgt nun die alexandrinische Zeit: Aristoteles,
den der Künstler als Naturforscher und Anatomen dar-
stellt, der an einem secirten Vogel seinen Schülern die
Einrichtung des thicrischen Körpers erklärt; in seinem Ge-
folge befinden sich Alexander, Demetrius Phala-
reus, Theophrastus und Straton. Jenseits, und
von der Gruppe abgewendet, erblickt man Demosthenes,
der trauernd über den Fall des Vaterlandes in die Ver-
bannung zieht.

Des letzten Aufflackerns griechischen Geistes vor dem
gänzlichen Erlöschen wird in der letzten Gruppe gedacht.
Sie versinnlicht die Epoche der Nachblüthe in Alexandrien :
 
Annotationen