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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0311

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Ptole maus Philadelphus auf dem Throne, dem die
Rollen der von ihm gegründeten Bibliothek übergeben
werden. An seiner Seite der berühmte Hofdichter Theo -
kritos, der Bibliothekar Erato sthenes und der Gram-
matiker Aristarchos. Damit schließt dieses kulturge-
schichtliche Werk und hat nur noch einen Nachsatz an der
Seitcnwand des rechten Flügels. — Dort erscheint der
heilige Mann, der, nachdem die Seele des Landes ent-
wichen war und die verarmten Götter ihre Heimath zu
verlassen begannen, an der Bahre der schönen Riesenleiche
das Zeichen der Erlösung aufgerichtet hat. Unter den
vier Andächtigen, die auf dem Markte zu Athen vom heil.
Paulus das Evangelium empfangen, ist besonders eine
edle Mannesgestalt bemerkenswcrth, welche Baron Sina
ähnlich ist.

Rahl's Geistesbildung, seine stets lebendige, nie er-
mattende Phantasie, die Fülle und Zeugungskraft seiner
Ideen, die Gabe einfacher, klarer Charakteristik, sein Far-
ben- und Formen sinn, seine volle Herrschaft über die
Darstellungsmittel, in Verbindung mit einer leidenschaft-
lichen Begeisterung für das herrliche Vaterland der Kunst,
für das ganze schönheitstrunkene Hellenenthum, lassen den
Künstler vor Allen berufen erscheinen, ein solches Werk
würdig zu vollbringen.

Das Gerücht hatte sich rasch der großartigen Schö-
pfung bemächtigt und trüg die Nachricht von der kunst-
historischen Bedeutung dieser cyklischen Komposition in's
Weite. Neugier und Interesse drängten nach dem schön
gelegenen Atelier jenseits des Theresianums. Einheimische
und Fremde kamen und priesen das Werk. Je mehr Be-
wunderung dort niedergelegt wurde, desto mehr war jeder
später Kommende besiissen, seinen Tribut nicht ärmlicher
auszustatten.

Einmal fiel, ich weiß nicht mehr wann und von wem,
die Bemerkung, daß der beschränkte Raum dem Künstler
doch bei Ausführung eines solchen Werkes eine drückende

Fessel sein möge. Dem erwiderte Rabl: „Die auch heute
vorherrschende Tendenz, sich in der Kunst aller Bande zu
entledigen, und der Glaube, durch schrankenlos willkürliches
Gestalten sich von einem unberechtigte» Zwang zu befreien,
beruhen auf einer ganz unglücklichen Idee. Denn die
Kraft und die Größe der Kunst kann durch Schranken-
losigkeit nichts gewinnen, sondern weit mehr durch Be-
schränkung. Formlosigkeit führt leicht zur Ideenlosigkeit,
Weitschweifigkeit, Leerheit. Ein gegebenes Hinderniß ist
oft besser als unendliche Willkür. Darum ist der Künstler
glücklich zu preisen, der einen bestimmten Gegenstand in
einem bestinimten Raume darzustellen hat. Die größten
und schönsten Kunstwerke aller Zeiten sind dadurch ent-
standen, daß den Künstlern diese beiden Bedingungen als
Schranken gegeben waren. So lange der Stil der Griechen
sich uni bestimmte klar ausgesprochene Zwecke und Räume
bewegte, hat derselbe an Form, Tiefe und idealem Inhalt
zugenommen. Als aber die Künste ihre volle Selbständig-
keit und Separation erlangten, sind dieselben gleich in
eine Sucht nach äußerlichem Reiz, nach gemachten Bewe-
gungen verfallen, und sind durch übertriebene Wahrheits-
und Schönheitsbestrebungen um ihre höchste Bedeutsamkeit
und Wirkung gekommen. Gleiche Wandlungen hat die
Kunst auch im Mittelalter erlebt. So lange den Künstlern
eine Aufgabe für bestimmte Räume gegeben war, von den
Werken des Giotto in Padua, Rom und Neapel und
denen des Andrea Orcagna im Campo santo zu Pisa
bis zu den Stanzen Rafael's, hat dieser Zwang heil-
sam gewirkt und dem schaffenden Geiste einen tiefen Ernst
und ein hohes künstlerisches Bewußtsein von dem Zwecke
und den Mitteln, ihn zn erreichen, gegeben. In dem Augen-
blick aber, als die Kunst zum prachtliebenden Spiel, zur
planlosen Laune gebraucht wurde, hat sich ihr eigener Geist
verloren, und äußerliche Virtuosität ist au die Stelle des
künstlerischen Gehalts getreten."

(Schluß folgt.)

Korrespondenzen.

si Danzig, Ans. September. (Verein zur Erhal-
tung der a ltcrthümli chen Bauwerke und Kunst-
denkmäler Danzigs.) Danzig zeichnet sich bekanntlich
unter den meisten deutschen Städten dadurch aus, daß es
viel von seinem alterthümlichen Aussehen im Ganzen, in
seinen Straßen und Häusern bewahrt hat, so daß es in
seiner Gesammtheit aus dem fremden Besucher einen Ein-
druck hervorbringt, der wohl einzig in seiner Art dastchen
möchte. Für die hier Bekannten will ich nur auf den
langen Markt (Schultz Radirungen I, 9) mit den reich
geschmückten Fayaden seiner Häuser und dem originellen
Rathhause und ans die östlichen Theilc der Hundegasse,
der Frauengasse, eine der schönsten gothischen Faeadcn
in Ziegelrohbau (Schultz a. a. O. II, 13.), besonders aber
der Heiligegeistgasse aufmerksam machen, die mit ihren
hohen Giebelhäusern, ihren mannigfach variirten Bei-
schlägen mit skulpirten Balustraden, malerischen Treppen,
künstlerischen Geländern aus Schmiedeeisen und den vielen
alten Bäumen, in ihrer Gesammtheit an malerischem
Reiz ohne Gleichen sein dürften. Diese schmalen, hohen
Häuser, deren Front meist nur drei Fenster zählt, deren
Eingang durch sogenante Beischläge, (d. h. ein erhöhter
Balkon mit Sitz vor dem Hause) von der eigentlichen
Straße getrennt sind, tragen durchaus den Charakter des

in sich Abgeschlosiencu, bilden jedes ein Schloß für sich,
ganz entsprechend dem Charakter der stolzen Patrizier^)
dieser einst freien Reichsstadt. Damit übereinstimmend
sind die hohen, weiten, oft reich geschmückten Hausflure
(Schultz a. a. O. I, und II, 12), die in alter Zeit ge-
wiß oft als Versammlungs-Raum der Gäste dienten, die
großen hellen isalons der Belle-Etage und manche andere
für reiche Leute bestimmte und nur für diese brauchbaren
Räumlichkeiten des Hauses. Seitdem Danzig seine Macht
und einen Thcil seines Reichthums verloren, seitdem auch
die Verhältnisse der Stadt gegenüber ihren Umgebungen
sich verändert, ist das Bcdürfniß im Hause ein anderes
geworden. Man hat vielfach geändert, und da bei den
Besitzern der Häuser nicht immer Verständnis^ für die
Schönheiten des Alten vorhanden, ist manches Werthvolle
ohne Grund zerstört worden. Namentlich treten in der
neuesten Zeit, da der Neichthum der Besitzer nicht so
groß, die Nützlichkeits-Rücksichten oft zu sehr in den Vor-
dergrund. Man hat die hohen Räume durch Zwischen-

*) Dieselben zeichneten sich nicht nur durchs ihren Reichthum,
sondern auch durch Intelligenz und tiefe wissenschaftliche Bildung
aus. Vergl. die trefflichen Schilderungen von Th. Hirsch in
den Neuen Preußischen Provinzialblättcrn 1846 Bd. II Z. 165
und 1849 Bd. VII tz. 37.

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