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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0367

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351

lerials und der schnellen Ausführung des Gebäudes er-
scheint diese in der That als ein mäßiger, ja geringer
Betrag, und man mnß die Sorgfalt und Klugheit des
Architekten auf diesem Gebiete in der That ausdrücklich
anerkennen.

Die schon in Angriff genommene Verbreiterung der
Burgstraße durch Ueberbrückung der Spree wird den künst-
lerischen Eindruck deß neuen Börsengebäudes wesentlich
heben. Freilich wäre auch zu wünschen, daß die weitere
Umgebung ihre unerfreulichen Bestandtheile ausscheiden
und sich zum seltenen Ganzen mit den vorhandenen Mo-
numenten vereinigen möchte."

So weit der Berichterstatter, dessen Darstellung —
die urgirten Stellen abgerechnet — wenigstens den Vor-
zug einer auf Sachkenntniß und aufrichtigem Interesse
begründeten Klarheit und Vollständigkeit vor andern Be-
richten der hiesigen Zeitungen besitzt. Ans . eine Be-
trachtung dieser letzteren können wir daher verzichten; nur
können wir zum Schluß unser Bedauern nicht-verhehlen,
daß gerade die sich mit den Interessen der Kaufmannschaft

Kunstberichte

IV.

Daß die Skulptur unter den Belgiern mit dem viel-
fältigen und rührigen Anbau der Malerkunst nicht in die
Schranken gestellt werden kann, ist eine bekannte That-
sache, die dort, wie anderwärts großentheils in den Zeit-
verhältnissen und im Geschmack des Publikums verursacht
ist. Zwar hat man in Marmor und Erz manches kost-
bare Denkmal seit den letzten dreißig Jahren in den großen
Städten und sogar in einigen kleineren aufgeführt; Kir-
chen und Friedhöfe beherbergen manche in vielen Hinsich-
ten lobenswerthe Werke jener Gattung, aber im Sinn
und Verständniß und in der Vorliebe des Volks ist der
Maler, der mit mehrerlei und mit leichter faßlichen Dar-
stellungsmitteln lockt und wirkt, ohne Vergleich im Vor-
theil. Die strengeren, einfacheren und in einigem Betracht
höherartigen Mittel der plastischen Verkörperung finden
nur in geistig höher gebildeten Kreisen des Publikums,
oder bei besonders durch Anlage dafür empfänglichen Per-
sonen den rechten Zugang. Die Zahl der Künstler, welche
das reine, sachlich wahre Formschöne als solches, ohne
den empfindlichen, anregenden Augenreiz der Farben und
des Lichterspiels in fernscheinenden Gründen, zu fassen und
ausdrucksani vorzntragen vermögen, ist heutigen Tages in
keinem Lande eine sonderlich große. Der plastische Bild-
ner muß genügsam und stolz sein; er muß, audcrweite
Reizmittel verschmähend, die Gestaltschönhcit des Lebendi-
gen so zu greifen wißen, daß sie für die künstlerische Be-
deutung seines Werkes sich selbst und ganz genugthue, er
muß sie so steigern, daß er dadurch die volle Wesenheit
des Gegenstandes zur Anschauung bringe. Das sind Er-
fordernisse, die nicht leicht zu erringen sind, und denen der
Sinn des gemeinen Publikums nicht zugethan ist.
Eine blos gelehrte Behandlung der Plastik, durch Nach-
ahmung der Griechen, reicht in unseren Tagen nicht mehr
aus, um dem Bildner einen Freundeskreis zu erwerben.
Die Antike mit ihrer edlen, strengen und gefälligen Zeich-
nung, mit ihrer unvergleichlichen Kunst, die Flächen- und
Körperformen ebensowohl auseinanderznlegen, wie in ein
harmonisches und geschlossenes Ganzes zu sammeln, bil-
det zwar immerfort eine Vorschule für den Lehrling der
plastischen Kunst. Aber überdem fordern wir von ihm
auch die Gabe eigenthümlicher Konception und die Aus-
bildung eines freien Stiles. Die großen Bildner in
Deutschland, wie bei unseren nordischen und südlichen
Nachbaren, sind dadurch groß geworden, das; sie die An-
eignung des Mustergültigen aus der Antike mit indivi-
dueller Ursprünglichkeit in ihren Schöpfungen zu verschmel-
zen wußten. Was Belgien anbelangt, so hat man bis
jetzt einige gute Ansätze im Plastischen wahrnehmen kön-

speciell befassende „Börsenzeitung", die also auch voraus-
sichtlich — wenn auch nicht hierorts, so doch vielleicht aus-
wärts — einigen Einfluß auf die Ansichten in den be-
treffenden Kreisen ausübt, ans wer weiß welchen dunkeln
Motiven, im geraden Gegensatz zu der Nationalzeitung
einen Bericht liefert, der sich nicht etwa blos durch Sach-
unkenntniß, sondern leider auch durch eine hämische und
unwürdige Weise der Kritik — wenn dergleichen noch den
Namen der „Kritik" verdient — anszeichnet. Auf die
darin massenweise vorkommenden Jrrthümer, welche nur
einem selbst den Elementen architekturalen Wissens fern-
stehenden Laien nachgesehen werden könnten, halten wir
um so weniger geeignet an dieser Stelle einzugehen, als
wir eine solche Kritik nur als unter unserer Kritik betrach-
ten können. Sollte indes; der Herr Berichterstatter mit
dieser Abfertigung nicht zufrieden sein, so würden wir ihm
— falls es sich des allgemeinen Zwecks wegen der Mühe
lohnte — mit Vergnügen seinen Standpunkt klar zu ma-
chen suchen, und dem Publikum auch. M. Sr.

aus ''Belgien.

neu, doch läßt sich nicht sagen, daß eine gediegene, ent-
schiedene und bedeutende Richtung schon zum Durchbruch
gekommen sei. Mau ist noch zu viel in einer malerisch-
affektarligen und dramatisch-aufgeregten Anschauungsweise
befangen, die das Besondere stark zu betonen liebt, wäh-
rend der plastische Künstler immer das Ganze des Ge-
genstandes in seiner bleibenden Wahrheit im Auge tra-
gen soll.

Vor drei Jahren hatte in Brüssel Van Hove ein
Broncebild ausgestellt, daß ein Einlenken in eine energi-
sche Bahn erkennen ließ: „die Rache", versinnlicht in der
Figur eines Negers, der, mit einem Dolch bewaffnet, auf
dem Boden kriechend, sein Opfer erlauert, eine Gestalt,
zwar etwas lang gestreckt, aber im Ganzen von glücklichen
Formen, voll Wahrheit und Feuer. Der Künstler erregte
damals begründete Hoffnungen. Wir müssen es daher
bedauern, daß er die Skulptur verlassen hat und zum
Malen übergetreten ist. Sollte er, bei unverkennbarem
Talente, nicht die Aufmunterungen gefunden haben, die
er verdiente? — Unter de» im gegenwärtigen Jahre vor-
handenen plastischen Arbeiten zeichnet sich eine Marmor-
statue in Lebensgröße von Frison aus: „Nais", ein
Frauenbild, gefällig, gut gezeichnet, aber ohne besondere
Neuheit. — Eine Statue in Gyps von Dn Caju: „Ba-
dendes Mädchen" ist naiv und angenehm, zeigt recht ju-
gendliche, etwas schmächtige Körperformen, der hübsche
rundliche Kops scheint im Berhälluiß zu dem schlanken
Leibe nicht völlig zu passen. Dieser Künstler muß noch
ans eine tiefere Kenntnis; der plastischen Formen und Ver-
hältnisse hinarbeiten. — Eine Marmorgruppe von Gccfs,
„Amors Erwachen" ist recht anmnthig, in den Konturen
wohl etwas zu rundlich. — Ein „Kind mit Trauben" von
Jehotte, in Marmor auSgeführt, zeigt kindliche An-
muth. — Bon Fraikin sind drei Marmorstücke geliefert
worden: ein „Kopf der Venns Anadyomene", „Amors
Nachen" und „die gefangene Taube". Wir glauben in
seinen mit Geschick" und Kenntniß gearbeiteten Werken
mehr Intention, als natürliche Grazie zu finden.

Noch erwähnen wir unter den besseren plastischen Ar-
beiten eine wohlgelungene „Büste" von Bonze, den Ni-
colaus Burgnndius, einen berühmten Rechtskundigen vor-
stellend, für den Sitzungssaal des königl. Kassationshofes
zu Brüssel bestimmt; von demselben Meister eine Gyps-
sigur, „Die Freiheit des AssociationSrechtes" vorstellend,
gleichfalls für ein öffentliches Gebäude auszuführen, ein
Gegenstand der wegen seiner gewaltigen Abstraktheit für
die Kunst sehr wenig Zusagendes hat; einen „Trost" von
Rogaerts, Gypsgruppe von zwei Figuren; eine „Mar-
morbüste" von Vaudenkcrckhove. Auch dürfe» wir

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