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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 30.1912

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Westheim, Paul: Neue Räume im Hotel Atlantic in Hamburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.7108#0047

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Neue Räume im Hotel Atlantic—Hamburg.

et

PÖSSENBACHKR WERKSTÄTTEN. ENTW: E. PFEIFFER. Heizkörperverkleidung im weißen Salon.

nicht würdiger hätte geschaffen werden können.
— Man denke sich elektrische Strahlen den
gläsernen Lüster herabrieseln, denke sich, den
Weiß in Weiß gedeckten Tisch, ein halbes
Dutzend festlich gekleideter Menschen, perlen-
des Rebenblut in den Gläsern: die Stimmung
der Leute von Welt, die heute in London
Geschäfte machen, morgen in Paris auf dem
Boulevard gesehen werden und zur Erholung
von Konferenzen und Transaktionen gelegent-
lich eine Spritztour in die östlichen Kulturen
der Inder oder Japaner unternehmen. Dieser
Raum hat ein Pathos, gemessen, feierlich und
doch grazil, ist wuchtig wie ein Stück Barock
und zugleich kicherts mit ausgelassenster Ko-
ketterie aus allerhand Kleinwerk, das ein spie-
lerischer Sinn launig und maßvoll zu verteilen
wußte. Der Geist allerRassen und allerEpochen
hat da Pate gestanden, der Geschmack der
Gegenwart, alles verarbeitet zueinem Ensemble,
das den Zungenschmaus in solchem Räume zu
einem Fest aller Sinne macht.

Man weiß nicht, was man mehr bewundern
soll: die prickelnde Phantasie oder die
Einheit in all der Mannigfaltigkeit. In
beiden Räumen ist spürbar, wie ungezügelt
dieser Pfeiffersche Erfindergeist sich ausspru-
deln möchte, wie er Einfall an Einfall fügt und
doch im gegebenen Moment Maß zu halten weiß.
Das Auge ist ständig angeregt, wird bei jedem
Blick aufs neue beschäftigt, und doch erlebt man
bei aller Freude an den entzückenden Über-
raschungen tief im Inneren die große Harmonie,
die alles in Eins zusammenfaßt.

Weiß läuft ein Paneel um die Wände, ganz
leicht profiliert, die Felder eben nur angedeutet,
ein wenig aus dem Holz herausgeholt, wie es
impressionistische Maler machen, wenn sie die
Kontur ihrer Figuren im Licht verwischen lassen.
Nichts weiter als rhythmischen Takt soll man
spüren. Dazwischen klingts plötzlich einmal
auf, Schnitzmesser und Farbe durften ein Spiel
wagen. Kleine Historien für das Auge sind
aufgetischt: das Vöglein pickt an strotzenden

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