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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 30.1912

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Breuer, Robert: Vom Schmiede-Eisen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7108#0138

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A.USF: JÜL.
SCHRÄM M-
BERT.IN.

VOM SCHMIEDE-EISEN.

Dem Schmiedeeisen ist es nie schlechter ge-
gangen als im eisernen Zeitalter. In den
Jahrzehnten, die der Eisenkonstruktion, dem
Schwungrad und den Schienenwegen zu einem
unerhörten Aufschwung verhalfen, war es wohl
metaphysisch begründet, daß das Walzwerk
und die Nietmaschine den Kunstschmied nicht
aufkommen ließen. Vielleicht war es geradezu
notwendig, die Zierformen, die das vielgeliebte
Gußverfahren in überreichem Maße gestattete,
erst gründlich zu vergessen, ehe daran gegangen
werden konnte, durch den Prozeß des Schmie-
dens, diese edlere Art, das Eisen zu bearbeiten,
einen neuen Stil der eisernen Schmuckkunst zu
gewinnen. Dies Gußverfahren hat ohne Zweifel
sehr gefällige Stücke hervorgebracht. Man
braucht nur der alten Öfen zu gedenken, deren
Seitenplatten in schwachem Relief biblische
Geschichten zeigen, Schildereien von rührender
Naivität, genau so spröde, wie der Bruch solch
eines Gusses. Oder man erinnere sich der
Vasen und Engel, die auf zierliche Postamente
als Grabmal gestellt wurden und noch heute,
vom Rost gefärbt, vom Epheu umrankt, den
ängstlichen Geist jener armen Zeiten des Ra-
tionalismus und des biederen Bürgertums zag-
haft deuten. Oder: die aus Eisen gegossenen
Ringe, die den Frauen der Freiheitskriege für

goldene gegeben wurden, oder die eisernen
Neujahrskarten, die man sich sandte zum Zeichen
dafür, daß man unter dem Eisernen Kreuz stand.
Das alles hilft, die eigenartige, beinahe aske-
tische Stimmung des Gußeisens, wie es in der
guten alten Zeit, neben dem Mahagonimöbel
und der papierenen Silhouette die Großväter
vergnügte, recht erfassen. Man muß nun aber
wissen, daß diese Naivität des Gußeisens mit
der Zeit lästig wurde und entartete. Es wurden
die großen Räder der Maschinen mit gotischen
Speichen geschmückt, auch Fialen und Kreuz-
blumen, säuberlich zugerichtet, wurden den
Dampfmaschinen zur Zier gegossen. Als dann
die ersten Eisenhallen gebaut wurden, glaubte
man die Träger wie Säulen gestalten zu müssen ;
man goß dorische und ionische und die reichsten
korinthischen Kapitäle, dazu naturalistische
Guirlanden und Fruchtkränze. Das waren die
Zierformen des Eisens. Man versteht sehr gut,
daß der unbewußte Wille des Zeitstiles darauf
aus sein mußte, die nüchterne Zweckform des
neuen, des universalen Konstruktionsmaterials
rücksichtslos von allem Ballast zu befreien. Die
T- und die U-Eisen mußten über die gegossenen
Kapitäle siegen; und erst nachdem der Ingenieur
zu seinem vollen Recht gekommen war, konnte
die Schmiedekunst wieder neu erstehen. Der

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