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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 30.1912

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Kleine Kunst-Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7108#0151

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KLEINE KUNST-NACHRICHTEN.

APRIL 1912.

DIE „STÄTTEN DER ARBEIT" IN DERMALEREM
Die Galerie von Ernst Arnold in Dresden
hat Mitte März eine Ausstellung- eröffnet, die zum
ersten Male ein Gebiet im Großen beleuchtete, das
bis dahin völlig abseits von jedem durch die Tra-
dition überkommenen Programm künstlerischer
Tätigkeit gestanden ist. Menzels „Eisenwalzwerk",
Meuniers Plastiken und Gemälde haben wohl schon
früher das Thema der Arbeit angeschnitten, indes
bedeuten diese Versuche im Vergleich zu dem,
was die heutige Kunst an neuen Werten dem
Reich der „schwarzen Erde" entlehnte, Ansätje, die
lediglich den Anfang einer vielgliedrigen Entwick-
lungskette bezeichnen, deren Ende heute über-
haupt nicht abzusehen ist.

Die Dresdner Veranstaltung wollte nicht so sehr
den Umfang eines Gebietes dartun, das sich bisher
wohl der Einsicht der meisten Kunstfreunde völlig
entzog, sondern weit wichtiger und wertvoller ist
die durch diese Ausstellung dargebotene Möglich-
keit, festzustellen, bis zu welchem Punkte die Kunst
im einzelnen das Thema der Arbeit innerlich ver-
arbeitet, d. h. künstlerisch gesteigert hat. Solange
sich nämlich der Maler diesen neuen, erst durch
unser Jahrhundert gewiesenen Vorwürfen wie der
Illustrator naht, um schlecht und recht die Wirk-
lichkeit zu kopieren, solange hat er von dem
eigentlichen Geist, der diese Stätten fast zu Sym-
bolen der Weltentwicklung macht, nichts empfun-
den, so grandios auch das Motiv im einzelnen
Falle, so reich auch alle Bewegung in diesem
Meer der Arbeit sein mag. Denn eigentlich spricht
ja schon die Tatsache, dag diese Arbeit Bewegung
ist, daß sie zugleich den Triumph der Intelligenz
mit den dynamischen Kräften der Erde verbindet,
für ihre besondere künstlerische Verwertung, und
es braucht garnicht einmal daran erinnert zu wer-
den, daß kommende Geschlechter in dem, was
diese Arbeit geschaffen und an Zeugnissen hinter-
lassen hat, ähnliche Dokumente im Werden der
Zeiten empfinden werden, wie wir Heutigen etwa
in den Bauten, die das Mittelalter hinterließ. —
Man könnte noch vieles anführen, um darzutun,
warum einerseits die Kunst diesen Ausdruck unserer
Zeit, wie er in der Industrie gegeben ist, als neues
Motiv aufgreifen mußte und wo andererseits die
Malerei anzusehen hat, um das Thema wirklich
künstlerisch zu erschöpfen. In erster Linie dürfte
es immer wieder die Bewältigung der Kontraste
sein, die dem Pinsel des Malers Schwingung gibt,
dann muß die Erscheinungswelt selbst zur äußer-
sten Reduktion der äußeren Mittel nötigen, endlich
aber ist es die Idee selbst, die den Schaffenden

zu den Stätten der Arbeit hinführt. Der reinen
zeichnerischen Komposition erwächst die Aufgabe,
aus einer Summe von Linien und Bewegungen
den bezwingenden Eindruck des Momentes heraus-
zuholen, so wie es etwa der Engländer Brangwyn
auf seinen Blättern getan hat. Der Farbenkünstler
dagegen wird immer wieder auf die Harmonisierung
der einzelnen Effekte und auf den Rhythmus aller
Bewegung bedacht sein. Wie immer man aber
diese neuen Aufgaben der Kunst aufgreift, das
Letjte, das der Seele des Schaffenden Schwingung
verleiht, wurzelt doch in der Erkenntnis, daß sich
in diesen Motiven der schwarzen Erde der Sieg
des menschlichen Erfinderdranges über die ele-
mentaren Kräfte der Natur verkörpert und daß sich
eben hier Werte ankündigen, die auch bestimmend
über der Zukunft stehen.

Wenn die Dresdner Ausstellung einen Schluß ge-
stattet, so marschiert die deutsche Kunst heute bei
der Bewältigung dieser neuen Aufgaben unbedingt
an der Spitje. Und es haben fast ausnahmslos die
Besten des jungen Deutschland zur Bereicherung
des Themas beigetragen. Neben Meistern wie
Bracht und Sterl, die schon früh auf dem Gebiete
der Arbeit ihr besonderes künstlerisches Dorado
entdeckten, sind Künstler wie Carlos Grethe, der
verstorbene Stuttgarter Hermann Pleuer mit seinen
Bahnhofsveduten, der Berliner Leonhard Sandrock
mit seinen Hafenbildern zu nennen, alles Maler,
für die die Stätten der Arbeit geradezu eine Spe-
zialität ihres Schaffens bedeuten. Der Münchner
Hummel versteht es ähnlich ausgezeichnet, der
Welt der Hochöfen ihre feinsten koloristischen
Reize zu entlocken und den Rhythmus der Ele-
mente durch die Kraft seines Pinsels zu meistern.
Vor allem sind es aber die jüngeren Künstler, die
das Neuland eigentlich entdeckt haben; Maler, wie
die Münchner Walther Klemm und Frirj Osswald
oder F. Gaertner, die - so verschieden sie auch
als Persönlichkeiten ansprechen - doch mit dem-
selben Temperament das Problem aufgegriffen
haben. Auch unter der jüngeren Berliner Maler-
Generation sind zahlreiche Künstler dem Thema
nachgegangen; so W. Rösler mit der inneren Glut
nach neuen malerischen Erlebnissen, so Paeschke,
Peiser, Goebel u. a. mit dem sieghaften Bewußt-
sein, daß auch unsere Zeit nach typischen Aus-
drucksformen verlangt. Und noch viele andere
wären zu nennen, (Meid, Heckendorf, Gallhof, Gart-
mann gelten als Noten für sich), wollte man nur
eine Liste derjenigen Künstler aufstellen, die nach
unserem Gefühl über die Illustration längst hin-
ausgewachsen Sind. GEORG BIERMANN.

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