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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 30.1912

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[Kleine Kunst-Nachrichten]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7108#0221

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Kleine Kunst-Nachrichten.

DIE NEUORDNUNG DER NATIONALGALERIE.
Als Tschudi ging, konnte man einen Augen-
blick fürchten, daß die Nationalgalerie wieder zu-
rückfallen würde in den Zustand einer militärischen
Ruhmeshalle und eines akademischen Mausoleums.
Das ist nicht eingetreten. Justi hat sich als ein
verständiger Fortführer des angefangenen Werkes
erwiesen. Mit kluger Diplomatie und beachtens-
wertem Willen befreite er die Galerie noch ent-
schiedener von ererbtem Ballast, und, was noch
wichtiger ist, er ging daran, das Haus endlich ein-
mal benutzbar zu machen. Das war es bisher
kaum. Es bestand zum größten Teil aus Treppen-
häusern, Korridoren, breiten Galerien und unge-
schickt großen Sälen. Es war ein Haus der Re-
präsentation, aber völlig ungeeignet, Bildern des
neuen bürgerlichen Formates Unterkunft zu geben.
Es hatte die unglücklichsten Lichtverhältnisse, die
man sich nur denken kann. Bei allen Räumen des
Untergeschosses sah man im Hineintreten gegen
das Licht; erst nachdem man die Blendung über-
wunden und glücklich einen Ort der Betrachtung
gefunden, konnte man die Bilder genießen. Dieser
Zustand war besonders peinlich bei den radial um
die Apsis gelagerten schmalen Kabinetten. Recht
unangenehm war und bleibt leider auch die lange,
quergestellte Vorhalle des Untergeschosses; sie
bekommt das Licht von links und rechts, und Pla-
stiken, die das Unglück haben, in der Mitte zu
stehen, zeigen auf der Nase den gefürchteten
schwarzen Strich. Mit dem allen hat nun Justi
aufgeräumt, wenigstens ist er dabei, es zu tun.
Er teilte die unnüt; großen Säle in kleine Kabinette;
er verlegte den Umgang an die Fensterwand und
läßt nun die Räume, umgekehrt wie bisher, sich
mit dem Lichte öffnen. Dazu war es nötig, die
breiten Korridore zu den einzelnen Abteilungen
hinzuzuschlagen; dadurch wiederum gewann Justi
ein bedeutendes Mehr an nutzbarer Wandfläche.
Diese Veränderungen sind einschneidend; sie wer-
den sich ohne Zweifel als sehr heilsam erweisen.
Daß sie erst vollzogen worden sind, nachdem das
Haus bereits mehrere Jahrzehnte in der Blüte seines
Dekorationsstiles dastand, ist beinahe grotesk.
Wenn man der Säulen und marmornen Feierlich-
keiten gedenkt, die jetjt durch rupfenbespannte
Rahmen verdeckt sind, möchte man lächeln. Man
begreift die Möglichkeit dieses verirrten Baues auch
nur, wenn man seine Geschichte kennt. Den Archi-
tekten, den nachschinkelschen Akademikern Stüler
und Strack, war es nicht möglich, der geforderten
Tempelanlage einen Museumsgrundriß zu geben.
Erst Justi machte den Sakralbau irdisch brauchbar.

Auch sonst hat Justi wichtige Änderungen
vollzogen. Im Obergeschoß nahm er die Fres-
ken der Casa Bartholdy aus ihrem bisherigen
Zimmer, in dem sie versprengt und gegenein-

ander in ganz falschem Verhältnis zu keiner
rechten Wirkung kamen. Künftighin werden sie
in einem Zimmer hängen, das genau die Abmes-
sungen des Saales zeigt, an dessen Wände Over-
beck, Cornelius und Veit sie einst malten. Außer
diesem Tabernakel der Nazarener hat Justi im
Obergeschoß noch kleinere Kabinette für Schinkel,
Johann Christian Reinhardt und Max Klinger vor-
gesehen; jeder dieser Räume soll auch in der Höhe
Abmessungen erhalten, die den zur Schau gestell-
ten Werken und deren Zeitcharakter entsprechen.

Die Sammlung Grönvold, die vorläufig herge-
liehen ist und dort, wo die Franzosen hingen, Plat3
gefunden hat, gehört zu dem Schönsten, was die
Nationalgalerie an deutscher Kunst zu zeigen hat.
Ihr Hauptbestand sind die Bildnisse, die Friedrich
Wasman (1805-1886) während seines Tiroler Auf-
enthaltes malte. Bernt Grönvold hat diese Schäle
in der Gegend von Meran entdeckt. Die Bildnisse
zeigen eine bewundernswerte Kraft des Psycho-
logischen, vereint mit einem starken Gefühl für
das Dekorative und einer zärtlichen Freude an
still-musizierenden Farben. Ein jedes dieser Bilder
ist eine unvergeßliche Menschenschilderung; selbst
da, wo die Qualität der Malerei ein wenig nach-
läßt, bleibt noch als ein echtes Charakteristikum
des Nazarenertums (dem auch Wasman gehörte)
der geistige Gehalt, im Bildnis ebenso wertvoll,
wie unerträglich bei absichtlich gewollten Szenen.
Die meisten der Porträte sind in Tempera gemalt
und sehr delikat mit echter malerischen Sinnlich-
keit, mit einer adeligen Freude am Vollendeten
durchgeführt; eines, das Porträt einer alten Bäue-
rin, malte Wasman mit Ölfarbe und ließ sich
dabei durch das leicht flüssige Mittel zu einer
Heftigkeit der Darstellung begeistern, die, wie Karl
Scheffler in seinem soeben erschienenen pracht-
vollen Katalog der Nationalgalerie sagt, von fern
an van Gogh erinnert. br.

£

DARMSTADT. Das Städtische Ausstellungs-
gebäude auf der Mathildenhöhe beherbergt
bis Mitte Juli eine Ausstellung von Werken einer
neuen kunstgewerblichen Technik. Es handelt sich
um transparente Fensterbilder und ganze Fenster,
die statt aus Glas aus dünn geschliffenen farbigen
Marmorplättchen und -Platten hergestellt sind. Das
Verfahren, eine Erfindung des Herrn Dr. A. Pfaff
in Oberlahnstein a. Rh., verlangt zwar komplizierte
maschinelle Vorrichtungen, peinlich exaktes Arbeiten
und große künstlerische Schulung, aber es ermög-
licht auch Wirkungen von ungewöhnlicher Schönheit.

Die ausgestellten Proben sind treffliche Belege
der vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten des
prächtigen Materials, das durch die Reize seiner
Struktur und die Eigenart seiner Farbtöne die
schönsten Glasflüsse zu übertreffen vermag, r.

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