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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 30.1912

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Kleine Kunst-Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7108#0090

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KLEINE KUNST-NACHRICHTEN.

MÄRZ 1912.

BERLINER SCHMERZEN. Das Geheimnis der
Opernhaus-Entwürfe ist uns nun endlich ent-
hüllt worden. Von „Architektur" kann ja nach
dem Programm, das eine möglichst antiquarische
Formensprache forderte, und nach der Auswahl
der Bewerber keine Rede sein. Schinkel, Knobeis-
dorff, ein Häppchen Nationalgalerie, ein Portiön-
chen Altes Schauspielhaus, Säulen, noch mal
Säulen, als Schnürbodenverkleidung zur Abwechs-
lung eine griechische Tempelfassade sind kompi-
liert worden. Im Innern gibts statt eines wohn-
lichen Zuschauerraumes wieder die fünf Ränge,
wieder das monumentale Treppenpathos, wieder das
höfische Barod<gepränge. Es scheint also nicht nur
räumlich eine Fortsetjung der Siegesallee werden zu
wollen. Die Aussicht, daß wenigstens irgend eine der
Anregungen, die Schmiß, Möhring und andere ge-
legentlich des Groß-Berlin-Ausschreibens gegeben
haben, genügt würde, ist ja längst aufgegeben.
Die Klage, daß bei dieser außerordentlichen Ge-
legenheit die gesamte deutsche Architektenschaft
wie ein Nichts übersehen und übergangen wird,
ist ungehört verhallt. Nach den Mitteilungen, die
jetjt den preußischen Landboten gemacht worden
sind, damit sie wieder 80000 Mark bewilligen,
ist es ziemlich sicher, daß dieses größte Bauwerk
als Privatarbeit des Ministeriums ausge-
führt wird. Jedenfalls hat man sich neben den
sechs oder sieben aufgeforderten Projektemachern
den Geheimrat Gruber verschrieben, dessen Vor-
schläge vor der Budgetkommission auffällig leb-
haft belobigt wurden, ebenso auffällig wie die
Littmannsche Fassade. Die Fassade aus München,
der Baukörper aus dem preußischen Ministerium
bezogen, das dürfte also das Schicksal des neuen
großen Opernhauses sein, mit dem die Berliner
beglückt werden. Von Begeisterung ist unter ihnen
merkwürdigerweise noch nichts zu spüren. - Wo-
hingegen es einige Erregung gab, als der neue,
auf Betreiben von Werner Hegemann gegründete
Ausschuß „Für Groß-Berlin" mit unanfecht-
baren Zahlen das Berliner Wohnungselend nach-
wies, als er unter Führung von Dernburg, Nau-
mann, Südekum, Dominicus u. a. an die Massen
appellierte zur Wahrung der allgemeinen Inter-
essen in dem neuen Zweckverband. In erster Linie
sind da ja soziale, hygienische und wirtschaftliche
Forderungen durchzusetzen. Aber sie alle sind
aufs engste verknüpft mit architektonischen. Der
Wortführer der Architektenschaft innerhalb dieses
Ausschusses ist Geheimrat Muthesius, der vor
allem eine Berücksichtigung der modernen Städte-

bau-Errungenschaften verlangte. Die Herren, die
vor mehr denn 20 Jahren ausgelernt haben, sind
hier durchaus nicht am Platze. Die jüngere Städte-
bauer-Generation darf bei dieser letzten Gelegen-
heit nicht noch einmal übergangen werden. Die
trefflichen Resultate, die durch sie in einzelnen
Gartenstädten und Arbeitersiedelungen erzielt wor-
den sind, müssen nun endlich auch dem bürger-
lichen Mittelstand zu gute kommen. Beim Bau
seiner Wohnungen, bei der Herrichtung der städti-
schen Mietshäuser sind die wirklich bedeutenden
Architekten heute prinzipiell ausgeschaltet zu
Gunsten der Mittelmäßigkeit. Mit der Durch-
führung eines Generalbebauungs-Planes ist eine
Reform der gesamten Baupolizei-Vorschriften zu
verknüpfen, damit z. B. nicht wie seither in den
westlichen Villenorten Kellerwohnungen geradezu
gezüchtet werden. p. w.

St

BERLIN. Das neue Lepkehaus. Es handelt
sich hierbei nicht nur um einen Neubau, viel-
mehr um ein Symptom: Berlin ist internationaler
Kunstmarkt geworden. Der stolze Palast, den
Lepke sich baute, ist ein nachträgliches Denkmal
für den Erfolg der Auktion Lanna, ist zugleich ein
Hinweis auf kommende Ereignisse von der Art der
Auktion Weber, mit der das neue Haus eingeweiht
wurde. Die 600 000 Mark, die Paris für den Man-
tegna zahlte, waren das vorgeahnte Thema, dem
das Bureau des Architekten Wollenberg die Form
baute. Ein repräsentativ zubereiteter Klassizismus
im Schmuck dorischer Säulen, bereichert durch
lebensgroße Steinfiguren, ist an der Fassade zu
sehen; um einiges verringert, gerade dadurch ge-
steigert, treffen wir die gleiche Ait im Hof, über
den man gehen muß, um in das eigentliche Auk-
tionshaus zu kommen. Man tritt in das Vestibül
und kommt in ein Treppenhaus, dessen Ab-
messungen an einen Palast, dessen flirrende Effekte
an eine barocke Schaßkammer denken lassen.
Gewiß, es ist dieses neue Kunstauktionshaus
wiederum ein Fanal des metropolen Berlins.
Indessen, ob nicht dahinter, wie überhaupt hinter
der Hausse im internationalen Kunsthandel eine
Enttäuschung bereitet ist. Eingeweihte wissen schon
heute von dem Kaßenjammer, den die Auktion
Weber manch einem bescherte. Von uns aus ge-
sprochen, haben wir für solch Unwohlsein wenig
Bedauern. Uns dünkt die Organisation des Alt-
handels minder wichtig, als die Pflege des Leben-
digen. Wobei wir keineswegs vergessen, daß alle
wahren Werte ihr Leben in Ewigkeit behalten, uk.

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