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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 30.1912

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Breuer, Robert: Arbeiter-Möbel von Peter Behrens
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https://doi.org/10.11588/diglit.7108#0144

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PROFESSOR PETER BEHRENS MERLIN.

Wohnzimmer einer Arbeiterwohnung.

ARBEITER-MÖBEL VON PETER BEHRENS.

Vergangenen Jahres konnte hier von der ersten
Tätigkeit der Kommission für vorbildliche
Arbeiter-Wohnungen berichtet werden; sie hatte
im Berliner Qewerkschaftshause ihre erste Aus-
stellung veranstaltet. Damals zeigte sie Möbel
nach Entwürfen von Hermann Münchhausen; nach-
dem sie damit einen sehr beachtenswerten Erfolg
gewann, bringt sie für dieses Jahr eine Type, die
Peter Behrens schuf. Sie kam damit um ein
Erhebliches ihren Absichten näher. Allein die
Tatsache, daß ein Architekt, der gewohnt ist der
industriellen Arbeit Häuser von gewaltigen Ab-
messungen zu bauen, die Aufgabe, simple Arbeiter-
möbel zu machen, nicht für zu unwürdig hielt,
zeigt die Innigkeit des Zusammenhanges solcher
scheinbaren Nichtigkeit mit dem Kampf um die
wesentliche Ausdruckform der Zeit. Wenn es sich
um nichts anderes handelte als darum, wieder
einmal ein nettes und neues Möbel zu erlangen,
so wäre das zwar reizvoll; man würde sich aber
kaum berechtigt glauben, einem Bezwinger großer
Baumassen und einem Ausdeuter des industriellen
Geistes solche vergängliche Forderung der Stunde
zu stellen. Es handelt sich aber um etwas viel
Größeres. Es soll die bleibende Form für das

Wohnbedürfnis der umfassendsten Volksschicht,
damit also ein wesentlicher Bestandteil des neu-
deutschen Stils gefunden werden. Man besinne
sich, was das für Inhalte sind. Das Schloßmöbel
der französischen Louis, das Bürgermöbel aus dem
Anfang des neunzehnten Jahrhunderts, das schles-
wig-holsteinische Bauern- und Schiffermöbel. Wie
fassen solche Begriffe rund und voll eine ganze
Welt; man sieht, wie durch einen Zauber, das Ge-
schlecht der Menschen, das zwischen diesen Ge-
räten wohnte. So gibt es also, ungeachtet aller
Variationen und Individualitäten, kompakte Gat-
tungen. Das ist es, was die Forderung nach einem
modernen Arbeitermöbel erstreben möchte: den
umfassenden, unvergänglichenStil. Der Stil wächst
aus der Not und aus dem Instinkt der Masse; er
wird zur Welt gehoben durch Persönlichkeiten.
Einst waren die Könige so etwas wie Masse; sie
trugen in sich alle Keime der Zeit. Nun ist die
Masse wirklich vielköpfig geworden; das Heer der
modernen Arbeiter harrt seines Stiles. Dieser Stil
des Arbeiters muß kommen, genau so, wie der
Stil des neudeutschen Bürgers auf dem Marsch
ist. Wie dieser aber gerade in den besten künst-
lerischen Kräften der Zeit seine Pioniere fand, so

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