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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 30.1912

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Widmer, Karl: Ist der Bahnhofsbau eine Aufgabe der Monumental-Baukunst?
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https://doi.org/10.11588/diglit.7108#0069

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Ist der Balinliojsbau eine Aufgabe der Monumental-Baukunst?

DETAIL DER DECKE IN VORSTEHENDEM RAUM.

AUSFÜHRUNG DES LEUCHTERS: F. L. SCHULZ BERLIN.

Zum künstlerischen Problem einer Bauform
gehört aber auch die Ausführung: die Archi-
tektur im engern Sinn, die formale Behandlung
des Äußern, womit namentlich die Material-
frage aufs engste zusammenhängt.

Das ist aber der Punkt, in dem die herrschen-
den Anschauungen so, wie sie in der Theorie
und in der Praxis zum Ausdruck kommen, von
der Lösung des Problems noch weit entfernt
sind. Der Grund mag vor allem in der üblichen
Arbeitsteilung liegen. In den meisten Fällen
bekommt der Architekt den Grundriß fertig
vorgelegt. Der praktische Teil ist auf den tech-
nischen Bureaus der Bahnverwaltung erledigt
worden, oft bis auf die Vorschriften über Ein-
zelheiten wie Tür- und Fenstergrößen. Infolge-
dessen wird die Fassade ein Ding an sich. Ihre
künstlerische Bedeutung wird leicht überschätzt.
In Form und Material wird ein möglichst großer
Aufwand getrieben und dieser Aufwand damit
gerechtfertigt, daß der Bahnhofsbau als eine
Hauptaufgabe für die Monumentalbaukunst

in Anspruch genommen wird: als Mittelpunkt
des modernen Lebens und „Wahrzeichen der
Zeit im Zeichen des Verkehrs" usw.

Nun sprechen ja gewiß manche Gründe für
diese Auffassung. Vor allem der, daß der Haupt-
teil des Empfangsgebäudes, die Eingangshalle
in der Tat ein Raum von monumentalen Di-
mensionen ist. Ferner, daß der Bahnhof mei-
stens an einem großen öffentlichen Platz, oft an
einem Knotenpunkt der bevorzugtesten städti-
schen Straßen liegt und daß deshalb schon seine
Umgebung einen monumentalen Mittelpunkt,
der eben der Bahnhof selbst ist, verlangt.

Aber gegen die Konsequenz, daß man des-
halb Monumentalwerke im Sinne wuchtiger,
massiver Steinbauten mit einem kostbaren Auf-
wand von Material und Formbehandlung er-
richtet, sprechen viel schwerer wiegendeGründe,
teils künstlerischer, teils praktischer, vor allem
wirtschaftlicher Natur.

Von einem Monumentalbau erwartet man
doch logischer Weise, daß er für die Dauer,

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