Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 30.1912

DOI Artikel:
Stiller, Richard: Maler Hans Unger
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7108#0094

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
MALER HANS UNGER-LOSCHWITZ.

VON RICHARD STILLER.

Auf der internationalen Kunstausstellung in
.Dresden 1897 erschien Ungers bekanntes
Gemälde: Die Muse. Tiefgrün ist ihr Gewand,
ihr braunes Haar wogt im Sturm, in der Linken
hält sie die Leyer, begeistert blicken die dun-
keln Augen, hinter ihr braust das Meer unter
schwer bewölktem Himmel. Das Bild ist Eigen-
tum der Dresdner Gemäldegalerie. Der hohe
Schwung und die aus dem Innersten quellende
Begeisterung, die in diesem Werke seiner Früh-
zeit mit jugendlicher Leidenschaft auflodern,
durchglühen auch, in langen Jahren fortschrei-
tender Entwickelung mannigfach gewandelt, ge-
klärt und gereift, alle seine späteren Werke.

Einen Saal voll vibrierender Farbenglut und
leuchtender Schönheit schuf Unger-1908 mit
einer stattlichen Sammlung in der Galerie Ernst
Arnold. Und als er zwei Jahre später densel-
ben großen Raum wieder mit neuen Werken
füllte, kam noch eindringlicher als bisher ihr be-
deutender Schmuckwert zu Bewußtsein. Sie
schmückten und machten den Raum zum Fest-
saal, der den kühlen Besucher zum frohen Gaste
stimmen konnte. Im Wesen seiner Schöpfungen
liegt diese Eigentümlichkeit begründet. Denn

1912. VIII. I.

seine Kunst, die gemessen und feierlich, traum-
haft und pathetisch, glühend und blühend in
Bildern mit ganzer Hingabe geschaffen und köst-
lich gefaßt zu uns spricht, ist wieder die, welche
erhobenen Hauptes über die Erde schreitet.
Nicht der Alltag, im Treiben und Ruhen, vom
Lichte verklärt und zum Charakteristischen ge-
steigert ist ihr Bereich, sondern was darüber
hinausragt, das Sonntägige; was sich darüber
erhebt, das Erlesene, womit die Natur uns nur
in seltenen Gaben beglückt; das Ideal, dem
wir Leben aus unserer eigenen Seele geben;
Schönheit, erlösende Schönheit.

Was alles auch im langen Laufe der Kunst-
entwickelung der stets wechselnde und heut so
vielgestaltige Geschmack der Zeit als allein
preiswürdig verkündet haben mochte, immer
war es doch wieder die auf die Vollkommen-
heit der Erscheinungsformen in der Natur ge-
gründete Harmonie, die in die Träume der
Menschen trat und schließlich immer wieder
das Ziel ihres Sehnens wurde. Das Verlangen
nach Adel der Form, nach Glanz und Reich-
tum der Farbe, nach edeler Größe, festlicher
Würde und heiterer Pracht, nach der Schön-

st
 
Annotationen