Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten (30.1912)

Münchner Frühjahrs-Secession.

OTTO WYLER—AAR AU.

»Jugendfest in Aarau«

wegen mit der unbestechlichen Klarheit seiner
Atmosphäre gilt als „unmalerisch". Und gerade
dadurch wurde es für Seyler eine Rettung. Es
galt eben nur, das „malerische" Vorurteil fallen
zu lassen, die ungemein kräftigen „Gegeben-
heiten" der nordischen Landschaft mit frischem
Auge zu sehen und mit den einfachsten, schla-
gendsten Mitteln wiederzugeben, und der Weg
in ein neues, ungemessenes Land künstlerischer
Ausdrucksmöglichkeiten war aufgetan.

Bei anderen hat sich der Übergang zu einer
einfacheren, subjektiveren Ausdrucksweise an-
ders vollzogen. Sie haben sich an irgend eines
der marktgängigen Vorbilder gehalten, an denen
ja kein Mangel ist, und haben auf diese Weise
immerhin auch eine Art Befreiung und innere
Loskettung erlebt. Bei Carl Schwalbach ist
es vielleicht Hodler gewesen, bei Max Unold

vielleicht Camoin, bei anderen andere. Auf
jeden Fall aber gilt es, sich der einen unum-
stößlichen Tatsache nicht zu verschließen: Der
„Expressionismus", die radikale Subjektivie-
rung der Ausdrucksmittel ist im Marsche. Nichts
wird die Entwicklung hindern, zunächst auf
diesem neuen hoffnungsvollen Wege einige
Etappen zurückzulegen. Eine Unzahl Snobs
wird tamtamschlagend mitlaufen; Legionen
von Unberufenen werden ihr Möglichstes tun,
um die neue Freiheit durch mißbräuchliche
Ausnützung in Verruf zu bringen; Schwarzseher
jeder Art werden, wie sie es teilweise schon
jetzt getan haben, dem schon so oft gesungenen
Liede vom Ende der Malerei eine neue Strophe
anfügen. Aber der gute Kern der jungen Be-
wegung wird sich früher oder später allen Ver-
ständigen enthüllen: Die fortschreitende Be-

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