ERNST Ol'PLER—BERLIN.
»TENNIS IN DEN DUNEN«
DIE 24. AUSSTELLUNG DER BERLINER SECESSION.
VON DR. EWALD BENDER.
In jedem neuen Frühjahr, wenn die Secession
mit jener grotesken Unfeierlichkeit, die nun
bereits historisch geworden ist, ihre Ausstellung
eröffnet, holt der Kritiker seine alte Frage her-
vor. Soll man diesmal Ernst machen oder
nicht ? — Es ist gewiß immer noch nicht an der
Zeit! Solange am Lehrter Bahnhof noch „ große
Kunstausstellungen" gemacht werden, hat man
die Pflicht, eine zwar höchst gebrechliche, aber
immerhin von denResten früherer künstlerischer
Prinzipien lebende Gruppe zu stützen. Diese
Pflicht wird mit jedem Jahre schwerer, bleibt
aber leider aktuell. Wir können die Secession
noch nicht entbehren, so ist ihr Anspruch auf
Existenz unbestreitbar. Aber vorbei ist es mit
ihrer Führerrolle unter den Ausstellungen des
Jahres. In Dresden, Köln, Leipzig hat man
jenes Verständnis und jenen Weitblick in den
künstlerischen Fragen der Zeit bewiesen, die
der Secession als der Erbin einer großen Ver-
gangenheit hätte vorbehalten sein müssen. Es
ist leider wahr, daß die Berliner Secession
nicht mehr das künstlerische Gewissen der
Deutschen genannt werden darf, ja daß sie kaum
noch ihre Mission für Berlin erfüllt. Man sagt
es mit Bitterkeit; es zu verschweigen, wäre
verächtlich. — Kann man aber ernsthaft an
ihrer Lebensfähigkeit zweifeln? Wir kennen
doch zum mindesten ein Dutzend jüngerer star-
ker Talente in Berlin, und noch leben auch die
Alten. Diese allein könnten die Secession
halten und in einer neuen Art zu der Höhe ihrer
Vergangenheit führen. Freilich bedürfte es des
Mutes zu einer Reorganisation, einer Refor-
mation an Haupt und Gliedern, besonders aber
— am Haupt. Wie ist es möglich, daß gewisse
mittelmäßige Künstler nun schon seit Jahren
das Niveau der Ausstellungen so unheilvoll be-
einflussen, während andere, die nicht nur durch
hohe künstlerische Leistungen die Existenz der
Secession überhaupt ermöglichen, sondern auch
den Willen zum Besseren haben, nicht hervor-
191a. xi. l.
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»TENNIS IN DEN DUNEN«
DIE 24. AUSSTELLUNG DER BERLINER SECESSION.
VON DR. EWALD BENDER.
In jedem neuen Frühjahr, wenn die Secession
mit jener grotesken Unfeierlichkeit, die nun
bereits historisch geworden ist, ihre Ausstellung
eröffnet, holt der Kritiker seine alte Frage her-
vor. Soll man diesmal Ernst machen oder
nicht ? — Es ist gewiß immer noch nicht an der
Zeit! Solange am Lehrter Bahnhof noch „ große
Kunstausstellungen" gemacht werden, hat man
die Pflicht, eine zwar höchst gebrechliche, aber
immerhin von denResten früherer künstlerischer
Prinzipien lebende Gruppe zu stützen. Diese
Pflicht wird mit jedem Jahre schwerer, bleibt
aber leider aktuell. Wir können die Secession
noch nicht entbehren, so ist ihr Anspruch auf
Existenz unbestreitbar. Aber vorbei ist es mit
ihrer Führerrolle unter den Ausstellungen des
Jahres. In Dresden, Köln, Leipzig hat man
jenes Verständnis und jenen Weitblick in den
künstlerischen Fragen der Zeit bewiesen, die
der Secession als der Erbin einer großen Ver-
gangenheit hätte vorbehalten sein müssen. Es
ist leider wahr, daß die Berliner Secession
nicht mehr das künstlerische Gewissen der
Deutschen genannt werden darf, ja daß sie kaum
noch ihre Mission für Berlin erfüllt. Man sagt
es mit Bitterkeit; es zu verschweigen, wäre
verächtlich. — Kann man aber ernsthaft an
ihrer Lebensfähigkeit zweifeln? Wir kennen
doch zum mindesten ein Dutzend jüngerer star-
ker Talente in Berlin, und noch leben auch die
Alten. Diese allein könnten die Secession
halten und in einer neuen Art zu der Höhe ihrer
Vergangenheit führen. Freilich bedürfte es des
Mutes zu einer Reorganisation, einer Refor-
mation an Haupt und Gliedern, besonders aber
— am Haupt. Wie ist es möglich, daß gewisse
mittelmäßige Künstler nun schon seit Jahren
das Niveau der Ausstellungen so unheilvoll be-
einflussen, während andere, die nicht nur durch
hohe künstlerische Leistungen die Existenz der
Secession überhaupt ermöglichen, sondern auch
den Willen zum Besseren haben, nicht hervor-
191a. xi. l.
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