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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 30.1912

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Kleine Kunst-Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7108#0440

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Kleine Kunst-Nachrichten.

saß, den Messels braune Bronzedekoration gegen
den grauen Stein aufwies, ist verloren gegangen.
Dann aber: wie unglücklich fügen sich diese brett-
mäßigen, dürftigen Flachreliefstückchen, ohne Licht-
und Schattenwirkung in die ganz auf Bewegung,
Biegung und maßvolle Schwellung geschaffenen
Stürzen Messels. Es ist, als habe eine grobe Hand
das Leben dieser Pfeiler tot gedrückt. Gänzlich
mißglückt ist auch die Art, wie Plaß gemacht
worden ist für den Eingang des Sarottiladens, der
wieder wie früher zwei Pfeilerabstände der Fassade
einnimmt. Der Mittelpfeiler wurde störend emp-
funden: man schnitt ihn deshalb unten in der Höhe
des Ladens ganz unbefangen ab und seßte die
Tür dafür hin. Über ihr hängt nun der Pfeiler
wie eine drohende, ungeheure Ramme vom Dache
herab, die den Laden zu zerschmettern droht. Die
durchaus notwendige Überleitung dieser gewaltigen
Kraft nach den Seiten, zu den beiden benachbarten
Pfeilern ist nicht versucht. Das Ladenschild ver-
deckt den Schaden notdürftig.

Das Innere des Baues ist klar und einfach ge-
gliedert um einen großen Lichthof. Es ist der
Dritte im Hause: ihre Lage — zwei parallel zur
Leipziger Straße, der dritte zwischen ihnen, quer
dazu gestellt — machen die Orientierung leicht
in dem riesigen Gebäude. Einwandfrei ist aller-
dings für den neuen Lichthof die parallele Richtung
zur Straße nicht, da der Besucher, welcher durch
den Haupteingang des Neubaus hereinkommt, auf
die kurze Achse des Lichthofes zugeführt wird.
Geht man einmal vom Leipziger Plaß in die Messel-
sche Halle, die den Eintretenden mit der Fülle
ihrer Hauptausdehnung empfängt, so erkennt man
sofort den prinzipiellen Unterschied in dem Zusam-
menhang zwischen Tor und Halle.

Der neue Lichthof wird als „römischer Kaufhof"
bezeichnet. Warum baute man keinen „Berliner"
Kaufhof des 20. Jahrhunderts? Der Architekt hatte
das Vorbild Messels. Deutlich läßt sich bei dessen
Wertheimbau verfolgen, wie er immer unabhängiger
von historischen Stilen den Raum und die Deko-
ration gestaltete. Wollen die Schüler den Weg
des Meisters wieder rückwärts gehen? Was soll
uns diese Dekoration mit „antiken" Blattfriesen,
mit Medaillons, die wie vergrößerte römische Mün-
zen an der Wand kleben, Mosaiken u. s. w.? Die
Halle ist umzogen mit drei Reihen schwerer Bogen
übereinander, durch die man in die oberen Stock-
werke sieht. Die Glasdecke aber, von der man
erwartet, daß sie in bedeutender Wölbung die
Kurven dieser Bogen zusammenfaßt und zur Wir-
kung bringt, liegt platt und schwer darüber und
nimmt dem Raum jede Leichtigkeit.

Nicht ungünstig wirkt die kühle Farbstimmung
in braun, grün und grau, an der auch ein Faun-
brunnen in der Mitte des Lichthofes Anteil hat;

im übrigen ist dieser Brunnen mit den archaisti-
schen Figuren herzlich langweilig: Naager ist der
Bildhauer, der auch für die übrige dekorative Aus-
stattung dem Architekten zur Seite stand. Alles
in allem muß man bei dem Bau ein Zurücksinken
in künstlerisch unlogische und unklare Gestaltungen
feststellen, was gerade bei diesem Bau doppelt
schmerzlich empfunden werden muß. h. b.

&

DAS FOLKWANG-MUSEUM. Man wollte es
kaum glauben, daß seit der Gründung des
Folkwangmuseums erst zehn Jahre verstrichen seien.
Was ist in dieser Spanne Zeit alles erreicht worden ;
wie wandelte sich Hagen, diese dem Kunstfreund
kaum bekannte Stadtdes Rußes und der schwißenden
Arbeit, in ein Mekka seltener Schönheiten. Ursache
genug, um ein wenig zu feiern, um sich zu freuen,
daß solche wahrhafte Kulturleistung in dem neuen
Deutschland möglich war. Karl Ernst Osthaus hat
in wenigen Jahren emsiger und umsichtiger Arbeit
mehr erreicht, als je hätte erwartet werden können.
Noch die Außenfront des Museumshauses zeigt, daß
sein Erbauer damals kaum wußte, womit der deut-
schen Kunst Förderung werden konnte; aber schon
die Raumeinteilung des Innern ist eine Demonstra-
tion von der katastrophal hereinbrechenden und
Fruchtbarkeit ausgießenden Erkenntnis: daß nur
die leidenschaftliche Hinkehr zu der Gesundheit
und Selbstgewißheit der Jugend den Sieg bringen
kann. In produktiver Bescheidenheit ließ sich
Osthaus zunächst von Van de Velde leiten, ließ
diesen genialen Problematiker Räume disponieren
und hörte auf ihn beim Einkauf der ersten Stücke.
Das waren Bilder der jungen Franzosen, der Im-
pressionisten und Neo-Impressionisten, das waren
Plastiken von Minne. Damit war der Weg gewiesen;
zähe, nach echter Westfalenart ist Osthaus ihn
immer gradaus gegangen. Was jeßt das Folk-
wangmuseum an Bildern und Plastiken, dazu an
kunstgewerblichem Gerät umschließt, ist ohne
gleichen in Deutschland. Von Manet bis zu Lieber-
mann, van Gogh, Gauguin, Hodler und deren Kreise;
Böcklin und Feuerbach, soweit sie und ihre Art
für das Werden der neuen Kunst notwendig sind.
Doch erschöpfen sich damit die Schäße noch lange
nicht. Wir treffen eine ausgezeichnete Japansamm-
lung und persische und maurisch-spanische Fayencen
in solcher Zahl und solcher Qualität, wie sonst in
keinem unserer Museen. Nimmt man dann noch
hinzu, daß Osthaus durch seine zweite Gründung:
„Das Deutsche Museum für Kunst in Handel und
Gewerbe" unserer Propaganda für schöne Qualitäts-
arbeit einen überaus nüßlichen Helfer geschaffen
hat (man erinnere sich nur der jeßigen Wander-
ausstellung von beinahe tausend ausgewählten
Objekten deutschen Kunstgewerbes in Amerika);
bedenkt man ferner, wie Osthaus kühn und weit-

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