Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 30.1912

DOI Artikel:
Kleine Kunst-Nachrichten
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.7108#0443

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
K/eine Kunst-Nachrichten.

leicht keine Architektur, wie der Berufsmensch sie
versteht; es gehört dies Haus aber ohne Zweifel
zu den Anfängen der neuen Kunst des räumlichen
Qestaltens. Und schließlich: es ist dies Haus, seine
Mängel preisgegeben, von wohlklingender Schönheit.

Wir stehen im Vorhof eines Tempels, breit ge-
lagert warten Stufen. Sie führen rasch und sicher
zu den hohen Streben, die aufwärts fliegend, einen
zum Himmel drängenden Giebel tragen. Hinter
diesen schlanken, am Kapitäl nur leise betonten
Streben harren die gläsernen Türen und wachen
die schmalen, die Wand fast lösenden Fenster.
Ringsum, nur die Zugangsstraßen freilassend, rah-
men kleine freundliche Häuschen den feierlichen
Plat3- Das bricht jede falsche Hoheit. Alltägliches
Leben ist ringsum, ganz bescheiden, fast schüch-
tern; der Tempel, der im Zentrum ragt, ist wie die
Seele solcher Natur.

Die Wände des Tempels sind mit einem licht-
gelben Purj bekleidet, die Kanten wurden mit hell-
blondem Sandstein betont; aus solchem Sandstein
sind auch die Streben gerichtet, das Dach zeigt

ein mildes Ziegelrot. Es ist alles auf ein Minimum
von Materie reduziert. So wirkt auch der Grund-
riß, so das Innere des Hauses. Man kann in die-
sem Hause glücklich sein, weil man den Rhythmus
frei von der Hemmung des Stoffes fühlt. Dieses
ist auch das Leben des großen Saales: begrenz-
tes Unbegrenztsein, Raum als Kristall aus dem
Raumlosen.

In diesem Saal sind die Feste vor sich ge-
gangen, es wandelte sich Musik in tönendes Fleisch;
Musik wurde sichtbar und einte ihre Schwingungen
im Leben des Raumes. Mitschwingen: das ist das
Geheimnis, das Dalcroze enthüllt. Es schwingen
die Körper, es schwingt das Licht, es schwingt
der von aller Materie befreite Saal. Von dem
schwingenden Licht ist noch ein Wort zu sagen.
Es strömt aus zahllosen Glühlampen durch weiße
Tücher, die vor alle Wandung gespannt sind. Man
sieht keinen Leuchtkörper; das Licht kommt flächig,
wie das Licht des Tages und doch geheimnisvoll;
es begleitet die Musik im Heben und Senken, es
schwindet, es stürzt in quellenden Massen, r. ur.

wilhelm
goetze-
I >A KMSTAI >T.

kindergrab-
mal in
sandstein.

428
 
Annotationen