Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 66.1930

DOI article:
Gottlieb, Aurelie: Der Maler Coubine
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.9256#0013

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
OTHON COUBINE—PARIS

»WINTERLANDSCHAFT« 1928

DER MALER COUBINE

Es wird Coubine nachgerühmt, er besitze
außer einer gründlichen allgemeinen und
philosophischen Bildung auch mathematische
Kenntnisse, die bis in abwegige Höhen dieser
strengen Wissenschaft reichen. Das ist ein
seltener Besitz, ja in unseren Tagen, da Spezia-
listentum Trumpf und jedweder Universalismus
fast in Verruf ist, macht diese Geistesprägung
Coubine zu einem Outsider, dessen Kunst fernab
liegt von der großen Heerstraße, auf der die
lauten Schlachten ausgefochten und die glän-
zenden Triumphe gefeiert werden.

Und doch ist es nicht so, als ob etwa Cou-
bines Werke von philosophischen oder mathe-
matischen Motiven durchsetzt und schwerver-
ständlich wären. Kritikgewandt, wie nur ein
Jünger jener hohen Disziplinen, hält Coubine
von je die Gebiete seiner vielfältigen Beschäf-
tigungen scharf auseinander und überläßt der
Kunst nur jene Domäne, die ihr die Philosophie
bei der Aufteilung der Welt einräumte — das
Reich des reinen Gefühls.
— Eine vorschwebende Empfindung plastisch

vollkommen auszudrücken, ist Ziel seiner Be-
mühungen. Klarheit und Verständlichkeit sind
dabei grundlegende Postulate. Denn Mathe-
matiker und überhaupt Menschen der Ratio
kennen nur allgemeingültige Wahrheiten, die
klar erfaßt und klar dargestellt von jedermann
eingesehen werden müssen. Klarheit ist hier
also nicht nur Mittel. Sie bedeutet vielmehr
höchste Bewährung, sie ist Bedingung und zu-
gleich letzter Prüfstein der Wahrheit, ist Schön-
heit. Daher die leidenschaftliche Liebe, mit der
sie gesucht wird, der Ernst der Bemühungen,
der den Künstler dahin bringt, alle plastischen
Künste zu beherrschen — Bildhauerei, Malerei
und alle graphischen Techniken — um nicht
darauf angewiesen zu sein, mit den Mitteln der
einen Kunst nur andeuten zu können, was die
andere deutlich auszusprechen vermag.

Exaktheit und Übersichtlichkeit charakteri-
siert Coubines Zeichnungen — und Zeichnen
ist die Basis all seines plastischen Schaffens.
Mit dünnen, wohlgesetzten Strichen sagen sie
alles Notwendige und nichts als dieses. Jede

XXXIII. April 1930. 1
 
Annotationen