Neue Arbeiten von Konrad v. Kardorff
Wohnungsnot ein Quartier an der schönsten
Stelle der Stadt, am Spreeufer, zu finden, da,
wo der Fluß, nachdem er die City verlassen,
wieder reputierlicher wird und freie Ausblicke
von interessanter Mannigfaltigkeit gewährt. Kar-
dorff nahm diese Gelegenheit mit Leidenschaft
wahr. Seine Bilder aus dem Fenster bilden eine
ungemein reizvolle Serie, die die bezeichnende,
ganz bestimmte berlinische Atmosphäre dieser
Gegend im Nordwesten der Stadt feinfühlig und
mit echter Malerlust zur Anschauung bringt.
Ausschnitte von südlichen Reisen und aus Frank-
reich treten daneben; eine Probe davon gibt
der Hafen von Cherbourg, der hier erscheint.
Manchen Gewinn mag Kardorff auf diesen Stu-
dienfahrten aus dem vertrauten Verkehr mit
Hans Purrmann gewonnen haben. Dabei be-
währte sich wieder das, was ich oben den Cha-
rakter seiner Kunst nannte. Keine Rede davon,
daß er sich von den Eigentümlichkeiten des
Matisse-Schülers Purrmann, von seiner franzö-
sisch orientierten Malweise unmittelbar hätte
anstecken lassen. Nicht einmal in einem aus-
gezeichneten Frauenhalbakt der jüngsten Zeit,
obwohl dies Thema am ehesten dazu hätte ver-
führenkönnen. DochPurrmannsklugemRat, der
so viel und Gutes zu wirken weiß — man hat
ihn den besten „Bilderarzt" genannt, unfehlbar
in der Diagnose der Punkte, in denen Fehler
und Schwächen ihre Wurzeln haben —, diesen
fördernden Anregungen weiß der Freund sich
dankbar verpflichtet. Gleichwohl blieb Kardorff
sich treu. Das bereits genannte Freilichtbild
der Tochter und die schöne Schlichtheit des
Hindenburg-Porträts für die Stadt Kottbus, das
die natürliche Würde des Reichspräsidenten mit
so einfachen Mitteln und zugleich so repräsen-
tativ zur Geltung bringt, beweisen es. Etwas
von dem vornehmen Wesen in Kardorff selbst
floß in dies Bildnis über.
Allenthalben spüren wir in Kardorffs Werken
die Ausgeglichenheit einer Kunst, die redlich der
Natur zu dienen bemüht bleibt und gerade darin
ihren Persönlichkeitswert findet. . max osborn.
DAMENBILDNISSE VON IMRE GOTH
L"jberall wo Gesellschaftskultur ist, tritt der
J Maler der eleganten Dame auf. Das ist
die Form, unter der die Kunst in solchem Kreis
vertragen, gebilligt, verstanden wird. Die Kunst
kann beten, sie kann Politik machen, zur Vater-
landsliebe oder zur Revolution aufrufen. Sie
kann auch gesellschaftlich werden, höflich und
höfisch, und kann von schönen Menschen in
den flüssigen Wendungen der gehobenen Um-
gangssprache sprechen. Sie macht sich die
Wertungen des Salons zu eigen, d. h. sie legt
alles Einzelgängerische und Problematische ab
und tritt in die gesellschaftliche Wertwelt ein,
deren Hauptmerkmal eine unerschütterliche
Sicherheit, eine geläufige Mitteilbarkeit ist. Die
Kunst schließt sich hier gesprächhaft auf, sie
ist nicht mehr die erlauchte Fremdlingin aus
anderem Bereich, die in ernsten Augen das
strenge Gesetz ihres Wesens zeigt, sie kramt
keine Rätsel und keine Seelennöte aus, sondern
sie tritt als ein umgängliches, heiteres Geschöpf
auf und plaudert auf haltungsvolle Weise von
den Dingen und Zügen am Menschen, die in
gesellschaftlicher Atmosphäre wichtig sind und
gesehen werden. In der Ahnenreihe dieser ge-
sellschaftlich geprägten Kunst stehen große und
kleinere Könner, Romney, Gainsborough, Len-
bach, F. A. Kaulbach, Franz v. Stuck neben
zahlreichen Talenten, die von vornherein zu
nichts Höherem geboren waren als zum geläu-
figen Mitsprechen des Idioms der eleganten
Welt. Aber gemeinsam ist ihnen allen das
Merkmal, daß die Kunst sich in ihnen unter
das Gesetz der gehobenen Sozietät gestellt und
sich ihrer ungezähmten, ewig dem Neuen zu-
strebenden Natur begeben hat. In der Dich-
tung, in der Baukunst, in der Wohnkunst gibt
es ganz analoge Erscheinungen.
Imre Göth ist schon mehrfach, zuletzt auf
der Berliner Ausstellung „Frauenporträts", als
Maler eleganter moderner Weiblichkeit aufge-
treten. Man sieht bei ihm eine flüssige, hand-
werklich gut unterbaute Art der Malerei, ge-
wandt, doch nicht phrasenhaft, eher schlicht
und besonnen, gepaart mit der Gabe sicherer
und überzeugender Pointierung. Das Gefällige
ist in dieser Art von Malerei vorherrschend:
so, wie diese Frauen dem Betrachter hier ent-
gegenblicken, mögen sie sich selbst empfinden,
so mögen sie von den Kreisen, denen sie an-
gehören, gesehen und bewundert werden —
und damit ist das Ziel dieser Kunst erreicht,
einer Kunst, die keine leidenschaftliche Aus-
einandersetzung mit dem „heilig-öffentlichen
Geheimnis" der sichtbaren Welt sein will, son-
dern faßliche, verbindliche Wirklichkeitsschil-
derung auf der Grundlage eines sympathischen
Empfindens des Schönen, klare Aussage im
Rahmen nicht weiter der Kritik unterstellter Be-
griffe, Anschauungen und Wertsetzungen, o. r.
Wohnungsnot ein Quartier an der schönsten
Stelle der Stadt, am Spreeufer, zu finden, da,
wo der Fluß, nachdem er die City verlassen,
wieder reputierlicher wird und freie Ausblicke
von interessanter Mannigfaltigkeit gewährt. Kar-
dorff nahm diese Gelegenheit mit Leidenschaft
wahr. Seine Bilder aus dem Fenster bilden eine
ungemein reizvolle Serie, die die bezeichnende,
ganz bestimmte berlinische Atmosphäre dieser
Gegend im Nordwesten der Stadt feinfühlig und
mit echter Malerlust zur Anschauung bringt.
Ausschnitte von südlichen Reisen und aus Frank-
reich treten daneben; eine Probe davon gibt
der Hafen von Cherbourg, der hier erscheint.
Manchen Gewinn mag Kardorff auf diesen Stu-
dienfahrten aus dem vertrauten Verkehr mit
Hans Purrmann gewonnen haben. Dabei be-
währte sich wieder das, was ich oben den Cha-
rakter seiner Kunst nannte. Keine Rede davon,
daß er sich von den Eigentümlichkeiten des
Matisse-Schülers Purrmann, von seiner franzö-
sisch orientierten Malweise unmittelbar hätte
anstecken lassen. Nicht einmal in einem aus-
gezeichneten Frauenhalbakt der jüngsten Zeit,
obwohl dies Thema am ehesten dazu hätte ver-
führenkönnen. DochPurrmannsklugemRat, der
so viel und Gutes zu wirken weiß — man hat
ihn den besten „Bilderarzt" genannt, unfehlbar
in der Diagnose der Punkte, in denen Fehler
und Schwächen ihre Wurzeln haben —, diesen
fördernden Anregungen weiß der Freund sich
dankbar verpflichtet. Gleichwohl blieb Kardorff
sich treu. Das bereits genannte Freilichtbild
der Tochter und die schöne Schlichtheit des
Hindenburg-Porträts für die Stadt Kottbus, das
die natürliche Würde des Reichspräsidenten mit
so einfachen Mitteln und zugleich so repräsen-
tativ zur Geltung bringt, beweisen es. Etwas
von dem vornehmen Wesen in Kardorff selbst
floß in dies Bildnis über.
Allenthalben spüren wir in Kardorffs Werken
die Ausgeglichenheit einer Kunst, die redlich der
Natur zu dienen bemüht bleibt und gerade darin
ihren Persönlichkeitswert findet. . max osborn.
DAMENBILDNISSE VON IMRE GOTH
L"jberall wo Gesellschaftskultur ist, tritt der
J Maler der eleganten Dame auf. Das ist
die Form, unter der die Kunst in solchem Kreis
vertragen, gebilligt, verstanden wird. Die Kunst
kann beten, sie kann Politik machen, zur Vater-
landsliebe oder zur Revolution aufrufen. Sie
kann auch gesellschaftlich werden, höflich und
höfisch, und kann von schönen Menschen in
den flüssigen Wendungen der gehobenen Um-
gangssprache sprechen. Sie macht sich die
Wertungen des Salons zu eigen, d. h. sie legt
alles Einzelgängerische und Problematische ab
und tritt in die gesellschaftliche Wertwelt ein,
deren Hauptmerkmal eine unerschütterliche
Sicherheit, eine geläufige Mitteilbarkeit ist. Die
Kunst schließt sich hier gesprächhaft auf, sie
ist nicht mehr die erlauchte Fremdlingin aus
anderem Bereich, die in ernsten Augen das
strenge Gesetz ihres Wesens zeigt, sie kramt
keine Rätsel und keine Seelennöte aus, sondern
sie tritt als ein umgängliches, heiteres Geschöpf
auf und plaudert auf haltungsvolle Weise von
den Dingen und Zügen am Menschen, die in
gesellschaftlicher Atmosphäre wichtig sind und
gesehen werden. In der Ahnenreihe dieser ge-
sellschaftlich geprägten Kunst stehen große und
kleinere Könner, Romney, Gainsborough, Len-
bach, F. A. Kaulbach, Franz v. Stuck neben
zahlreichen Talenten, die von vornherein zu
nichts Höherem geboren waren als zum geläu-
figen Mitsprechen des Idioms der eleganten
Welt. Aber gemeinsam ist ihnen allen das
Merkmal, daß die Kunst sich in ihnen unter
das Gesetz der gehobenen Sozietät gestellt und
sich ihrer ungezähmten, ewig dem Neuen zu-
strebenden Natur begeben hat. In der Dich-
tung, in der Baukunst, in der Wohnkunst gibt
es ganz analoge Erscheinungen.
Imre Göth ist schon mehrfach, zuletzt auf
der Berliner Ausstellung „Frauenporträts", als
Maler eleganter moderner Weiblichkeit aufge-
treten. Man sieht bei ihm eine flüssige, hand-
werklich gut unterbaute Art der Malerei, ge-
wandt, doch nicht phrasenhaft, eher schlicht
und besonnen, gepaart mit der Gabe sicherer
und überzeugender Pointierung. Das Gefällige
ist in dieser Art von Malerei vorherrschend:
so, wie diese Frauen dem Betrachter hier ent-
gegenblicken, mögen sie sich selbst empfinden,
so mögen sie von den Kreisen, denen sie an-
gehören, gesehen und bewundert werden —
und damit ist das Ziel dieser Kunst erreicht,
einer Kunst, die keine leidenschaftliche Aus-
einandersetzung mit dem „heilig-öffentlichen
Geheimnis" der sichtbaren Welt sein will, son-
dern faßliche, verbindliche Wirklichkeitsschil-
derung auf der Grundlage eines sympathischen
Empfindens des Schönen, klare Aussage im
Rahmen nicht weiter der Kritik unterstellter Be-
griffe, Anschauungen und Wertsetzungen, o. r.