r ii n o i. f
j A C o b i
GEMÄLDE
»TREBOUL«
STADTBILDUNG FRÜHER UND HEUTE
Bisher arbeiteten an der Stadtbildung: Wille
zu einheitlicher Figur, Marktinteresse,
Wunsch nach sicherem Wohnen. Jetzt arbeiten:
Ausgleichsversuche der Vielheit, Verkehrsinte-
resse, Wunsch nach gesundem Wohnen.
Zum ersten: die alten Städte reiften trotz
aller inneren Polarität doch immer zur einheit-
lich geschlossenen Figur aus. Beherrschende
Mächte erzwangen sich Unterordnung, alle
wirtschaftlichen, sozialen, politischen Faktoren,
vor allem das Zusammen von Wohnraum und
Arbeitsraum, mündeten zuletzt in die repräsen-
tative Einheit der Stadtfigur. Alle heute so
verlästerte Repräsentationsgeste der Vorzeit
hat hierin ihre gesunde Wurzel. Sie war die
notwendige Momentalisierung der Grundein-
heit, der Zelle-Werkstattwohnung. — Heute
herrscht das Nebeneinander autonom gewor-
dener Mächte. Ihr gegenseitiger Ausgleich ist
Lebensbedingung der Moderne. Heutige Städte
arbeiten an einer neuen architektonischen
Formulierung des Begriffes Nachbarschaft.
Ein demokratisches Prinzip stellt sich heute dem
aristokratischen Prinzip früherer Städtebildung
entgegen. Vor allem: Wohnraum und Arbeits-
raum sind getrennt. Arbeitstadt steht gegen
Wohnstadt, eine Spannung, die sich einer ein-
heitlichen „Figur" immer entgegensetzen wird.
Zum zweiten: der Städtebau der früheren
Zeiten gründet auf dem Marktinteresse, —
Markt als Wirtschaftsform und als wirklicher
Raum genommen. Der Markt akkumuliert, ar-
beitet sich seine Zufahrts- und Abfahrtsstraßen
heraus. Heutiger Städtebau gründet auf dem
Verkehrsinteresse. Der Verkehr organisiert. Er
schleift sich die Straßennetze aus nach seinem
Bedarf, schafft sich beschleunigende Mittel.
Die Verwirklichung der City schafft völlig an-
dere Bedingungen, wie sie die Verwirklichung
des Marktes einst schuf. Markt war Platz, —
City ist Apparat (an Häusern, Verkehrsmitteln).
Zum dritten: frühere Städte mußten auf
Sicherung bedacht sein: Man rückt zusammen,
schafft Platz- und Straßenriegel, umgürtet sich
mit Mauer und Graben. Notwendiger Ausgleich,
der damit städtebauliches Prinzip wurde, spielte
zwischen Marktfreiheit und sichernder Enge. —
Heutige Städte müssen auf Hygiene bedacht
sein. Die Gesamtorganisation einer modernen
Stadt richtet sich nach Sonne, Luft, Licht. Not-
wendiger Ausgleich, also städtebauliches Prin-
zip der Moderne, spielt zwischen Verkehrs-
maschinerie und sanitärem Apparat. Die Aus-
wägung des „Organismus" in der heutigen Stadt
steht jener in der alten Stadt als grundsätzlich
verschieden gegenüber. . . . dr. oskar schürer.
j A C o b i
GEMÄLDE
»TREBOUL«
STADTBILDUNG FRÜHER UND HEUTE
Bisher arbeiteten an der Stadtbildung: Wille
zu einheitlicher Figur, Marktinteresse,
Wunsch nach sicherem Wohnen. Jetzt arbeiten:
Ausgleichsversuche der Vielheit, Verkehrsinte-
resse, Wunsch nach gesundem Wohnen.
Zum ersten: die alten Städte reiften trotz
aller inneren Polarität doch immer zur einheit-
lich geschlossenen Figur aus. Beherrschende
Mächte erzwangen sich Unterordnung, alle
wirtschaftlichen, sozialen, politischen Faktoren,
vor allem das Zusammen von Wohnraum und
Arbeitsraum, mündeten zuletzt in die repräsen-
tative Einheit der Stadtfigur. Alle heute so
verlästerte Repräsentationsgeste der Vorzeit
hat hierin ihre gesunde Wurzel. Sie war die
notwendige Momentalisierung der Grundein-
heit, der Zelle-Werkstattwohnung. — Heute
herrscht das Nebeneinander autonom gewor-
dener Mächte. Ihr gegenseitiger Ausgleich ist
Lebensbedingung der Moderne. Heutige Städte
arbeiten an einer neuen architektonischen
Formulierung des Begriffes Nachbarschaft.
Ein demokratisches Prinzip stellt sich heute dem
aristokratischen Prinzip früherer Städtebildung
entgegen. Vor allem: Wohnraum und Arbeits-
raum sind getrennt. Arbeitstadt steht gegen
Wohnstadt, eine Spannung, die sich einer ein-
heitlichen „Figur" immer entgegensetzen wird.
Zum zweiten: der Städtebau der früheren
Zeiten gründet auf dem Marktinteresse, —
Markt als Wirtschaftsform und als wirklicher
Raum genommen. Der Markt akkumuliert, ar-
beitet sich seine Zufahrts- und Abfahrtsstraßen
heraus. Heutiger Städtebau gründet auf dem
Verkehrsinteresse. Der Verkehr organisiert. Er
schleift sich die Straßennetze aus nach seinem
Bedarf, schafft sich beschleunigende Mittel.
Die Verwirklichung der City schafft völlig an-
dere Bedingungen, wie sie die Verwirklichung
des Marktes einst schuf. Markt war Platz, —
City ist Apparat (an Häusern, Verkehrsmitteln).
Zum dritten: frühere Städte mußten auf
Sicherung bedacht sein: Man rückt zusammen,
schafft Platz- und Straßenriegel, umgürtet sich
mit Mauer und Graben. Notwendiger Ausgleich,
der damit städtebauliches Prinzip wurde, spielte
zwischen Marktfreiheit und sichernder Enge. —
Heutige Städte müssen auf Hygiene bedacht
sein. Die Gesamtorganisation einer modernen
Stadt richtet sich nach Sonne, Luft, Licht. Not-
wendiger Ausgleich, also städtebauliches Prin-
zip der Moderne, spielt zwischen Verkehrs-
maschinerie und sanitärem Apparat. Die Aus-
wägung des „Organismus" in der heutigen Stadt
steht jener in der alten Stadt als grundsätzlich
verschieden gegenüber. . . . dr. oskar schürer.