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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 66.1930

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Wenzel, Alfred: Das Rationelle und Lebendige
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https://doi.org/10.11588/diglit.9256#0325

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architekt franz kuhn

feinkost-handlung«

DAS RATIONELLE UND LEBENDIGE

Es liegt uns immer daran, das Wesentliche
einer Sache, die es zu realisieren gilt, in
knappe, eindeutige Formulierungen zu fassen.
Die eigentliche Eindringlichkeit wird immer da-
von abhängen: ob diese Formulierungen wirk-
lich das Wesen des Ganzen umreißen, oder
nur das eine oder andere Einzelne betreffen.

Wenn man das Programm der „neuen Wohn-
form" , der „neuen Wohnung" mit den An-
sprüchen nach „mehr Licht" und „mehr Luft"
vollständig umreißen zu können glaubt, so ist
das ein Irrtum; wir stellen auch diese An-
sprüche, gewiß, und sie sind uns sehr wichtig.
Aber das Wesen der modernen Ansprüche ist
damit nicht in seiner Tiefe bloßgelegt; und es
gebricht dem Programm, sofern seine Basis nur
durch diese zwei Momente gebildet sein soll,
an der überzeugenden Eindringlichkeit. Wir
wollen doch noch viel mehr als reichliche Fen-
sterzahl und gute Lüftungsvorkehrungen. Sucht
man das eigentliche Wesen unserer Bedürfnisse
etwas tiefer zu erfassen, so kommt man darauf,
daß ihr besonderes Kennzeichen die „Dualität",

die Zweiheit ist. Wir können das Bedürfnis,
den Anspruch nicht, wie es vielleicht für frühere
Perioden möglich wäre, in einem Wortbegriff
festlegen, sondern benötigen durchwegs des
Paares von Worten, von denen das eine, im
Grunde, einen Gegensatz zum anderen darstellt
und mit ihm nur in einer besonderen Synthese
zu vereinigen ist . . So läßt sich für die Ge-
staltung von Wohnhaus, Wohngarten und
Wohnung als ausschlaggebendes Bedürfnis nicht
etwa der Wunsch nach „Freiheit" und Unge-
bundenheit schlechtweg anführen; denn dem
Wunsch nach solcher Loslösung ist das Ver-
langen nach „Ordnung", Regelung und Bindung
verschwistert, das, aller Willkür abhold, gleich-
zeitig befriedigt sein will. Wir beanspruchen
das höchst „Rationelle" und ebenso höchste
„Lebendigkeit", — und zwar nicht so etwa,
daß wir einmal das Eine und zum andern Mal
das Andere wünschen, sondern: beides in
einem, zur Synthese verschmolzen. . Und —
als Bedürfnis, als „Anspruch" betrachtet —
bedeutet es nichts Unerfüllbares, alfrkd wenzel.

XXXIII. August 1930. 6 •
 
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